Eines ist sicher an diesen Feiertagen: Man wird auf Mallorca wieder Zeit haben, bei Spaziergängen einen intensiveren Blick als üblich auf die Inselgewächse zu werfen. Auf die Vielblütige Heide (Erica multiflora bot., brezo span., bruc d'hivern kat.) zum Beispiel. Zwischen September und Dezember öffnet diese einheimische Art ihre pinkfarbenen Blüten. Wegen der anhaltenden Trockenheit in diesem November ist die Blütezeit jedoch mancherorts schon zu Ende. Doch auch die trockenen Blüten reichen für die Bestimmung aus. Die Pflanze ist eine von vielen, die zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) gehört. Manche von ihnen werden, ohne ihre Art zu berücksichtigen, im Volksmund einfach „Erika" genannt. Ihre Verwandtschaft ist riesig, denn sie umfasst weltweit 126 Gattungen und 4.000 Arten.

Die Exemplare dieser vielseitigen botanischen Familie hat die britische Heather Society (www.heathersociety.org) in ihrer Kollektion im Netz dokumentiert. Die Heidekrautgewächse sind alphabetisch nach botanischen Namen geordnet und mit Pflanzenfotos in ihrer landschaftlichen Umgebung zu sehen. Vertreten sind Gewächse, die in europäischen Wäldern und Mooren sowie in der südafrikanischen Kap-Heide wachsen.

Die Insel-Erika

Im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern ihrer Familie, die auf moorigen Untergründen gedeihen, verträgt die Erica multiflora den kalkhaltigen Inselboden bestens. Deshalb kommt die Vielblütige Heide auf der Insel wild als aufrechter Strauch an Küsten, in der Ebene, aber auch in der Serra de Llevant oder in der Serra de Tramuntana in bis zu 1.200 Meter Höhe vor. Nach Waldbränden gehört sie zu den Gewächsen, die bei der Aufforstung am schnellsten anwachsen und austreiben.

Der Strauch kann ohne Weiteres über zwei Meter hoch werden und am Boden mehrere Quadratmeter in Anspruch nehmen. Die dunkelgrünen, nadelartigen Blätter sitzen an Zweigen, an deren Enden sich kompakte Kronen aus vielen pinkfarbenen Einzelblüten in Glockenform bilden. Jede von ihnen misst etwa fünf Millimeter, am unteren Ende ragen die Staubbeutel heraus. „Die Pflanze produziert beträchtliche Mengen Nektar, das macht sie zu einem beliebten Ziel für Wildinsekten und Honigbienen", erklärt Joshua Borras, Botaniker an der Balearen-Universität. Weil zur Blütezeit im Herbst und Winter auf der Insel das Nahrungsangebot ansonsten eher spärlich wäre, leiste das einheimische Heidekraut für das Überleben der vom Aussterben bedrohten Insekten einen wichtigen Beitrag.

„Den Gewächsen im Unterholz sollte man mit Respekt begegnen", sagt Pilar Puig, die ihre Finca nach dem landwirtschaftlichen Konzept „Equilibri" (Gleichgewicht) bewirtschaftet. Wenn beispielsweise im Wald Äste beschnitten werden, müsse man darauf achten, dass die Bäume auch nach dem Schnitt noch genügend Schatten spenden. Den bräuchten Moose genauso wie Wildpflanzen, die den Waldboden schützen. „Die Vielblütige Heide bietet außerdem als bodennahes Gestrüpp Vögeln Zuflucht und Nistplätze", sagt sie. Der Schutz der gefiederten Fressfeinde von Schädlingen zähle zu den wichtigen ökologischen Aufgaben. Auf ihrer Finca wurden die Sträucher leicht gestutzt. Für den kommenden Herbst erwartet man deshalb eine üppige Blüte, von der auch die Bienen profitieren.

Die Baum-Heide

Im Gegensatz zur Vielblütigen Heide wird die Baum-Heide (Erica arborea bot., brezo blanco span., bruc de pipes kat.) ihrem Namen gerecht weil sie zum Baum heranwachsen kann. Sie verträgt jedoch den Kalk in der Inselerde nur bedingt und kommt deshalb vor allem in humosen Senken der Serra de Tramuntana vor. Die Blütezeit dieser Erika-Art beginnt im Februar und dauert bis zum Sommer an. Die weiß-grünen Blüten sitzen zwischen winzigen dunkelgrünen und nadelförmigen Blättern an der gesamten Länge der Äste. Aus den winzigen Glocken ragen dunkelbraune Staubblätter. Auch sie bieten den Nektarsuchern reichlich Nahrung, sogar in Höhen, in denen die Pflanzen sonst eher weniger Blüten bilden.

Mateu Morro von der Gärtnerei und Baumschule Vivers kommt ins Schwärmen, wenn er von den beeindruckenden Durchmessern der dicken Stämme der Baum-Heide auf den Kanarischen Inseln erzählt. „Bis dahin hatte ich auf Mallorca die Baum-Heide nur als Staude gesehen", berichtet er. Dass es hier nicht zu stattlichen Bäumen kommen konnte, liegt vielleicht an den Köhlern, die dieses Holz und auch die Äste für die Dächer ihrer Hütten verwendet haben. Überhaupt galt das karminrote Holz mit der interessanten Maserung als leicht zu verarbeitendes Material.

Die Wurzeln der Erica arborea finden außerdem im Tabakpfeifenbau Verwendung, denn es wird ihnen nachgesagt, dass sie ihren Holzgeschmack nicht an den Tabak weitergeben. Quellen nennen in diesem Zusammenhang den 2017 verstorbenen Joan Bonet Nadal, „En Bonet de Ses Pipes" genannt. Er war Mallorcas berühmtester Pfeifenbauer und weit über die Inselgrenzen hinaus bekannt. Auch in Frankreich wird das Wurzelholz (bruyère) zu Pfeifen verarbeitet.

Die Besenheide

Die prägende Pflanze der Heidelandschaft ist die wild wachsende Besenheide (Calluna vulgaris bot., brezo común span., bruguerola kat.). Weil dieses Gewächs nur auf moorigen Untergründen gedeihen kann, kommt es auf den kalkhaltigen Böden und mit der Trockenheit Mallorcas nicht zurecht. Trotzdem sollten die Heidepflanzen erwähnt werden. Denn bei der Spezie brezo kommt es oft zu Verwechslungen. Der Honig beispielsweise, der unter diesem Namen in den Handel kommt, stammt vom Nektar der Calluna vulgaris, die in Moorlandschaften im Norden Spaniens wachsen. Unter der Bezeichnung brezo oder calluna bieten außerdem Inselgärtnereien die Besenheide in Aufzuchttöpfen an. Doch auch die aus Baumschulen stammenden Exemplare können die kalkhaltige Inselerde nicht vertragen.

Einzig und allein die Vielblütige Heide (Erica multiflora) gedeiht im Inselgarten an halbschattigen Plätzen. Sie zählt zu den einheimischen Pflanzen mit Toleranz gegen Hitze und Trockenheit die, abgesehen von der Anwachszeit, mit den winterlichen Niederschlägen auskommen und nicht gegossen werden müssen.