Dass die Invasion unmittelbar bevorsteht, daran bestanden eigentlich kaum Zweifel. Befestigungsanlagen verstärken, neue Truppeneinheiten aufbauen, Kontingente verlagern – die vorbeugenden Verteidigungsmaßnahmen liefen auf Mallorca im Jahr 1770 auf Hochtouren. Die Befürchtung: Russische Soldaten, die zusammen mit den britischen Bündnispartnern auf Menorca stationiert waren, würden in Kürze auf Mallorca anlanden und versuchen, die größte Balearen-Insel zu besetzen.

Konflikt um die Falklandinseln

Das im jahrhundertelangen Hin und Her der Eroberungen fast vergessene Kapitel der Geschichte – letztendlich kam es ja auch nicht zum Vormarsch – ist 250 Jahre später vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zumindest wieder eine erinnernswerte Anekdote. Es sind Geschehnisse, für deren Verständnis man freilich einiges an Vorgeschichte mitliefern muss. Zunächst einmal muss man wissen, dass Menorca infolge des Spanischen Erbfolgekriegs fast ein Jahrhundert in britischer Hand war. Russland wiederum stieg im 18. Jahrhundert zu einer europäischen Großmacht auf, dehnte sein Herrschaftsgebiet immer weiter aus und stand zusammen mit dem britischen Empire der Bourbonen-Allianz Frankreichs und Spaniens gegenüber. Und dann gab es noch die Falkland-Krise um die gleichnamigen Inseln vor der Küste Südamerikas, der zwischen 1769 und 1771 beinahe zum Krieg zwischen Spanien und dem britischen Empire geführt hätte. Spanische und britische Kräfte lieferten sich auf der strategisch gelegenen Inselgruppe Scharmützel, erhoben Anrecht auf die Souveränität von Port Egmont – und zwangen letztendlich die Regenten in Madrid und London, Stellung zu beziehen.

Russische Truppen vor der Küste

Truppen im Hafen von Maó

Wie der Historiker Eduardo Pascual von der Balearen-Universität (UIB) in einem Aufsatz schreibt, waren im Hafen von Maó auf Menorca britische wie russische Truppen stationiert – und bereiteten sich für den Fall einer Eskalation des Konflikts zwischen Spanien und Großbritannien auf eine Invasion Mallorcas vor. Spione berichteten dem spanischen König Carlos III., dass eine Infanterie-Einheit und Kriegsschiffe mit insgesamt 4.000 Soldaten bereitstünden. Konkret wurde auf Mallorca eine Invasion auf kürzestem Weg, also über die Bucht von Alcúdia befürchtet, aber auch der Angriff auf Palmas Hafen. Das Kalkül der Angreifer: die Verlagerung von Verteidigungskräften an die Nordküste unterbinden.

Russische Truppen vor der Küste

Die Reaktion auf militärischer Ebene: Mallorca rief eine städtische Miliz ins Leben, deren Einsatzkräfte in der Bucht von Alcúdia in Stellung gebracht wurden. Die Verteidigungsanlagen in Palmas Hafen wurden instand gesetzt und massiv verstärkt, wofür mehrere Gebäude abgerissen werden mussten. Zudem trafen aus Barcelona zwei Bataillone mit acht schweren Kanonen ein, um die militärischen Einheiten auf Mallorca zu verstärken. Gleichzeitig kam allerdings auch Verstärkung für die auf der Nachbarinsel Menorca stationierten Truppen.

Noch wichtiger und letztendlich entscheidend waren aber die Bemühungen auf diplomatischer Ebene. König Carlos III. war sich offenbar im Klaren darüber, was ein Krieg seines schwächelnden Kolonialreichs mit der britischen Hegemonialmacht bedeuten könnte. Auch auf Seiten des französischen Bündnispartners hielt sich die Bereitschaft zu einem Eingreifen in einen kriegerischen Konflikt um die fernen Inseln im Atlantik in Grenzen. Ähnlich auf britischer Seite, wo man zwar zu einer entschlossenen Haltung, aber nicht wirklich an einem Krieg mit Spanien interessiert war. Sowohl Georg III. auf britischer Seite als auch Ludwig XV. auf französischer Seite bremsten die Kriegstreiber im eigenen Lager.

Ein Sieg der Diplomatie

Stattdessen wurde der diplomatische Druck verstärkt, und das spanische Königreich stimmte schließlich im Januar des Jahres 1771 einer Einigung zu, wonach Großbritannien wieder über Port Egmont auf den Falklandinseln verfügen konnte. Folge: Die Briten sollten nach dem Ende der spanischen Kolonialherrschaft in Südamerika dauerhaft das Archipel besetzen. Dass die Frage der Zugehörigkeit der Inselgruppe bei der Einigung von 1771 nicht abschließend geklärt wurde und Jahrhunderte später einen Krieg zwischen Großbritannien und der argentinischen Militärjunta zur Folge haben sollte, ist freilich nur eine Fußnote dieses Kapitels aus dem 18. Jahrhundert.