Der Kampf gegen die Preisexplosion infolge des Kriegs in der Ukraine hat viele Fronten. Bislang haben die zahlreichen Hilfsmaßnahmen der spanischen Linksregierung vor allem auf die hohen Energiekosten abgezielt. Nun hat Arbeitsministerin Yolanda Díaz einen neuen Vorstoß gewagt. Angesichts der deutlich gestiegenen Kosten für Lebensmittel und anderer wichtiger Produkte des täglichen Bedarfs sollen die großen Supermärkte die Preise für einen Warenkorb mit festgelegten Artikeln zur Grundversorgung bis nach Weihnachten einfrieren.

Die französische Kette Carrefour sprang sofort auf die Idee an. Seit Montag (12.9.) bieten die rund 1.300 Supermärkte des Konzerns in Spanien 30 Produkte für insgesamt 30 Euro an, von Sonnenblumenöl über gemahlenen Kaffee, weiße Schokolade, Nudeln, Erbsen in Dosen bis Toilettenpapier und Spülmittel, alle unter der Hausmarke. Im Heimatland Frankreich und in Belgien hat Carrefour ebenfalls die Preise mehrerer Waren eingefroren. Allerdings fehlen im Warenkorb Frischwaren, die zu einer gesunden Ernährung beitragen, so wie es Ministerin Díaz vorschwebt.

Branche leht Idee ab

Aber immerhin folgt ein großer Handelskonzern der Initiative der Arbeitsministerin, einer von drei Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Díaz ist die Politikerin mit den besten Umfragewerten in Spanien und gilt als ausgemachte Spitzenkandidatin des Linksbündnis Unidas Podemos, dem kleinen Koalitionspartner von Sánchez’ Sozialisten, bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Anders als Carrefour lehnte der Rest der Branche die Idee eines verbilligten Warenkorbs ab. Der Vorsitzende des spanischen Arbeitgeberverbandes CEOE, Antonio Garamendi, witterte hinter der Initiative sogar ein „sowjetisches Programm“.

Dennoch nahmen die Spitzen der drei führenden Verbände des Einzelhandels die Einladung von Díaz und deren Parteifreund und Verbraucherschutzminister Alberto Garzón zu einer ersten Gesprächsrunde am Montag an. Der Vorstoß richte sich gegen niemanden, versicherte die Ministerin. „Wir können von denen, die mehr haben, eine Anstrengung verlangen. Von denen, die wenig haben, können wir nichts verlangen“, so die 51-jährige Juristin. „Die großen Einzelhandelsketten haben größere Margen, ebenso die Energieversorger und Banken.“ In diesem Sinn brachte die Koalitionsregierung eine Sondersteuer auf sogenannte Übergewinne der Stromkonzerne und Kreditinstitute auf den Weg.

Die Supermarktketten halten jedoch dagegen, dass sie über die Verbraucherpreise lediglich die enorm gestiegenen Energiekosten weitergeben. Zur Entlastung der Verbraucher schlagen sie eine Senkung der Mehrwertsteuer vor. In der Tat hat die Preisexplosion bei der Energie die Produktion und den Transport vieler Waren stark verteuert. Im August lag die Inflationsrate in Spanien bei 10,5 Prozent, teilte das spanische Statistikamt INE am Dienstag mit. Doch viele Lebensmittelpreise liegen weit darüber. Milch und Milchprodukte stiegen im Jahresvergleich um bis zu 26 Prozent, Gemüse war um 18 Prozent teurer.

Furcht vor Kundenschwund

Die härteste Kritik an den Plänen kam derweil von den kleinen, unabhängigen Einzelhändlern. Im Gegensatz zu den Großkonzernen haben die Tante-Emma-Läden keinen Spielraum, um die Preise einzufrieren. Sollten die großen Supermärkte aber einen Krisenwarenkorb im Angebot haben, würde sie damit noch mehr Kunden von den kleinen Läden abziehen. In den vergangenen Jahren haben die meist familiengeführten Geschäfte in den Vierteln stetig Marktanteile verloren. „Vom kleinen Einzelhandel können wir nicht mehr verlangen, und ich rufe alle auf, im Rahmen unserer Möglichkeiten in den lokalen Geschäften einkaufen zu gehen“, beschwichtigte Díaz. Dieser Aufruf überzeugte die kleinen Einzelhändler jedoch nicht.

Schließlich stößt der Plan von Díaz und Garzón auch beim sozialistischen Koalitionspartner auf wenig Begeisterung. Finanzministerin María Jesús Montero sieht zwar ebenfalls die Notwendigkeit, die Grundversorgung der Menschen vor der Inflation zu schützen. Doch sämtliche Maßnahmen sollten im Einklang mit der Branche getroffen werden. Díaz setzt ebenfalls auf eine Einigung, hat aber schon fallen gelassen, dass die Regierung gesetzlich zum Eingriff in die Preise ermächtigt sei.

Die Idee des Anti-Krisen-Warenkorbs ist nicht neu. Die Vorläufer waren jedoch wenig erfolgreich. Die konservative Regierung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy plante 2011 einen Warenkorb mit Produkten der Grundversorgung zum Preis von 20 Euro. Das Experiment scheiterte.

Vorreiter bei den Maßnahmen

Die Regierung von Sánchez feiert sich gegenwärtig als Vorreiter mehrerer Maßnahmen gegen die Krise. So forderte Madrid bereits lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine eine Reform des europäischen Strommarktes, jedoch ohne Erfolg. Nun reden auch die europäischen Partnerstaaten davon, die Strompreise von der Entwicklung des Erdgaspreises zu entkoppeln. Im Juni hatten Spanien und Nachbar Portugal in diesem Sinne bereits eine Sonderregelung in Brüssel aushandeln können, die nun Schule machen könnte. Die Linksregierung in Spanien hat auch als eine der ersten in Europa eine Sondersteuer auf die Übergewinne der Stromkonzerne verabschiedet, die jetzt ebenfalls andere EU-Staaten nachahmen wollen.

Die Forderung nach dieser Abgabe auf die Übergewinne der Energieversorger und eine weitere für die Banken kam ursprünglich von Unidas Podemos. Nach ersten Bedenken machten sich Sánchez und die Sozialisten die Maßnahme zu eigen. Nun steht also der vergünstigte Einkaufskorb zur Debatte innerhalb der Regierungskoalition.