Wenn Tomeu Caldentey in seinen Artikeln über ein heikles Thema schreibt, dann erreicht ihn das Feedback der Leser direkt. „Sie halten mich auf der Straße an, melden sich auf meiner Privatnummer. Teilweise, bevor ich überhaupt dazu gekommen bin, alle Exemplare in den Verkaufsstellen auszulegen“, sagt Caldentey.

Es ist das Los des Lokaljournalisten. Dabei würde sich der 35-Jährige gar nicht unbedingt als Journalist bezeichnen. Und doch arbeitet er seit Jahren unter anderem für die Lokalzeitschrift „Bellpuig“ in Artà – eine von zahlreichen Publikationen, die sich gänzlich auf das Geschehen in einem bestimmten Inseldorf fokussieren und von den Einheimischen mindestens ebenso viel beachtet werden wie die zwei großen Insel-Tageszeitungen „Diario de Mallorca“ und „Última Hora“.

Verband für kleine Zeitungen auf Mallorca

„Associació Premsa Forana“ nennt sich der Verband, der viele der kleinen Zeitungen und Zeitschriften vereint. Hier ist Tomeu Caldentey der zweite Vorsitzende. Schon seit 1978 existiert der Verband, hat sogar einen Sitz im Inseldörfchen Sant Joan, mit verstaubtem Zeitungsarchiv und antiquiertem Besprechungsraum.

Doch mit den Jahren sind die Aktivitäten dort ein wenig eingeschlafen – jede Lokalzeitung kocht ihr eigenes Süppchen, von Andratx bis Cala Ratjada, von Santanyí bis Campanet. Nur Palma ist außen vor. „Dort beherrschen die großen, professionellen Tageszeitungen mit ihren Lokalteilen den Markt.“

Fit machen fürs Internet

Jetzt will man den Zusammenhalt unter den Kleinen wiederbeleben. Mit bedruckten Kugelschreibern und Leinenbeuteln mit dem Slogan „Jo llegesc Premsa Forana“ (in etwa: „Ich lese die Dorf-Presse“). Aber auch mit Workshops und kleinen Weiterbildungen für die Mitglieder. Schreibtipps oder Kniffe für die Technologisierung. „Die meisten von uns sind eben keine Profis. Trotzdem müssen wir uns den Herausforderungen der Digitalisierung genauso stellen wie die Großen“, sagt Caldentey. Dass die Generation der Papierleser langsam ausstirbt, ist kein Geheimnis – doch die meisten der 22 Publikationen, die dem Verband angehören, haben noch nicht auf Internetauftritte umgesattelt.

Einige hat es bereits dahingerafft. Zu Hochzeiten in den 90ern habe der Verband bis zu 50 Mitglieder gezählt. „Viele Publikationen sind leider eingestellt worden. Oft sind es quasi Ein-Mann-Betriebe, deren Existenz an einer einzigen Person hängt“, sagt Caldentey. Es fehle an Nachwuchs, an jungen Menschen, die Lust haben auf lokale Berichterstattung, auch ohne, dass sie davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können. „Viele teilen ihre Bilder oder Texte lieber bei Facebook und Instagram statt in der Dorfzeitschrift“, sagt Caldentey. Die sozialen Medien liefen den örtlichen Publikationen buchstäblich den Rang des einzigen bürgernahen Multiplikators von Informationen ab.

Nähe: Fluch und Segen zugleich

Und doch: Wegzudenken sind die Zeitungen aus vielen Dörfern nicht. Was dort veröffentlich wird, ist schon kurz darauf in aller Munde, treibt den Dorfklatsch voran, setzt Diskussionen in Gang. Das wissen auch die Kommunalpolitiker. Wer den Einfluss der Kleinen unterschätzt, kann schnell in der Wählergunst sinken. „Wir sind einfach näher dran als die Tageszeitungen aus Palma, bekommen oft Informationen und auch Themen mit, die die Großen nicht oder nicht so schnell aufdecken“, sagt Caldentey. Er ist sich bewusst, dass diese unmittelbare Nähe zwischen Berichterstattern und ihren Protagonisten die gebotene journalistische Distanz erschwert. „Wir versuchen trotzdem, auch die unangenehmen Dinge zu erzählen – und gehen dabei umso sorgfältiger vor. Eben weil wir den Protagonisten später noch ganz direkt in die Augen blicken müssen.“

Keine Parteibindung

Im Fall der „Bellpuig“ in Artà ist die Redaktion in einem Gebäude der Kirchengemeinde untergebracht. Ein Überbleibsel aus der Gründerzeit 1960, als die Zeitschrift vom Pfarrbüro gegründet wurde, bevor sie 2004 von einer Stiftung übernommen wurde. Viele andere Dorfzeitschriften haben ähnliche Hintergründe, einige gehen auch aus Kulturvereinen hervor.

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Nur Parteiblätter oder Organe anderer politischer Akteure werden laut der Statuten nicht in den Verband aufgenommen. „Obwohl natürlich dennoch viele der Publikationen eine gewisse ideologische Richtung einschlagen, die meisten stehen politisch links.“ Gemein haben alle, dass sie keine reinen Anzeigenblätter sind, die kostenlos ausliegen, sondern verkauft werden – obwohl meist keine Gewinnabsichten hinter den Publikationen stehen. Weiteres Aufnahmekriterium im Verband ist es, dass der Großteil der Veröffentlichungen auf Katalanisch erfolgt. „Die Sprache sollte gefördert werden“, findet Caldentey.

Manche der Zeitschriften erscheinen nur alle ein, zwei oder gar drei Monate, andere, wie die „Veu de Sóller“, „Felanitx“ oder „Cent per Cent“ wöchentlich. „Dann stecken da professionelle Journalisten dahinter“, so Caldentey. Er mag seine Arbeit, das merkt man ihm an. Trotz der unmittelbaren Nähe zu den Lesern – oder gerade deshalb.