Ein strahlend sonniger Tag und ein quietschfideler Stadtführer – größer könnte der Kontrast zum Programm des nun folgenden Rundgangs wohl nicht sein. Denn an diesem Morgen geht es um Mord. Joan Carles Palos (57) erwartet die MZ an der Plaça de Cort, um uns in das, wie er sagt, magische Terrain von Palmas Zentrum zu entführen. „Magisch bis zu einem gewissen Grad, denn es ist auch befleckt mit Blut und dunklen Erinnerungen.“

Der renommierte Guide, Journalist und Wanderautor (fitaafita.com) wurde gebeten, eine besondere Tour im Rahmen des Krimifestivals "Febrer Negre" zu konzipieren, das vom 12. bis 19. Februar stattfindet und von den Buchhandlungen Embat und Quars Llibres organisiert wird. Beim übrigen Programm geht es vor allem um Kriminalromane, die zwar Bluttaten behandeln, sich aber im Bereich der Fiktion bewegen. Palos hingegen wird am letzten Tag des Festivals von „True Crime“ berichten, also von echten Gräueltaten, die sich in der Stadt zugetragen haben – und mit dem Mythos von Mallorca als „Insel der Ruhe“ aufräumen.

Öffentliche Exekutionen

„Es gibt viele Arten von echten Verbrechen“, erklärt er zu Beginn der exklusiven Probe-Führung. „Im Lauf der Geschichte wurden sowohl institutionelle als auch private Verbrechen verübt.“ Zur ersten Kategorie zählt Palos Exekutionen – teils äußerst wüste und grausame Morde, gebilligt von einer Rechtsprechung, die jedem Menschen sein Recht auf Leben absprechen konnte. Die drakonischen Strafen wurden zur Abschreckung selbstverständlich vor Publikum vollstreckt, meist auf öffentlichen Plätzen, wo sonst Märkte stattfanden: Gemüse und Galgen am gleichen Ort.

Der Treffpunkt für die Tour hält direkt ein besonders einprägsames Beispiel dafür bereit: „Hier auf der Plaça de Cort wurden im 14. Jahrhundert zwei Menschen hingerichtet, die angeklagt worden waren, Geldmünzen zu fälschen“, sagt der Guide, der so fesselnd erzählt, wie es wohl die wenigsten Geschichtslehrer zu Schulzeiten vermochten. „Ihre Strafe: Sie wurden gezwungen, geschmolzenes Blei zu trinken. Und im Anschluss wurden sie noch lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt, um das Ganze abzurunden.“

Mit einem Kloß im Hals geht es weiter, vorbei am Gebäude des Inselrats, wo sich einst das Gefängnis befand. „Wer auch immer hierherkam, kam entweder in schlechtem Zustand oder gar nicht mehr heraus.“

Eine Art von Exorzismus

Schnell wird klar, dass das einzige Verbrechen von Joan Carles Palos ist, bekannter zu sein, als die Polizei erlaubt: Wenn man mit dem ehemaligen Pressesprecher des Rathauses unterwegs ist, läuft man Gefahr, ab und an kurz aus der schaurigen Stimmung herausgerissen zu werden, weil er zum Beispiel Palmas Bürgermeister José Hila über den Weg läuft.

Doch vom privaten Plausch kommt er sofort zurück zum privaten Verbrechen, dem zweiten Themenblock: Bei diesen Fällen gehe es um Morde, aber auch um Gewalt gegen Frauen oder Kindesmissbrauch. „Das kommt uns vor wie etwas, worüber wir nur in der heutigen Zeit sprechen, aber es geschieht schon seit dem Mittelalter“, sagt er. Ein Kaplan sei etwa samt Maultier verbrannt worden, weil er sich an Kindern vergangen habe.

„Sie fragen sich vielleicht: Wozu eigentlich ein Rundgang über Mord, Tod und barbarische Hinrichtungen?“, wirft Palos ein, als er in den Carrer de Sant Roc einbiegt. „Nun, es könnte eine Art von Exorzismus sein. Wenn wir diese Dinge beim Namen nennen und uns an sie erinnern, verhindern wir, dass sie sich wiederholen.“

Das gilt wohl besonders für Verbrechen, die sich erst in der jüngeren Vergangenheit zugetragen haben, wie der nie aufgeklärte Mord an Josep Ferragut, dem Architekten des Gesa-Gebäudes, dessen stark entstellte Leiche 1968 nahe Bunyola gefunden worden war. Der Guide spricht vor Ferraguts einstigem Wohnhaus und Studio im Carrer de l’Estudi General 15 (heute: Hausnummer 9) über den brisanten Fall: Wurde der Architekt ermordet, weil er homosexuell war und das zur Zeit der Franco-Diktatur? Oder weil er als Kritiker des unkontrollierten Bauens galt?

Ein Attentat, das Geschichte schrieb

Während an dieses Verbrechen vor einigen Jahren der Dokumentarfilm „Vida i mort d’un arquitecte“ erinnerte, hat es ein weiterer historischer Mord geschafft, in Form einer Redensart im Gedächtnis zu bleiben: „Qué som jo de la mort d’en Berga?“ („Was habe ich mit dem Tod des Berga zu tun?“)

Vor dem entsprechenden Schauplatz, einem mit einem Eisengitter versperrten Innenhof im Carrer de Sant Pere Nolasc, erklärt Palos, was es damit für eine Bewandtnis hat: „Hier lebte und starb der unbeugsame Richter Jaume Joan de Berga.“ Das Attentat im Jahr 1619 ereignete sich im Kontext der Fehde zwischen Adelsfamilien der Oberstadt (Canamunt) und der Unterstadt (Canavall). „Die polizeiliche Ermittlung war bei dieser wichtigen Persönlichkeit so intensiv, dass sie bei der Suche nach den Mördern jedes Haus der Stadt betraten. Alle, ob adelig oder nicht, mussten aussagen“, erzählt Palos. Das zerrte an der Geduld der unschuldigen Bewohner, die mit ebenjenem Spruch antworteten.

Bevor die Tour zur Rambla weitergeht und an der Buchhandlung Quars endet, stoppt der Führer auf der Plaça de Santa Eulàlia, wo früher ebenfalls Exekutionen stattfanden. Hier starb etwa ein zum Christentum konvertierter Muslim, der der Ketzerei bezichtigt und zum Tode verurteilt wurde. „Man setzte ihn nackt auf einen Stuhl aus rot glühendem Eisen“, erzählt Palos. Solche offiziell angeordneten Grausamkeiten toppen für ihn jeden Kriminalroman.

Das könnte Sie interessieren:

True-Crime-Führung, 19. Februar, 10 Uhr, auf Katalanisch, Treffpunkt: Plaça de Cort, Anmeldung unter: bibcort@palma.cat. Infos zum Febrer Negre unter: facebook.com/febrernegre