Angebliche Pläne für ein eigenes Logistik­zentrum von Amazon auf Mallorca haben die Debatte um die Krise des traditionellen Einzelhandels weiter verschärft. Grundlage für die Berichte unter anderem im Regionalsender IB3 lieferten Lastwagen des Online-Versand­giganten, die eine Lagerhalle im Gewerbe­gebiet Son Oms an der Flughafen-Autobahn ­ansteuerten. Nach Angaben der Zeitung ­„Última Hora" ist der Betrieb eines eigenen Zentrums angeblich im Gewerbegebiet Son Morro unweit des Krankenhauses Son Llàtzer geplant. „Amazon gibt zu dem Thema keinen Kommentar ab", heißt es dagegen von einem Unternehmenssprecher auf Nachfrage der MZ.

Der US-amerikanische Versandgigant ist bereits seit Jahren in Palma tätig - wenn auch nicht persönlich, wie die MZ bei einem Ortsbesuch festgestellt hat. Vom knalligen Amazon-Gelb ist im Gewerbegebiet Son Oms denn auch keine Spur. Zwischen Flughafenparkplätzen und der TÜV-Station steht eine graue und nicht wirklich modern wirkende Lagerhalle. Ein großes Schild des Versandanbieters Tipsa hängt an der Seitenwand. Lagerarbeiter tragen Warnwesten mit demselben Schriftzug. Amazon? Auf den ersten Blick Fehlanzeige.

Die Lagerhalle werde gemeinschaftlich von vier Firmen benutzt, sagt ein Tipsa-Mit­arbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte. Auch das Fotografieren im ­Innenraum sei strengstens verboten. „Die vier ­Unternehmen sind Franchisefirmen von Amazon", sagt der Mann. Sie kooperieren mit dem Versandriesen und stellen die Lieferungen auf der Insel zu. Neben Tipsa sind das ­AGGIL Logistica, Mallorca Logistics und EBOX. „Einen Amazon-Angestellten werden Sie in der Lagerhalle aber nicht finden."

Schon seit Jahren arbeite die Firma Tipsa für Amazon. „Es war eine Frage der Zeit, bis jemand die Lastwagen sieht und darin die große Geschichte wittert", so der Angestellte gegenüber der MZ. „Schon seit drei Jahren gibt es ­immer wieder Gerüchte über ein Amazon-­Logistikzentrum auf der Insel. Eines Tages wird es kommen. Das ist unausweichlich. Doch wann das ist, das weiß bislang niemand."

Schon die bloße Idee löst bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen im traditionellen Einzelhandel Angstschweiß aus. Der Branchenverband Afedeco forderte die Behörden nach den Medienberichten dazu auf, Amazon keine Genehmigung für ein Logistikzentrum zu erteilen. „Wenn man da nicht ­gegensteuert, bleibt unseren Geschäften ­keine andere Möglichkeit, als zu schließen", sagt ­Präsident Antoni Gayà gegenüber dem „Diario de Mallorca". Gleichzeitig fordert der Verband die Regierung dazu auf, die Amazon-Pläne im Detail zu veröffentlichen. „Wir wollen wissen, welche Schritte das Unternehmen macht, um die Lizenz zu erhalten. Welchen Platz es ­einnehmen wird. Und wir wollen die Studien über die Realisierbarkeit des Projektes sehen, die die Regierung gemacht haben dürfte", so Gayà, der die Losung ausgegeben hat, dass die Geschäfte des Verbands nach und nach einen eigenen Online-Vertrieb aufbauen sollten, um den Kunden eine lokale Alternative zu dem Global Player zu ermöglichen.

Denn während der Online-Versandhandel zu Corona-Zeiten boomt, geht es den Läden vor Ort immer schlechter - auch wenn sie im Gegensatz zu Deutschland derzeit öffnen dürfen. Vielen droht das Aus. Ein Amazon-­Zentrum auf der Insel könnte das noch beschleunigen. Die Statistik spricht für eine ­Expansion: Die Mallorca-Residenten zählen spanienweit zu den besten Amazon-Kunden.