Das Seegras, das vor Mallorcas Küste wächst und die Artenvielfalt sichert, kommt jetzt auch in der Designwelt zu Ehren. In Zusammenarbeit mit der Traditionsfirma Huguet hat die Designerin Astrid Stavro Fliesen mit getrockneten Teilen der Pflanze gestaltet – mit angespülten Blättern, aber auch Seebällen, zu denen sich die Blätter am Strand verfilzen. Es ist eine von acht Kollektionen, die der Hersteller aus Campos zusammen mit Pentagram erstellt hat, eine der größten Designagenturen der Welt. Die Kollektionen werden vom 19. bis 25. September beim London Design Festival ausgestellt, danach in New York.

Huguet ist bereits seit einigen Jahren weit über die Insel hinaus bekannt, das neue Projekt ist das bislang ambitionierteste. Das 1933 gegründete Familienunternehmen hatte eigentlich mit dem Bauboom der 60er-Jahre aufgehört, Fliesen auf traditionelle Art herzustellen. Dazu war im schnellen Baubetrieb keine Zeit mehr. Doch in den 90ern setzte Biel Huguet, der das Unternehmen heute in dritter Generation führt, wieder auf Tradition. Und traf ins Schwarze. Vor allem Ausländer, die sich auf der Insel eine Finca einrichteten, wollten unbedingt klassische mallorquinische baldosas kaufen.

Traditionelle Fliesen brauchen keinen Ofen

Die Hydraulikfliesen werden in einer Pressform hergestellt. Farbe, trockener Zement, Marmorpulver – und jetzt eben auch Neptungras – werden in dieser Form mit einer Spezialmaschine zusammengepresst. Dann liegen sie eine Woche lang in einem feuchten Raum, wo sie regelmäßig mit Wasser besprengt werden. Durch die Feuchtigkeit wird das Material sehr hart. Ein Ofen wird in der traditionellen Fliesenherstellung auf Mallorca hingegen nicht verwendet.

Das getrocknete Seegras wird in die Pressform gegeben. Andres Fraga

Neben den Neptungras-Elementen gibt es in der Kollektion von Astrid Stavro auch Fliesen, in die Korkstücke eingearbeitet sind. Darüber hinaus nehmen aber auch andere Designer von Pentagram in ihrer Arbeit Bezug auf die Insel. Giorgia Lupi etwa visualisiert mit ihren Kacheln die 24 Preludes, die Chopin während seines berühmten Aufenthalts in Valldemossa komponiert hat. Jede Kachel stellt dabei ein Prelude dar. Die Farben zeigen, ob das Stück in Dur (rot, orange, gelb) oder Moll (blau) geschrieben ist, die horizontalen Striche sind die Tempi, die vertikalen Linien die Zahl der Oktaven eines Stücks.

Und dann gibt es noch die Kollektion von Jon Marshall: ein Gesamtpaket aus Fliesen und Gartenmöbeln, die die Ästhetik der mediterranen Terrasse mit der von englischen Gärten verbindet.

Traditionelles Handwerk – Ganz innovativ

Die weiteren Motive sind made in Mallorca, ihr Konzept weist aber über die Insel hinaus. Zum Beispiel gestaltete Jody Hudson-Powell Fliesen, die im Dunkeln sanft leuchten und die Energie abgeben, die sie im Laufe des Tages aufgenommen haben. Matt Willey hat einen Tisch entworfen, auf dem 16 Fliesen eingepasst werden können. Und Yuri Suzuki hat gar nicht erst die Form einer Kachel gewählt, sondern lässt Huguet aus dem Fliesenmaterial bunte Figuren herstellen, die an Kinderspielzeug erinnern.

8

Traditionsfirma Huguet bringt mit der Designagentur Pentagram Fliesen heraus

„Die Designer haben diesem Handwerk den Wert gegeben, den es verdient“, schwärmt Biel Huguet, es sei sehr viel Enthusiasmus spürbar gewesen. Traditionelles Handwerk könne sehr innovativ sein, aber es brauche Anspruch und hohe Leistung. „Mallorca kann unglaubliche Dinge schaffen, wenn es eine neue Vision auf das Bewährte wagt.“ Dieses Potenzial gebe es auch in anderen traditionellen Handwerksbranchen auf der Insel wie der Glasbläserei oder der Herstellung des Zungenstoffs (roba de llengües). „Wir können auf diese Weise von unserer Insel aus eine facettenreichere und buntere Welt erschaffen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass das Traditionsunternehmen mit namhaften Projekten von sich reden macht. Die Philharmonie der westpolnischen Stadt Szczecin (Stettin), die im Jahr 2014 eröffnete und wie ein weißes futuristisches Raumschiff aussieht, ist mit Fliesen von Huguet ausgelegt. Bei den Kollektionen, die regelmäßig zusammen mit Designern entstehen, haben unter anderem der Schweizer Alfredo Häberli oder die Katalanin Carme Pinós mitgewirkt.