Mein Weg führt mich nach Binissalem, den Ort des Weines. Den Wagen parke ich am Ortseingang, am besten ist man zu Fuß unterwegs. Mein Ziel ist der Kirchplatz. Die Fassaden wirken außergewöhnlich. Und auch die Straßen schlängeln sich eher willkürlich durch das Dorf. Binissalem wirkt groß. Wie mir später ein Anwohner bestätigt, leben inzwischen mehr als 7.000 Einwohner hier.

Ich komme dem Dorfplatz näher. Da, plötzlich tauchen Menschen auf. Eine Frau mit Kindern zieht an mir vorbei, ich nutze die Gunst der Stunde und spreche sie an. Obwohl die Kinder weiterlaufen und in einem Allround-Zeitungsladen verschwinden, bleibt die Mutter zu meinem Erstaunen bereitwillig stehen. Sie lebe gerne in Binissalem, sagt Pilar Català. Hier gebe es alles, was man brauche. Und für größere oder ausgefallenere Besorgungen sei man schnell in Palma. „Nur ein Kino fehlt. In meiner Kindheit gab es zwei davon.“

Nach einem Blick in den Zeitungsladen - dort geht es zu wie in einem Taubenschlag - und einem Gruppenfoto mit den Kindern setze ich meinen Rundgang fort. Ich komme an riesigen Häusern mit Innenhöfen und Gärten vorbei. Auffallend sind die großen recht­eckigen Steine. Dann ein Gebäude, das mich stutzen lässt, da es zugemauerte Rundbogenfenster hat, die durch kleinere Fenster ersetzt wurden. Mein Interesse ist geweckt, und ich spreche den einzigen Menschen weit und breit an. Bartolomé Rosselló heißt er, und ist 1936 geboren. „Das war die Schuhfabrik Ferrer, die vor circa zwölf Jahren geschlossen wurde. Heute sind Wohnungen drin.“ Es habe damals über acht große Schuhhersteller in Binissalem gegeben. Neben den Schuhmachern sei auch das Handwerk des Steinmetzes früher sehr bedeutend gewesen. Die Binissa­lemer haben alle Steinhäuser im Ort selbst gebaut und auch einen Teil der Kirche erweitert. Rosselló weiß auch noch mehr zu berichten, von der Repression im Spanischen Bürgerkrieg und wie sehr Binissalem, „ein sehr liberales Dorf“, darunter gelitten habe.

Auf der Suche nach weiteren freundlichen Menschen öffnet sich neben mir ein taubenblaues Tor, und wie in einem Bilderbuch tritt eine schmächtige grauhaarige Frau heraus. Als ich sie anspreche, hält sie mütterlich meinen Arm und lächelt mich aus kleinen Kulleraugen an. Ich stelle ihr einige Fragen, sie antwortet - doch leider spricht und versteht sie nur Mallorquinisch. Mit einem freundlichem Nicken verschwindet sie wieder hinter der Tür und mit ihr leider auch ihre Geschichten.

Zurück auf dem Kirchplatz, habe ich mehr Glück mit der verbalen Kommunikation. Schon von Weitem sehe ich die Basketballspielerin Alba Torrens in einer kleinen Gruppe von älteren Herren. Wieder kommt es zu einem Plausch. Miquel, einer aus der Runde, ist besonders stolz auf die casales, die herrschaftlichen Häuser, die mitunter 1.000 Quadratmeter groß sind und auch noch einen 500-Quadratmeter-Garten beherbergen. Wie mir erst jetzt klar wird, tragen sie viel zu der Faszination bei, die von Binissalems Architektur ausgeht.

Die Runde löst sich auf, es geht zum Mittagessen. Jetzt aber schnell mit dem Mitbringsel für meine Kollegen, gleich macht alles zu. Was liegt näher als ein Wein. Ich mache mich auf die Suche nach einer Bodega und entdecke zunächst einmal einen zweiten Kirchturm. Die Neugier siegt, ich biege ab und gelange zur Kirche Ca‘s Augustin. Gleich daneben entdecke ich die Bodega Oliver, die älteste in Binissalem. Sie wurde um 1880 von Augustinermönchen gegründet, erzählt Inhaber Pedro Oliver. Seine Kunden können sich Flaschen abfüllen lassen. Der Wein wird aus Festland-Trauben gekeltert. „Wir sind das schwarze Schaf in der Weinanbauregion Binissalem“, sagt Pedro Oliver. Mir ist das gleichgültig, ich kaufe eine Flasche für 2,50 Euro.

Dann sprechen wir noch über das Lebensgefühl im Dorf. Der 42-Jährige sagt, er vermisse die Sorglosigkeit. Früher habe man noch auf der Straße spielen und die Haustüren offen lassen können. Offenbar hat die heutige Zeit auch hier ihre Spuren hinterlassen. Doch die freundliche Art der Menschen ist geblieben. Mit einer Flasche Wein, Weintrauben und guter Laune kehre ich nach Palma zurück.

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