Wer Lebensmittel sucht, die in den vergangenen Wochen und Monaten nicht teurer geworden sind, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Schweinefleisch oder Zwiebeln, Zahnpasta oder Badreiniger sind einige der wenigen Produkte, bei denen die Preise laut Studien von Verbraucherschützern vergleichsweise stabil bleiben. Das war es aber auch schon.

Ansonsten hat die Inflation praktisch das gesamte Sortiment des Supermarkts erfasst. Und da auch die sonstigen Lebenshaltungskosten massiv angezogen haben – vor allem Energie- und Spritkosten –, wird es für viele Haushalte auf Mallorca noch schwieriger, über die Runden zu kommen.

Besorgniserregende und langfristige Entwicklung

„Praktisch alle Lebensbereiche werden von der Inflation erfasst“, sagt Antoni Riera mit Verweis auf Transport- und Energiekosten sowie die Folgen des Ukraine-Kriegs. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Balearen-Universität spricht von einer besorgniserregenden und langfristigen Entwicklung, die den Haushalten auf den Balearen praktisch keinen Spielraum lasse. Im März erfasste das spanische Statistik-Institut eine Inflationsquote auf den Inseln von 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Dass der Wert leicht unter dem spanischen Mittel liegt, begründet Riera mit Abweichungen bei der Ermittlung der Werte. Denn wegen der höheren Transportkosten infolge der Insellage sind viele Dinge auf den Balearen tatsächlich teurer als auf dem Festland.

Auch auf dem Markt in Pere Garau: Alles ist teurer geworden. | FOTO: CLARA MARGAIS/DPA

Und da Energie, Transport und Lebensmittel besonders massiv zulegten, geht Alfonso Rodríguez von der balearischen Verbraucherschutzorganisation Consubal-Facua von einer Steigerung der Haushaltskosten seit Ende vergangenen Jahres von 25 bis 30 Prozent aus. Fiel es vergangenes Jahr rund 60 Prozent der Haushalte in Spanien schwer, neben den laufenden Kosten etwas auf die hohe Kante zu legen, liegt der Anteil in diesem Jahr laut einer Studie der Verbraucherorganisation OCU bereits bei 66 Prozent.

Ausgewiesen wird zudem ein Solvenzindex, der angeben soll, wie gut Haushalte die laufenden Kosten schultern können. Spanienweit sank der Index dieses Jahr um knapp fünf Punkte auf 47,9, auf den Balearen gar auf 44,9. Zur Orientierung: Ab einem Wert von 53,5 gilt eine Familie als wohlhabend, unter einem Wert von 32,5 als arm.

Hühnchen statt Rindfleisch, mehr Brot

Da die Haushaltskasse in vielen Fällen keine Möglichkeit für höhere Ausgaben lässt, muss also gespart werden. Das bekommen derzeit zum Beispiel die Streaming-Anbieter zu spüren, unter anderem bei Netflix gehen reihenweise Kündigungen ein. Aber auch bei lebensnotwendigen Dingen ändert sich das Konsumverhalten. „Die Menschen kaufen statt Rindfleisch jetzt verstärkt Hühnchen“, berichtet der Verkaufsleiter einer Supermarktkette auf Mallorca. Und auch der Absatz des vergleichsweise günstigen Lebensmittels Brot habe massiv zugenommen, „das ist eine ganz deutliche Tendenz“.

Auch auf dem Markt in Pere Garau: Alles ist teurer geworden. | FOTO: CLARA MARGAIS/DPA

Besonders die Eigenmarken der Supermärkte, die einkommensschwachen Haushalten bislang eine günstige Alternative zu Markenprodukten boten, haben angezogen, wie eine jetzt veröffentlichte Studie von OCU zeigt. Preislich am meisten zugelegt haben im Jahresvergleich Öl (plus 34 Prozent), Fisch (16), verpackte Lebensmittel (11) und Milchprodukte (11). Bei einem Vergleich der wichtigsten Supermarktketten ergaben sich die höchsten Teuerungsraten für Carrefour (plus 12,1 Prozent), Mercadona (11,4) und Eroski (9,5).

Dass die in Spanien ohnehin im internationalen Vergleich niedrigeren Gehälter an diese Entwicklung angepasst werden, ist ein praktisch aussichtsloses Unterfangen. Seit der Wirtschaftskrise von 2009 gebe es kaum noch Klauseln in den Tarifverträgen, die Nachverhandlungen im Falle einer erhöhten Inflation vorsehen, erklärt Cati Ginard von der Gewerkschaft UGT.

3,5 Prozent Gehaltsplus in der Hotellerie

Umso lauter warnten die Arbeitnehmervertreter bei den Kundgebungen zum 1. Mai vor der sinkenden Kaufkraft der Angestellten. In den für die Balearen-Wirtschaft wichtigsten Branchen wie Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel werden sich die Tarifparteien jedenfalls erst wieder kommendes Jahr zusammensetzen. Immerhin: Der derzeit geltende Tarifvertrag für die Hotellerie sieht im laufenden Jahr ein Gehaltsplus von 3,5 Prozent für die Angestellten vor.

Während Gewerkschafterin Ginard davon ausgeht, dass sich die Inflation im Laufe des verbleibenden Jahres merklich abschwächen dürfte, prognostiziert Wirtschaftswissenschaftler Riera eine Preissteigerung mindestens bis ins neue Jahr. Es drohe eine Preisspirale, da beständig höhere Kosten weitergegeben werden müssten.

Und auch Verbraucherschützer Rodríguez befürchtet eine kontinuierliche Verschärfung der Lage, „die Preise werden weiter steigen“. Angesichts dieser Entwicklung bereite man derzeit Informationskampagnen vor, um Haushalten das verbleibende Sparpotenzial aufzuzeigen. Die Tipps der Verbraucherportale klingen allerdings wenig originell: das Auto stehen lassen, die Preise auch abseits von Aktionsangeboten vergleichen, die Einkäufe für die gesamte Woche planen, satt machende Hülsenfrüchte statt Steak zubereiten.