Deutsche, Mallorca, Skandale – die Kombi ist nicht neu. Beim aktuellen Aufreger geht es nicht um Ballermann-Säufer, und auch nicht um intrigante Immobilienbetrüger. Sondern um die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Ex-Umweltministerin besser gesagt. Ein „Mallorca-Gate“, wie es nun in den deutschen Medien heißt, hat ihr das politische Genick gebrochen. Man mag ihr Verhalten eher für unbedacht und plump halten als für wirklich skandalös, folgen- und aufschlussreich aber ist es auf jeden Fall. Und es zieht weite Kreise.

Wochenlang hat Heinen-Esser sich gewunden und nur häppchenweise zugegeben, dass sie während der schlimmen Flutkatastrophe, im Juli 2021, ihren Mallorca-Urlaub zwar kurz unterbrach, um sich vor Ort zu zeigen, dann aber wieder zurück nach Mallorca flog, um weitere Tage mit Mann, Tochter und deren Freundinnen in dem Zweitwohnsitz der Familie zu verbringen. Dabei handelt es sich, wie die MZ in Erfahrung bringen konnte, um eine Mietwohnung in bester Lage an der schicken Promenade von Portixol.

Jetzt wird auch noch gewählt

Als dann herauskam, dass sie dort oder anderswo auf der Insel auch noch mit zwei Minister-Kollegen und einer Staatssekretärin den Geburtstag ihres Mannes feierte, während in NRW die Todesopfer und Schäden gezählt wurden, war es definitiv aus mit ihrer politischen Laufbahn. Und womöglich auch mit der ihres bisherigen Vorgesetzten, CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. In NRW wird am 15. Mai gewählt, und die SPD dürfte das „Mallorca-Gate“ weiter genüsslich auswalzen.

Aus Inselperspektive erlaubt diese Geschichte dreierlei Rückschlüsse. Erstens bestätigt sich einmal mehr, dass viele Deutsche die Insel mittlerweile wie selbstverständlich als Erweiterung ihrer Heimat ansehen. „Ich habe meine Aufgaben im Homeoffice wahrgenommen, wen stört es, wenn ich dabei auf Mallorca war“, so der trotzige Tenor Heinen-Essers, so sie denn überhaupt Auskunft über ihren Urlaub gab. Ja, wen stört es eigentlich?

Plettenberg ist weniger sexy

Das bringt uns zur zweiten, ebenfalls nicht ganz neuen Erkenntnis: Der Neidfaktor bei vielen Deutschen ist hoch, wenn es um Sonne, Meer und Strand geht. So hoch, dass sich damit prima politische und mediale Kampagnen befeuern lassen. Denn seien wir ehrlich: Hätte es die gleiche Aufregung gegeben, wenn Heinen-Esser statt in Portixol sagen wir in Plettenberg im Sauerland Urlaub gemacht hätte? Oder einfach am anderen Ende NRWs gelebt hätte und dort einem salonfähigeren Homeoffice nachgegangen wäre? Fest steht: Dass es ausgerechnet Mallorca sein musste, hat dem Ganzen die Prise Brisanz verliehen, die es brauchte, um Schlagzeilen zu machen – und letztlich dazu geführt, dass Ursula Heinen-Esser ihr Amt niederlegen musste.

Schön hier: Diesen Blick aufs Meer genoss Ursula Heinen-Esser während ihres Mallorca-Urlaubs in der Zeit der Flutkatastrophe in NRW. Patrick Schirmer Sastre

Sie ist damit nicht allein geblieben. Nachdem SPD und Grüne in NRW die Konservative wegen ihres Mallorca-Trips aus dem Amt gemobbt hatten, zahlte die CDU es ihnen mit gleicher Münze heim. Der emotionsgeladene Rücktritt der ebenso ungeschickt agierenden Grünen-Politikerin und Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, die kurz nach der Flutkatastrophe (damals als Umweltministerin vom ebenfalls stark betroffenen Rheinland-Pfalz) vier Wochen lang Familienurlaub in Frankreich machte, ist indirekt auch auf die durch das „Mallorca-Gate“ auf Rache getrimmte CDU zurückzuführen.

Das bringt uns zum dritten Rückschluss: Als Politiker muss man sein Verhalten vor allem authentisch nach außen verkaufen. Denn es gibt immer politische Widersacher, die sich auf ein potenziell publikumwirksames Vergehen stürzen. Und Medien, die Mallorca-Skandale lieben. Heinen-Esser wird weiter nach Portixol statt nach Plettenberg fahren. Spiegel wird weiter ihrer Familie Priorität einräumen. Das ist an und für sich in Ordnung. Als Ministerin hätten beide damit aber offen und pflichtbewusst umgehen sollen, von Anfang an. Ganz egal, ob Mallorca eine Rolle spielte oder eben nicht.