Mallorca Zeitung

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Der König von Mallorca, der 2024 groß herauskommt

Der Todestag von Sanç I. jährt sich zum 700. Mal. Der Herrscher, der heute im Schatten anderer Monarchen steht, war kränklich und regierte kurze Zeit. Und doch hat er auf der Insel seine Spuren hinterlassen

Sanç I., wie er für Palmas Galerie der Ehrenbürger im 17. Jahrhundert porträtiert wurde. Ajuntament Palma

Seine Hoheit hat einen seiner beiden Handschuhe abgelegt, mit spitzen Fingern hält er eine Blume in der Hand. So zeigt Sanç I. ein Gemälde, das in Palmas Rathaus hängt, umringt von mehr als 180 weiteren Porträts der städtischen Ehrenbürger, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte ernannt wurden. Die Blume hat ihren Grund, trägt Sanç I. doch den Beinamen „El Pacífic“, der Friedvolle. Unter seiner Regentschaft Anfang des 14. Jahrhunderts war Mallorca in keine kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt.

Sanç I. regierte von 1311 bis zu seinem Tod im Jahr 1324, vor 700 Jahren. Es wird die Gelegenheit sein, einen der unbekannteren Herrscher jenes Königreichs von Mallorca kennenzulernen, das im politischen Selbstverständnis regionaler Eigenständigkeit der Insel noch heute eine zentrale Rolle spielt. Begründet hatte es Jaume I., der Großvater von Sanç I., mit der Rückeroberung Mallorcas von den Mauren 1229.

Diada de Mallorca. DM

Gern gedacht wird heutzutage auch seinem Sohn Jaume II., dem Vater von Sanç I., hatte der doch am 12. September 1276 den Schwur auf die „privilegis del Regne de Mallorca“ abgelegt, eine Art mittelalterliche Verfassung des Königreichs. Der 12. September ist auch das Datum der Diada de Mallorca, dem offiziellen Inselfeiertag. Zudem erinnern heute Denkmäler an beide Monarchen, Plätze und Boulevards sind nach ihnen benannt.

Und Sanç?

Eine unscheinbare Straße in Palmas Neustadt, der Carrer del Rei Sanç I, ist dem Zweitgeborenen gewidmet, der gar nicht für den Thron bestimmt war. Doch sein älterer Bruder, der als Jaume III. hätte herrschen können, verzichtete zugunsten seines Glaubens auf die Krone und trat 1299 in den Franziskaner-Orden ein. Sanç wurde daraufhin zwei Jahre später offiziell zum Thronfolger erklärt.

Geteiltes Reich

Dies galt nicht als optimale Lösung, litt er doch an chronischem Asthma. Friedlich, kränklich, gar charakterschwach – die traditionelle Geschichtsschreibung zeichnet kein heldenhaftes Bild des Königs. „In Wirklichkeit war er nicht schwach, sondern wusste nur zu gut um die schwache, territoriale Stellung seines Reichs“, schreibt Pau Cateura, Historiker für mittelalterliche Geschichte an der Balearen-Universität, in einem Aufsatz. „Um zu überleben, fügte er sich auf pragmatische Weise in die untergeordnete politische Rolle ein.“

Dazu muss man wissen: Die Eigenständigkeit des Königreichs Mallorca war längst nicht mehr so klar wie noch unter der Regentschaft von Jaume I., teilte dieser doch seine Herrschaftsgebiete unter seinen Söhnen auf. 1278 wurde Mallorca-König Jaume II. von seinem Bruder, Pere III. d’Aragó, zum Lehnseid gezwungen. So kam es, dass Sanç I. zwar als König von Mallorca, als Graf von Cerdanya (Cerdagne) und Roussillon sowie als Herr von Montpellier herrschen sollte, gleichzeitig aber Vasall seines Cousins war, des Königs von Aragonien und Grafen von Barcelona. Dass der auch Jaume hieß – Beiname „der Gerechte“ –, macht die Sache nicht übersichtlicher.

Hatte Sanç bislang unter anderem in Perpinyà (Perpignan) gelebt und seine Erziehung am Hofe von König Philipp IV. von Frankreich erhalten, kam er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1312 nach Mallorca, um in Palmas Kathedrale seinen Eid auf die privilegis abzulegen. Hier war er auch 1304 seine Ehe mit Maria de Nàpols, Prinzessin von Neapel, eingegangen. Sanç I. füllte seine Rolle als Herrscher intensiv aus. „Seine Regentschaft war eine Fortführung der letzten Etappe seines Vaters und sehr fruchtbar für Mallorca“, urteilt Palma-Experte Joan Avellaneda i Artigas in einem Porträt des Herrschers.

Kampf gegen Piraterie

Sanç I. förderte den Handel mit Flandern und Frankreich, begründete die Caixa de Mariners, eine Art Versicherung der Seeleute, brachte Friedens- und Handelsverträge mit den Emiraten in Nordafrika auf den Weg und gründete dort Konsulate. Er erneuerte die damaligen Hafenanlagen in Porto Pí und ließ zum Kampf gegen die beständige Bedrohung durch Piraten eine Reihe von Galeeren bauen. Während seiner Regentschaft wurden auch die Institutionen neu geordnet: Es entstand der Sindicat Forà, der die Dörfer in der damaligen Universitat de la Ciutat i Regne vertrat, einer Mischung aus Insel- und Gemeinderat.

Eine besondere Beziehung hatte Sanç I. vor allem zum Tramuntana-Ort Valldemossa. Dort hatte sein Vater kurz vor seinem Tod einen Palast bauen lassen, damit sein von Asthma geplagter Sohn in der Bergluft Linderung finden konnte. Hier weilte der Monarch dann auch regelmäßig im Sommer, im Palau del Rei Sanç, der heute den Kern der Kartause bildet, sowie auch in einem Gehöft am Puig des Teix.

Der steile Aufstieg von Deià aus mündet in den Erzherzogsweg, den Camí de s'Arxiduc. Rechts auf dem Foto ist das Teix-Massiv zu sehen, links der Puig des Vent. Foto: Roland Otto

Die Frage der Nachfolge

Die Ehe mit Maria de Nàpols brachte keinen legitimen Thronfolger hervor – je nach Quelle werden dem König keine Kinder, bis zu drei leibliche Töchter oder auch bis zu sechs uneheliche Kinder zugeschrieben. Cateura schreibt: „Sanç hatte eine prekäre Gesundheit, Maria einen extravaganten Charakter. Die Abwesenheit legitimer Erben war aber kein Hindernis, dass Sanç Nachkommen aus sporadischen Verbindungen hatte.“ Letztendlich legte er in seinem Testament seinen Neffen Jaume als Thronfolger fest, der dann als Jaume III. – Beiname „der Kühne“ – regieren sollte.

Sanç I. erlag am 4. September 1324 fernab von Mallorca, in Cerdanya, seinem Asthma-Leiden. Bestattet wurde er in der Kirche Sant Joan el Vell in Perpinyà. Das Königsporträt mit Blume, das heute in Palmas Rathaus hängt, entstand erst rund 400 Jahre später.

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