Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können: Als sich Mallorcas Experten in Sachen „widrige Wetterphänome" am 15. September in Palmas Technologiezentrum Parcbit nördlich von Palma zur Tagung versammelten, brauten sich draußen dunkle Wolken zusammen - und das herbstliche Gewitterprogramm auf Mallorca nahm seinen Lauf: Wolkenbruch, überschwemmte Straßen, anschwellende Sturz­bäche, ein paar umgestürzte Bäume.

Es ist nicht so, dass die herbstliche gota fría überraschend käme. Es ist auch nicht so, dass es dafür keine Einsatzpläne gäbe. Und auch die Tagung über die fenómenos meteorológicos adversos auf den Balearen fand inzwischen zum sechsten Mal statt. Doch wie sich bei der Veranstaltung zeigte, gibt es in der Praxis dann doch eine Reihe von Problemen, die die Notfall-Koordinatoren bei der Bewältigung der Wetter-Kapriolen noch in den Griff bekommen müssen.

Eines der Probleme: Es existiert nicht ein Notfallplan, sondern es gibt zig verschiedene. Sowohl Madrid, Brüssel als auch Palma haben sich Gedanken gemacht, wie im Fall von „Land unter" vorzugehen ist. Nach einer Häufung von Überschwemmungen in Europa erließ die EU im Jahr 2007 eine Richtlinie. Madrid aktualisierte die Vorgaben für die Notfallhilfe mit einem neuen Gesetz im vergangenen Jahr. Und auf den Balearen gilt neben dem allgemeinen Notfallplan für widrige Wetterlagen (Meteobal) auch ein spezieller Notfallplan für Überschwemmungen (Inunbal) - jedes Jahr ab September sieht er angesichts drohender Herbstgewitter eine allgemeine Bereitschaft vor.

„Wir können viele Pläne ausarbeiten, aber wenn die Informa­tionssysteme nicht besser inte­griert werden, bringt das wenig", meinte Pedro Orfila, Leiter der balearischen Notfallzentrale 112. Als Beispiel nannte er die Niederschläge im vergangenen Winter: Das Wasser­wirtschaftsamt hatte im Dezember Informationen über die mit Rekordregen gesättigten Böden gesammelt - die folgenden Niederschläge im Januar bedeuteten also ein besonders großes Überschwemmungsrisiko. „Solche Informationen müssten wir automatisch erhalten, statt sie erst anfordern zu müssen", schlug Orfila vor.

Weitere Probleme: Viele Wetter­phänomene erweisen sich aufgrund des Mikroklimas in vielen Gebieten der Inseln als sehr lokal und schwer vorhersehbar. Als Beispiel nannte Orfila einen Erdrutsch infolge von Starkregen im Gebiet von Es Cubells auf Ibiza: Was mit einem Anruf in der Notrufzentrale gegen 3 Uhr nachts wegen eines ­Steinschlags begann, gipfelte in einer Straßensperrung und der Evakuierung von 30 Häusern. „Wir sind voll und ganz auf die Informationen der Anrufer angewiesen", so Orfila, „viele Küstenbewohner sind aber Ausländer und kennen unser Notfallprotokoll nicht."

Die Gegensätze zwischen Theorie und Praxis wurden auch im Vortrag von Maria Far deutlich, der zuständigen Koordinatorin im balearischen Wasserwirtschaftsamt. Einerseits präsentierte sie detaillierte Pläne aller zehn ­relevanten Sturzbäche auf Mallorca mit ihren insgesamt rund 35 Kilometern Länge. Die von Überflutung bedrohten Gebiete sind darin eingezeichnet - einschließlich der Zahl der betroffenen Anwohner und Wirtschaftsbetriebe, einer abgestuften Farbskala zum statistisch berechneten Risiko der Überflutung sowie Empfehlungen für Prävention und Schutzmaßnahmen. Immerhin zehn Prozent der Balearen-Bewohner leben in von Überschwemmungen bedrohten Gebieten.

Andererseits klappt es nicht mit der so trivialen wie essenziellen Reinigung der Bachläufe, in denen das Regenwasser schnell ablaufen muss. „Die öffentliche Verwaltung hat wenig Personal, wir müssen diese Reinigungsarbeiten extern vergeben", so Far. Und da viele Bewohner die torrentes leider als Müllkippen missbrauchten, komme die Reinigung oftmals einer Sisyphusarbeit gleich. „In vielen Fällen könnten wir im Prinzip am Tag da­rauf gleich wiederkommen."

Als weiteres beträchtliches Problem sieht die Expertin zudem die Raumordnungspolitik, bei der die Überflutungsgefahr bislang zu wenig berücksichtigt worden sei. Dabei wäre dies die effektivste Methode, um Überschwemmungen vorzubeugen, so Far mit Verweis auf die Zuständigkeiten beim Inselrat und in den Rathäusern.

Wenn dann „Land unter" ist, wird der Ruf nach Schadensersatzzahlungen laut. Die Anträge der betroffenen Regionen landen auf dem Tisch von María Ángeles Gómez, Leiterin der zuständigen Abteilung im spanischen Innenministerium in Madrid. Damit die Balearen, wie beispielsweise nach den Überschwemmungen zu Jahresbeginn, Gelder aus einem großen, dafür vorgesehenen Topf in Ma­drid bekommen, beantragen sie die Erklärung der Inseln zum Notfallgebiet (zona afectada gravemente por una emergencia de protección civil). Darüber entscheidet dann der spanische Ministerrat und erlässt eigens ein Gesetz.

Doch auch hier sieht die Praxis oft anders aus. Viele Hoffnungen seien überzogen, so Gómez. Zunächst seien ohnehin die Versicherungen gefragt. „Und wenn Sie Zweithausbesitzer sind und gut verdienen, bleiben Sie sowieso außen vor."