Mallorca Zeitung

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Lange vor den Sauftouristen von Magaluf: Wie wild trieben es die ersten Barbaren auf Mallorca?

Ein wenig Handel, ein wenig Freizeit, ein wenig Piraterie: Ab 455 nach Chr. machten die Vandalen die Insel zu ihrem Drehkreuz im westlichen Mittelmeer. Teil 3 der augenzwinkernden Serie "Seltsame Touris"

Frönten wahrscheinlich noch nicht so exzessiv der Cervisia wie heutige Touris in Magaluf: Die Vandalen auf Mallorca. DM

Eine Frage zu Beginn: Was wissen Sie über die Vandalen auf Mallorca? Durch eine seltsame Assoziationskette beginnen die meisten dann sofort, über Magaluf, Sauftourismus und Balconing zu schimpfen. Dieser erste Gedanke entspricht auch der ersten Definition im Wörterbuch der Real Academia Española, wobei „vándalos“ auf Spanisch sowohl „Vandalen“ als auch „vandalisch“ bedeuten kann: „Adjektiv. Bezeichnet eine Person, die für wilde und zerstörerische Menschen typische Handlungen vollzieht“. Aber nein, dieses Kapitel der wahnwitzigen Nicht-Geschichte des Tourismus bezieht sich auf die zweite Definition: „Adjektiv. Bezeichnet eine Person von einem barbarischen Volk ostgermanischer Herkunft“.

Diese neuen Besucher lernten Mallorca dank der Römer kennen, deren Generäle damit begonnen hatten, sie für ihre Bürgerkriege zu rekrutieren. Am Ende übernahmen die Söldner das gesamte westliche Reich. Sie eroberten das Gallien von Asterix und Obelix. Dann die Iberische Halbinsel. Im Jahr 429 überquerten sie die Straße von Gibraltar. Und so eroberten sie auch Nordafrika und ließen sich in Karthago nieder.

Im Jahr 455 besetzten die Vandalen die Insel

Die Vandalen erkannten, dass der kürzeste Weg zwischen Afrika und dem Süden des heutigen Frankreichs über Mallorca führte. Im Jahr 455 besetzten sie die Insel und bauten sie zu einer Art Drehkreuz aus, ähnlich dem, mit dem einst Air Berlin seine Fluggäste verteilte. Dass die Vandalen nicht viele Aufzeichnungen über ihren Mallorca-Urlaub hinterließen, hat zwei Gründe. Der erste ist, dass sie sich nie für den Massentourismus erwärmen konnten. Sie kamen in kleinen Gruppen und machten ihr eigenes Ding. Ein bisschen Geschäfte hier und, so ist anzunehmen, ein bisschen Freizeit dort. Mit „Overbooking“-Schlagzeilen schafften sie es jedenfalls nie auf die Titelseiten der britischen Boulevardpresse.

Der zweite Grund dafür, dass sie so wenige Spuren hinterließen, war, dass sie sehr romanisiert auf der Insel ankamen. Sie hatten die Sitten, die Partygewohnheiten und den Lebensstil der fortschrittlichsten Gesellschaft der damaligen Zeit übernommen. Sie hatten es nicht nötig, neue Urbanisationen zu bauen oder Denkmäler zu errichten, auf denen „Ein Tourist, ein Freund“ steht. Aus heutiger Sicht waren Römer und Vandalen so schwer auseinanderzuhalten wie ein Arsenal-Fan und ein Chelsea-Fan auf Mallorca: Man erkennt sie nur am Trikot ihrer Mannschaft. Ansonsten werden sie in der Sonne rot, trinken Bier bis in die frühen Morgenstunden und essen Roastbeef. Das Beispiel könnte man auch auf Deutsche anwenden. In diesem Fall mit einem Bayern-Fan und einem Schalke-04-Fan. Man tausche lediglich das Roastbeef gegen die Rostbratwurst aus.

Spuren im Hinterland von Mallorca

Obwohl es so wenig Spuren ihrer Anwesenheit gibt, wird angenommen, dass die Vandalen einige Orte im Hinterland der Insel bewohnten. Ein Beispiel dafür ist die Festung Sa Bastida in Alaró, die nachweislich vom 4. bis zum 8. Jahrhundert nach Christus genutzt wurde. Aktuelle Ausgrabungen könnten hier neue Erkenntnisse liefern.

Die Historiker glauben zudem, dass die Vandalen einige der frühchristlichen Basiliken der Insel erbauten oder zumindest umgestalteten, wie jene von Son Peretó zwischen Manacor und Sant Llorenç, Sa Carrotja in Porto Cristo und Cas Frares in Santa Maria. Mit einer Besonderheit: Die Vandalen waren Vertreter des Arianismus, einer theologischen Position innerhalb des Frühchristentums. Sie verteidigten die Auffassung, „dass Jesus Christus zwar direkt von Gott geschaffen wurde, aber nicht ewig und göttlich ist“. Theologische Abhandlungen, die einer byzantinischen Diskussion würdig wären – die Byzantiner werden bald Einzug in diese Erzählung halten – und die wohl die meisten Menschen heute in ihrer Freizeit nicht sonderlich kümmern dürften.

Wie alle Völker, die sich auf den Balearen niedergelassen haben, beschlossen die Vandalen, das Geschäft mit dem Handel und der Freizeit durch die enormen Gewinne der Piraterie zu ergänzen. Die Byzantiner hatten davon bald genug. Justinian schickte seinen besten Feldherrn Belisar, der die Vandalen 533 in Nordafrika besiegte und daraufhin Apollinaris mit der Eroberung der Balearen beauftragte. So kontrollierten die Römer – nun die aus dem Osten – 79 Jahre später erneut das beste Urlaubsziel im westlichen Mittelmeer. Es existieren zwar keine schriftlichen Überlieferungen, aber es ist nicht auszuschließen, dass es damals Byzantiner gab, die von ihren Vorfahren wundersame Geschichten über die Strände auf Mallorca und die Kneipentouren in Magaluf zu hören bekamen. Obwohl… nein, das nicht. Bei der Geschichte geht es auch um Vandalen, aber um die heutigen.

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