Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Mallorca für Fortgeschrittene: Expedition nach Sa Dragonera

Die Insel vor Sant Elm wird so intensiv gehegt und erforscht wie nie, der Inselrat hat das Budget für den Naturpark verdoppelt. Gleichzeitig soll ein neues Besucher-Konzept das Eiland verstehen helfen. Höchste Zeit, die Dracheninsel nicht nur von Weitem zu bestaunen

Bei der Volta a Sa Dragonera wird die Insel per Kajak umrundet. Juan Poyatos

Die beiden Mallorquiner, die am Kai von Sant Elm stehen, stechen in der wartenden Menge heraus. Denn es sind vor allem Deutsche, die ihre Tickets für die Überfahrt nach Sa Dragonera bereithalten. Luis und Javier dürften denn auch an diesem Donnerstagmorgen (8.6.) zu den wenigen Besuchern der Insel südwestlich von Mallorca gehören, die nicht zum ersten Mal übersetzen. „Sa Dragonera ist etwas Besonderes, das macht man nur alle paar Jahre“, meinen die beiden Wanderfreunde. Diesmal wollen sie testen, wie lange sie für eine Route brauchen, die dann im Herbst mit einer größeren Gruppe begangen werden soll.

9.45 Uhr, erste morgendliche Überfahrt der „Margarita“. In das einfache Ausflugsboot passen nur rund drei Dutzend Passagiere. Schnell rückt Sa Dragonera näher, die Fahrt über das ruhige Meer dauert keine Viertelstunde. Was von Weitem eine uniforme Silhouette ist, in der fantasievolle Betrachter den namensgebenden Drachen erkennen können, gibt jetzt Details preis. Linker und rechter Hand ist jeweils ein Leuchtturm zu erkennen, oben auf der Spitze, in rund 360 Meter Höhe, eine Ruine. Es gibt noch weitere Gebäude auf der Insel. „Fotovoltaik“, sagt anerkennend einer der deutschen Passagiere, als er die etwas oberhalb des Hafens installierten Solarpaneele erspäht.

22

Sa Dragonera: Ausflug ins wenig bekannte Naturparadies

Einmal rund um die Insel

Ein Ausflugsziel in Form einer unbewohnten Felseninsel ist für gewöhnlich selten Anlass für Nachrichten. Über die Dracheninsel gibt es aber derzeit jede Menge Neues zu berichten, und das nicht nur, weil am kommenden Sonntag (18.6.) die 30. Umrundung des Eilands per Kanu und Paddlesurf auf dem Programm steht, die Volta a Sa Dragonera. Erwartet werden mehr als 600 Teilnehmer, die eine rund zwölf Kilometer lange Strecke meistern müssen.

Mehr Budget, strenge Limits

Die Verwaltung des Naturschutzparks hat mit gut 1,1 Millionen Euro in diesem Jahr ein mehr als doppelt so großes Budget wie vergangenes Jahr. Das Geld fließt in Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten, aber auch in mehrere langfristige Forschungsprojekte über die Fauna auf der knapp drei Quadratkilometer großen Insel. Die Forscher präsentierten zentrale Erkenntnisse bei einer internationalen Konferenz Ende vergangener Woche im Rathaus von Andratx. Gleichzeitig hat die Parkverwaltung die Limits für die Besucherzahl verschärft. 2022 waren es knapp 37.000 Gäste – das ist nur noch etwas mehr als die Hälfte als im Vor-Corona-Jahr 2019.

„Der Besuch von Sa Dragonera soll etwas Besonderes sein, wir wollen Qualität statt Quantität“, erklärt Parkdirektorin Pilar Gómez Calatayud im Gespräch mit der MZ. Weniger Besucher sollen mehr Zeit auf der Insel verbringen und sich nicht an bestimmten Stellen ballen. Deswegen habe man die Zahl der erlaubten Boote und Passagiere bei privaten Anbietern gesenkt. Eine exakte Zahl der maximal erlaubten Besucher will Gómez aber nicht nennen, das müsse noch durch eine Kommission entschieden werden. Ob sich etwas an den Auflagen und an der Arbeit infolge des Regierungswechsels auf den Balearen ändert? Das sei Spekulation, meint Gómez. Sie habe kein politisches Amt und sei zuversichtlich, dass die Arbeit weitergehen könne wie bislang.

Identifikation mit dem Eiland

Die idealen Besucher, das kann man heraushören, sind solche, die nicht nur die Landschaft genießen, sondern sich auch mit dem Ökosystem und der historischen sowie symbolischen Bedeutung von Sa Dragonera beschäftigen wollen und sich einbringen. Gómez spricht von „Teilhabe“. Seit inzwischen vier Jahren besteht eine eigene Community aus Forschern, Umweltschützern und Sa-Dragonera-Liebhabern, die sich im Netzwerk @xarxadragonerablava zusammengeschlossen haben.

Zur Bedeutung von Sa Dragonera muss man wissen: In den 1970er-Jahren wollte ein Bankenkonsortium die Insel erschließen – mit mehr als tausend Häusern, einem Yachthafen, Hubschrauberlandeplätzen, sogar einem Casino. Der Widerstand von Naturschützern gegen das bereits genehmigte Projekt hatte Erfolg, in den 1980er-Jahren erging ein Bauverbot. Seit 1987 steht Sa Dragonera zusammen mit den Inselchen Pantaleu und Sa Mitjana sowie dem umliegenden Meer unter Naturschutz.

Vier Wege ab dem Hafen

Diese Geschichte erzählt auch ein kleines Besucherzentrum, das die Passagiere im Naturhafen erwartet. Von hier aus starten vier Wege, auf denen Sa Dragonera erkundet werden kann. Die meisten Besucher wählen Route eins und zwei Richtung Nordosten, zur Aussichtsplattform Na Miranda, die gerade instandgesetzt wird, sowie zum Leuchtturm Far de Tramuntana. Route eins schaffen auch Urlauber in Flipflops, Route zwei misst hin und zurück knapp vier Kilometer, aber kaum Höhenmeter. Ausflügler mit mehr Kondition und ausreichend Sonnenschutz machen sich auf Route drei zum gut 4,5 Kilometer entfernten Far de Llebeig an der Südwestküste auf. Den besten Ausblick freilich gibt es auf Route vier zur Ruine des Far Vell – die steinigen Serpentinen zum „alten Leuchtturm“ warten mit gut vier Kilometern und 340 Höhenmetern auf.

Die Wanderwege auf Sa Dragonera. CAIB/Humanes

Oben, auf dem Gipfel Na Pòpia, bietet sich ein Panoramablick auf die Küste Mallorcas. Ganz links von Sant Elm ist der Lochfelsen Sa Foradada im Dunst zu erahnen, auch das frühere Kloster von La Trapa, rechts reicht die Perspektive über Port d’Andratx bis hin zur Halbinsel Sa Mola. Der schmale Pfad zur Spitze ist besser in Schuss als jede Tramuntana-Route, kein Wegweiser verwittert, keine der zahlreichen, mehrsprachigen Info-Tafeln beschädigt.

Eidechsen allerorten

Im Vergleich zum „Festland“ ist zudem die Fauna sehr viel präsenter. Am Himmel kreisen und kreischen Vogelscharen, den Boden bevölkern Eidechsen, die beständig über den Weg flitzen. „Hast du sie?“, fragt ein Urlauber seine Frau, die mit dem Handy Fotos macht. Die endemischen sargantanes halten nicht nur still, sie rücken einem auch schnell auf die Pelle, wie die Besuchergruppen feststellen müssen, die sich am Picknickplatz niedergelassen haben.

Rund 1.300 Exemplare gibt es pro Hektar, wie Zählungen ergeben haben – Tendenz steigend. Ihre Präsenz auf den Balearen ist damit zu erklären, dass das Mittelmeer zwischen Inseln und Festland in der Zeit zwischen 5,3 Millionen und einer Million Jahren vor Christus ausgetrocknet war. Die Eidechsen, die übrigens auch schreien können, sind denn auch die ältesten Bewohner Dragoneras, wie Giacomo Tavecchia vom Meeresforschungsinstitut Imedea erklärt. Um sie genauer zu erforschen, werden die Echsen jetzt individuell erfasst, was inzwischen bei mehr als 3.000 Exemplaren gelungen sei.

Wo ist die Mönchsrobbe?

Nicht alle Spezies zeigen sich so offenherzig. Das gilt vor allem für die legendäre und seltene Mönchsrobbe, die nur noch ganz selten an Mallorcas Küste gesichtet wird. Seit 2021 werden DNA-Rückstände in Wasserproben speziell vor Sa Dragonera analysiert, um die Präsenz des vell marí nachzuweisen. Einige der Proben fielen positiv aus – ein gutes Zeichen für das Ökosystem des Parks, es fehle aber noch viel Forschung, meint Direktorin Gómez.

Die Welt der Vögel und Nachtfalter

Recht diskret ist auch der Balearensturmtaucher. „Die Vögel halten sich oft direkt neben uns auf, ohne dass wir sie sehen“, erklärt Forscher Manuel Igual vom Imedea. Denn die Nester sind in Felsspalten versteckt, geflogen wird meistens nachts. Damit macht es der virot petit, der jährlich nur ein Ei legt, den Forschern nicht leicht. Andererseits sind die Pärchen einander treu und suchen jedes Jahr dasselbe Nest auf, sodass sich die Entwicklung der Populaton leichter über die Jahre verfolgen lässt. Sie hat 2022 zugenommen, was nicht zuletzt auf den konsequenten Kampf gegen die eingeschleppten Ratten auf Sa Dragonera zurückgeführt wird.

Werden beim Balearensturmtaucher Nester gezählt, gibt es beim Eleonorenfalken einen anderen Trick – zumindest bislang. Die erwachsenen Exemplare wurden mit akustischen Signalen aus ihren Nestern gelockt und gezählt. Denn die Nester sind besonders versteckt gelegen, an unzugänglichen Felswänden. Um den falcó d’Elionor nicht unnötig zu stören, kommen inzwischen parallel Sichtungen über längere Zeiträume als alternative Methode zum Einsatz. Das Ergebnis der jährlichen Zählungen: Die Population hat abgenommen – in den vergangenen 20 Jahren um fast 30 Prozent. Warum, sollen weitere Forschungen klären.

Erfolgsmeldungen dagegen bei den Nachtfaltern, von denen fast jedes Jahr neue Spezies auf Sa Dragonera entdeckt werden. Inzwischen weiß man von 183 – ein Katalog der in den kommenden Jahren weiter vervollständigt werden soll. Unter den entdeckten Spezies ist auch eine nur auf Mallorca heimische Art, der unscheinbare Coscinia mariarosae.

Mallorca für Fortgeschrittene

Nicht jeder Besucher von Sa Dragonera will so tief in die Materie einsteigen. Am Naturhafen steht wie bestellt und nicht abgeholt eine Gruppe junger Touristen, die wirkt, als hätte sie lieber eine Fahrt auf einem Partyboot buchen wollen. Die meisten ausländischen Besucher sind aber eingefleischte Balearen-Fans, die schon viele Ecken gesehen haben und jetzt auch Sa Dragonera erkunden – Mallorca für Fortgeschrittene sozusagen. Ein Schweizer Damen-Trio, das für die Rückfahrt im Hafen eingetroffen ist, hat die Route zum Far de Tramuntana sichtlich genossen. „Wir haben hier ein bisschen Ruhe gefunden“, erzählen Pia, Silvia und Elsbeth. Dass die erste Überfahrt ab Sant Elm schon ausgebucht war und sie auf die zweite warten mussten, konnte die Lust auf die immer von Weitem bestaunte Insel nicht trüben.

Mit dem Boot auf die Dracheninsel

  • Tickets für die Überfahrt Sant Elm–Sa Dragonera bei Cruceros Margarita im Hafen
  • telefonische Reservierung ist empfehlenswert (Tel.: +34 638-77 90 01)
  • Fahrzeiten: crucerosmargarita.com
  • 15 Euro

Artikel teilen

stats