Sommer 1990: Auf der Terrasse einer Finca mit Sicht auf die Berge der Tramuntana und das Meer ist das Modell einer Skipiste aufgebaut, groß wie ein Tisch. Skifahren auf Rügen – das wäre es doch, schwärmt Fritz Grossmann, der eigentlich Ludger Wieczorek heißt, über sein neuestes Investitionsprojekt: „Biski, das Binzer Skiparadies, 500 Meter vom Strand entfernt!“

Als Unternehmer tritt der Sachse erst seit Kurzem auf, der Mauerfall ist noch kein Jahr her. War er bis dahin Führungsoffizier bei der Staatssicherheit, lebt er nun mit seiner Frau unter neuer Identität auf Mallorca und verschachert gegen Provision den bisherigen Besitz des Arbeitervolks an westliche Investoren. Die Feier zu einem neuen Geschäftsabschluss mit dem Bürgermeister von Sóller als Ehrengast ist gerade in vollem Gange, als die Vergangenheit das Pärchen einholt: Ex-Agentin Kleo Straub, die sich als vermeintliche neue Nachbarin unter die Gästeschar geschmuggelt hat, beginnt ihren Rachefeldzug.

"Schnee in Sóller"

Auch in dieser dritten Folge der gerade angelaufenen deutschen Netflix-Serie „Kleo“ gibt es reihenweise Tote. So wie eigentlich überall, wo die DDR-Top-Agentin auftaucht, von West-Berlin bis Chile. Und es gibt in diesem dritten Kapitel, das vor allem auf Mallorca spielt, jede Menge Gelegenheit, die Standorte der Dreharbeiten zu erraten. Man staunt, wie für die Kamera allerorten die Zeit um mehr als 30 Jahre zurückgedreht wurde. Und nicht zuletzt ist dieses Kapitel mit dem verheißungsvollen Episodennamen „Schnee in Sóller“ eine rabenschwarze Abrechnung mit der Sehnsucht nach Mallorca in den Wendejahren sowie Kulisse für das Ausleben der neuen Reisefreiheit, die auch so mancher Wendehals zu genießen weiß.

Die Stasi in der Tramuntana

Der skurrile Handlungsrahmen der achtteiligen Thriller-Serie: Spionin Straub (Jella Haase) liquidiert 1987 im Auftrag eines geheimen Stasi-Kommandos einen Geschäftsmann in West-Berlin. Kurz darauf wird sie von der Stasi unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und sogar von ihrem eigenen Großvater verleumdet. Nach zwei Jahren im Gefängnis fällt die Mauer, Kleo kommt frei. Es stellt sich heraus, dass die Intrige gegen sie viel größer ist als angenommen. Eine zentrale Rolle spielt neben allerlei Vertretern von Geheimdiensten ein mysteriöser roter Koffer.

Hier auf Mallorca wurde gedreht

Auf Mallorca gedreht wurde im Sommer vergangenen Jahres. Und weil man schon mal hier war, entstanden auf der Insel auch Szenen, die eigentlich in Chile spielen. Wer den vermeintlichen Airport von Santiago de Chile genauer anschaut, erkennt die Fassade von Palmas Radsport-arena wieder, vor die ein Retro-Airport-Eingang drapiert wurde, so wie etwa in anderen Szenen eine alte Telefonzelle vor Palmas Kathedrale. Und noch ein Spoiler: Bei dem Stausee, der die Kulisse für eine Verfolgungsjagd und einen Autounfall bietet, handelt es sich um Cúber.

Man kann sich natürlich wundern, warum Kleo in Sóller absteigt, sämtliche Telefonate nach Deutschland aber in Palma führt. Warum die Bar direkt unterhalb des Barranc de Biniaraix den Namen des Nachbarorts Sóller trägt. Oder warum der Bürgermeister der Gemeinde und seine Gemahlin beide Rodríguez heißen, obwohl Frauen in Spanien bei der Hochzeit ihren Nachnamen stets behalten. Aber „Kleo“ ist nunmal keine Doku, und Mallorca in erster Linie mediterranes Ambiente, das – auch dank des Soundtracks mit Klassikern wie „Porque te vas“ – die untergehende DDR-Welt noch trister erscheinen lässt.

In die weite Welt

In einer Szene gibt es Königsberger Klopse auf der Tramuntana-Terrasse – ein bisschen Heimat muss sein, meint Wiecxorek, alias Grossmann. „Wenn man fast sein ganzes Leben lang eingesperrt war und plötzlich öffnen sich die Tore, da ist es doch selbstverständlich, dass man möglichst abhaut in die Freiheit.“ Genießen freilich kann sie der Ex-Stasi-Mann nur kurz.