Wer es bis zur Markthalle in Artà schafft, der hat mehr erreicht als die meisten Besucher des Wochenmarkts. Zunächst einmal müssen Auswärtige einen Parkplatz finden – ein durchaus schwieriges Unterfangen. Denn selbst außerhalb der Urlaubssaison wird Artà jeden Dienstagvormittag zum Bummel-Hotspot des Inselostens. Dann gilt es, sich nicht zu sehr von den zahlreichen – oft attraktiven – Marktständen und Geschäftsauslagen ablenken zu lassen, die in der Fußgängerzone und rund um die Plaça del Conqueridor um die Aufmerksamkeit der Kunden buhlen. Dienstags geben sich auch die Gastronomen besondere Mühe, die Besucher an ihre Café-Tische zu locken. Nur wer den Platz komplett überquert, stößt an der nördlichen Ecke auf ein unauffällig in die Häuserzeile eingelassenes Gebäude. Die steinerne Aufschrift „Mercat Municipal“ setzte sich kaum von der Fassade ab. Doch es lohnt sich, einen Blick hineinzuwerfen.

Matías Izidor verkauft seine Wurst- spezialitäten vor allem an deutsche Residenten Sophie Mono

In Spanien ist es üblich, dass Orte, die etwas auf sich halten, traditionell die Markthändler nicht nur im Freien ihre Klapptische aufbauen lassen, sondern auch ein überdachtes Gebäude mit fest installierten Verkaufsbereichen vorweisen können. Man denke an den Mercado San Miguel in Madrid, der sich längst zu einem wahren Touristenmagnet gemausert hat. Oder an die kleineren Pendants in Palma, dem Mercat de l’Olivar oder den Mercat de Santa Catalina im gleichnamigen Viertel. Zugegeben: Das dort herrschende urbane Gastromarkt-Feeling kommt im Mercat Municipal in Artà nicht auf. Doch was Modernität und Komfort angeht, hat der Ort die Nase vorn – vor allem im Vergleich zu anderen dörflichen Markthallen.

Der Eingang zum Mercat Municipal ist im allgemeinen Markttreiben auf der Plaça del Conqueridor leicht zu übersehen Sophie Mono

Anfang April war das Gebäude nach mehrmonatigen aufwendigen Umbauarbeiten wiedereröffnet worden. Knapp 650.000 Euro haben das Rathaus und die Landesregierung für die Modernisierungsarbeiten aufgebracht. „Die waren auch dringend notwendig, der Zustand hier war Dritte-Welt-Niveau“, sagt Matías Izidor, der direkt neben dem Eingang Wurstware anpreist. Schon sein Großvater habe hier immer dienstags die vor allem bei deutschen Kunden beliebten Delikatessen verkauft. Er kommt richtig in Fahrt: „Jahrzehntelang war hier nichts gemacht worden. Zuletzt lief Regenwasser die Wände hinunter, es war fürchterlich.“ Aber gut, das sei ja nun passé. Von Feuchtigkeit oder gar undichten Stellen ist nichts mehr zu spüren, die Wände sind rundherum mit modernen, aber dezenten anthrazitgrauen Fliesen verkleidet, der sonnengelbe Linoleumboden wirkt solide und reinlich.

Jaime Llulls Oliven gibt es in Artà schon seit 37Jahren zu kaufen. Sophie Mono

„Vorher hat es hier gestunken, es war regelrecht unhygienisch“, bestätigt Fabiola Angeríz. Ihr Bäckereibetrieb Panadería Lozano aus Palma führt seit elf Jahren in Artà einen Stand. „Sie haben die Kanalisation komplett erneuert, es gibt überall Steckdosen, die Dachfenster lassen mehr Licht herein, die Stände sind so verteilt, dass alle viel mehr Platz haben“, schwärmt sie.

Fabiola Angeríz von der Panadería Lozano aus Palma verkauft seit elf Jahren galicische und mallorquinische Backware in Artà. Sophie Mono

Nur diesen einen Wermutstropfen gebe es noch immer: „Es gibt so wenig Laufkundschaft.“ In den Monaten, als das Gebäude in den Händen der Handwerker war, hatte das Rathaus alle Verkäufer ihre Stände draußen auf dem Marktplatz aufbauen lassen. „Ehrlich gesagt war das für uns verkaufstechnisch viel besser“, so Lozano. In die Halle kämen vor allem Insulaner, die sich zwar über mallorquinische Backspezialitäten freuten, aber grundsätzlich wenig kauften, sowie langjährige ausländische Zweithausbesitzer. „Die wissen, wo sie uns hier finden, und schätzen auch unsere galicischen Brote und empanadas. Aber Touristen, die neu auf dem Markt sind, bleiben meist draußen.

Jerónimo Perillo nickt. Ja, so ungefähr würde er das auch beschreiben. „Bei mir kaufen fast ausschließlich artanencs im Alter von 70–80 Jahren“, sagt er. Es ist 10.45 Uhr, die Markthalle ist seit einer Dreiviertelstunde geöffnet, und nach dem ersten Andrang von Rentnern vor seinem üppigen Stand ist schon wieder Flaute angesagt. „Jüngere gehen in den Supermarkt und kochen auch gar nicht mehr die typischen Gerichte, und Auswärtige finden oft gar nicht hier herein“, sagt er. „Märkte werden aussterben, nicht nur hier, sondern überall.

Jaime Llull aus Caimari ist da optimistischer. Seit 37 Jahren verkauft er jeden Dienstag eingelegte Oliven in Artà. „Anfangs gab es hier nicht einmal Strom, mittlerweile haben wir es richtig gemütlich“, findet er. „Früher habe ich die Oliven für 80 Peseten pro Kilo verkauft, das waren knapp 50 Cent“, erinnert er sich. Heute ist allein die Frucht im Einkaufspreis doppelt so teuer, hinzu kommen die weiteren Zutaten, die seiner Ware Geschmack verleihen. „Aber ich will mich nicht beschweren, ich habe meine Stammkunden und die bleiben, bis auch ich irgendwann aufhöre.“

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Immerhin: Unter den Marktverkäufern gibt es eine vorwiegend freundschaftliche Bande. Das betont sogar der pessimistische Perillo. „Wir sind wie eine große Familie. Wir kennen uns teilweise seit Jahrzehnten und treffen uns mehrmals die Woche auf verschiedenen Märkten. Einige sehe ich häufiger als meine echte Familie.“ Wurstverkäufer Matías Izidor lacht. „Du hast wenigstens die mallorquinischen Kunden. Bei mir kaufen fast ausschließlich deutsche Zweithausbesitzer ein – ihr Fehlen war während der Corona-Reisebeschränkungen gar nicht spaßig“, sagt Izidor und knufft Perillo herzlich in die Seite. „Wir arrangieren uns schon.“

Ab November haben die beiden immerhin weniger Konkurrenz – ein Teil der Händler verlässt die Stände im Winter und wird erst ab März wieder in Artà aufschlagen. Gleichzeitig nimmt aber auch die Zahl der Urlauber ab, die den Markt und mit etwas Glück auch die Halle besuchen. „Wenigstens haben wir es hier drin wärmer als die Kollegen draußen“, so Fabiola Angeríz. „Der Winter kann kommen.“