(Im Folgenden der zweite Akt des Prêt-à-­porter-Dramas. Der erste Teil ist hier zu lesen)

Die peinlich lange Pause bis zum Auftritt der nächsten heiratswilligen Dame bewirkt Unruhe im Publikum, besonders unter den heiratszimperlichen Herren. Schon beginnen einige grau melierte Millionäre auf ihre Rolex zu schielen. Da endlich! Eine der lampenfiebrigen Damen hinter dem Vorhang hat schließlich doch den Mut gefunden, sich vor die Augen und Operngläser des Publikums zu wagen. Gefunden hat sie diesen Mut aber am Boden einer Flasche Gin, sodass sie nun nicht, wie sie glaubt, mit dem Gang eines Supermodels, sondern mit dem Gang eines Ministers für dämliche Gangarten über den Catwalk stelzt. In einem plötzlichen Anfall von Schwerkraft verhundertfacht sich nun auch noch das Gewicht ihres eh schon gewichtigen Hinterteils und lässt sie krachend darauf notlanden. Die Wucht der rückwärtigen Bodenberührung sprengt die Nähte ihres zauberhaften Unikats in Altrosa, das ein Trendsetter für die kommende Saison werden sollte, und befördert ihre Straußenleder-Stilettos in die Zuschauerreihen links und rechts des Laufstegs. Dort bohrt sich einer der Absätze ins Nasenloch eines heiratszimperlichen Weinsommeliers, der andere ins Ohr eines ebenso heiratszimperlichen Opernkomponisten. Volkers Gattin eilt herbei, um das alkoholisierte Model und ihr gewichtiges Hinterteil abzutransportieren.

Die nächste Heirats-Attraktion lässt zum Glück nicht allzu lange auf sich warten. Schon dringen aus den Boxen hinter dem Vorhang die Töne einer besonderen musikalischen Beschallung. Es sind die ersten Takte aus „Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss. Ergriffen lauscht die Menge dem vibrierenden Orgelpunkt, den aufsteigenden Trompetenfanfaren und dem Pianissimo-Wirbel der großen Trommel. Und als das Orchester mit überwältigender Klangentfaltung die Sonne des Zarathustra hinter dem Vorhang aufgehen lässt, erscheint vor dem Vorhang - ein runzeliges Weiblein. Es handle sich um die Witwe eines ehemaligen Hoteliers aus Bottrop-Lehmkuhle, hat Volkers Gattin von Cynthia erfahren, und sie sei auf der Suche nach Herrn Richtig. In einem grauen Etui-Kleid von schlichter Élégance und körperunbetontem Schnitt, der eher verdeckt als verrät, schiebt das Model seinen Rollator bis zum Ende des Laufstegs. Dort will es umkehren, schafft es aber nicht. Also muss Volkers Gattin der Dame zu Hilfe eilen und mit ihr zu Strauss-Klängen in piano, mezzoforte und fortissimo hinter den Vorhang zurückrollen. Volkers Gattin vermutet, dass unter den heiratszimperlichen Herren im Publikum sich keiner mit dem Namen Richtig befindet.

Es wird wieder unruhig im Publikum. Vor allem die heiratszimperlichen Herren scheinen von fliegenden Stilettos und Zarathustra-Klängen wenig zu halten. Umso mehr von verkehrt herum übergestreiften String-Tangas, denn diese sensationelle Einlage ist immer noch ihr bevorzugtes Gesprächsthema. Und aus Zwischenrufen und laut geäußerten Anfragen in die Richtung des Vorhangs entwickelt sich nun ein Sprechchor. „BA-DE-MO-DEN! BA-DE-MO-DEN!" wird lautstark gefordert. Hinter dem Vorhang sehen Volkers Gattin und Cynthia einander an. Und dann die Riege der verbliebenen Damen.

Fortsetzung folgt ...