Ein wenig fühlte sich der Rezensent von „El País" im Jahr 2009 an Edward Hoppers berühmtes Gemälde „Nighthawks" erinnert, als Jules Massenets Oper „Werther" in La Coruña aufgeführt wurde. Der britische Regisseur Graham Vick hatte die Handlung, die selbstverständlich auf Goethes Briefroman basiert, in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlegt. Eine Zeit, in der die Menschen mit

Regeln und Normen das Chaos des Zweiten Weltkrieges vergessen machen wollten.

Nun, neun Jahre später (und 14 Jahre nach der Uraufführung in Portugal im Jahr 2004), kommt die Produktion des Teatro Nacional São Carlos aus Lissabon nach Palma ins Teatre Principal (9./11./13.5.). Für Graham Vick ist es dennoch keine Wiederholung, sondern ein Neubeginn, wie er der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" erklärt: „Ich interpretiere die Oper unter neuen Gesichtspunkten. Mir geht es dabei um die zwischenmenschlichen Beziehungen", so der Brite.

Die Perspektive Charlottes

Die zeitliche Ansiedlung im vergangenen Jahrhundert ist nicht die einzige große Änderung, die Vick vorgenommen hat. So erzählt er die Geschichte aus der Perspektive Charlottes, die sich als verlobte Frau in einen anderen verliebt.

Vick setzt auf die schauspielerischen Elemente der Oper. So sehr, dass der Rezensent von „El País" damals sogar zu dem Schluss kam, der Gesangsteil gerate ein wenig unter die Räder.

Dabei verlange er seinen Sängern viel ab, sagt Vick. „In Palma wird Charlotte von Lorena Valero dargeboten. Wenn sie die Gedichte liest, die Werther ihr heimlich schreibt, dann muss sie wirklich das spüren, was die Protagonistin in diesem Moment durchlebt", so der Regisseur zum „Diario de Mallorca". „Das sind die Momente, in denen Charlotte sich wirklich lebendig fühlt."Die Musik berührt

Laut Vick, der als künstlerischer Leiter der Birmingham Opera Company ist, braucht der Zuschauer keine Vorbereitung, um sich in der Oper zurechtzu­finden. „Die Musik ist großartig und berührt den Betrachter zutiefst. Zudem ist es eine wunderschöne, hochemotionale Geschichte, die ohnehin den meisten Menschen bekannt sein dürfte", erklärt er. „Jeder kennt die Botschaft, die die Geschichte von Goethe vermittelt: Entscheidungen treffen zu müssen." So könne sich der Zuschauer ganz dem Spiel hingeben, sich in den Protagonisten seiner Wahl wiederzufinden.

Werther, Teatre Principal, 9./11./13.5., 20 Uhr, außer 13.5. 18 Uhr, Karten 10 bis 65 Euro