Wahlen 2023: Was in Madrid auf dem Spiel steht

Sie ist der Star im konservativen Lager: Isabel Díaz Ayuso. Wie die Ministerpräsidentin der Region Madrid für eine absolute Mehrheit kämpft und gegen den sozialistischen Premier Pedro Sánchez mobil macht

Besser sich nicht mit ihr anlegen: Isabel Díaz Ayuso, Alberto Núñez Feijóo.   | FOTO: GUSTAVO VALIENT/ EUROPA PRESS

Besser sich nicht mit ihr anlegen: Isabel Díaz Ayuso, Alberto Núñez Feijóo. | FOTO: GUSTAVO VALIENT/ EUROPA PRESS / Aus Madrid Berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Spanien am 28. Mai sollte es eigentlich vornehmlich um lokale Probleme und Entwicklungen gehen. Doch selbstverständlich hat der Superwahltag auch eine nationale Dimension, zumal Ende des Jahres das spanische Parlament neu gewählt wird. Und nirgendwo ist die überregionale Auseinandersetzung stärker ausgeprägt als in der Hauptstadtregion Madrid.

Das liegt an der streitsamen Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso von der konservativen Volkspartei (PP), die seit 2019 im Amt ist. Die 44-Jährige sieht ihre Rolle als heimliche Oppositionsführerin gegen Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez von der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE). Díaz Ayuso arbeitet sich offenbar lieber an der spanischen Linksregierung ab, als sich mit den Problemen der sechs Millionen Einwohner der Comunidad de Madrid herumzuschlagen.

Das wurde einmal mehr in der TV-Debatte der Spitzenkandidaten in Madrid am Dienstag (16.5.) in Telemadrid deutlich, der wie alle Regionalsender Spaniens der jeweiligen Regierung wohlgesonnen ist. Die Mitbewerber versuchten, die Debatte auf Probleme etwa bei der Gesundheitsversorgung zu lenken. Doch Díaz Ayuso ließ sich kaum auf dieses Terrain ziehen und bevorzugte in ihrem gewohnten Stil die Attacken auf Sánchez.

Und immer wieder ETA

Die PP setzt im Wahlkampf auf ein altbewährtes Thema: den Terrorismus der baskischen ETA. Die Terrororganisation hatte sich zwar vor fünf Jahren aufgelöst. Doch die politischen Erben sind in der Partei EH Bildu tätig. Diese hat nun für die Kommunalwahlen insgesamt 44 frühere ETA-Mitglieder auf ihre Listen gesetzt, sieben davon hatten Haftstrafen wegen der Beteiligung an Morden abgesessen. Es gab heftige Kritik an Bildu für diese zwar legale, aber politisch inakzeptable Entscheidung, auch von den Linken.

Die Konservativen halten Sánchez nun vor, dass seine Minderheitsregierung im Parlament regelmäßig mit den Stimmen der Abgeordneten von Bildu Gesetzesinitiativen durchbringt. Die Sozialisten entgegnen, dass die oppositionelle PP vor allem deshalb mit der nicht mehr existierenden ETA auf Stimmenfang gehe, weil sie ansonsten nichts Programmatisches zu bieten hätte. Díaz Ayuso schließt sich der Marschroute ihrer Partei an. „Am 28. Mai wird gewählt zwischen dem ehrgeizigen Modell der PP oder ETA“, erklärte sie in der Fernsehdebatte.

Die Ambitionen von Ayuso

Díaz Ayuso ist ohne Zweifel der Star im konservativen Lager, und es wird allgemein vermutet, dass ihre Ambitionen über den Sitz der Madrider Regionalregierung an der Puerta del Sol hinausgehen. Vor einem Jahr machte sie in einem internen Streit dem damaligen Parteichef Pablo Casado den Garaus. Ihr langjähriger Parteifreund hatte 2019 die damals wenig bekannte Madrilenin überraschend zur Kandidatin in Madrid bestimmt. Danach war ihm jedoch der wachsende Einfluss der früheren Journalistin nicht geheuer. Anfang vergangenen Jahres bemühte Casado einen Skandal, um Díaz Ayuso zu stürzen. Es war bekannt geworden, dass ihr Bruder in der Pandemie an der Vermittlung von Sanitärmaterial an die Regionalregierung gut verdient hatte. Der Schuss ging nach hinten los. Die gewiefte Taktikerin Díaz Ayuso und ihr berüchtigter Berater Miguel Ángel Rodríguez bewegten die PP-Oberen dazu, Casado wegen der Attacken auf eine Parteifreundin abzusetzen und den galicischen Ministerpräsident Alberto Núñez Feijóo zum neuen Vorsitzenden zu küren. Der ist seitdem vorgewarnt, dass die bei den Konservativen weitaus populärere Madrilenin ihm jederzeit den Posten streitig machen könnte.

Gegner Sánchez

Doch dafür braucht Díaz Ayuso am 28. Mai ein überzeugendes Ergebnis. In allen Umfragen liegt die PP in Madrid weit vorne. Es scheint eher um die Frage zu gehen, ob sie eine absolute Mehrheit holt oder auf die Unterstützung der rechtsextremen Vox angewiesen sein wird. Der Wahlkampf ist ganz auf die Konfrontation mit Sánchez angelegt. Díaz Ayuso kritisiert regelmäßig nationale Gesetze, sei es die Arbeitsmarktreform oder das neue Sexualstrafrecht. Es ist egal, dass solche Initiativen gar nicht im Kompetenzbereich einer Landeschefin liegen.

In Madrid wirbt sie mit Steuersenkungen beim regionalen Anteil an der Einkommensteuer. Erbschaft- und Vermögensteuer sind in der Hauptstadt praktisch ausgesetzt, was viele betuchte Spanier anlockt. In der Debatte warfen ihr die Kandidaten der Linken vor, dass die Niedrigsteuern höhere Einkommen übermäßig begünstigten. Díaz Ayuso versicherte dagegen, dass diese Fiskalpolitik einkommensschwachen Menschen zugutekomme. Die Anschuldigung von Sánchez, aber auch anderen Landesregierungen, dass Madrid unlauteren Steuerwettbewerb führe, wischt die Konservative als puren Neid vom Tisch. „Sánchez hasst Madrid“, behauptete sie in der Runde bei Telemadrid.

Probleme im Gesundheitssystem

Mit dem Konfrontationskurs gegen die spanische Regierung versucht Díaz Ayuso offenbar, die Probleme vor der eigenen Tür zu umschiffen. So protestiert seit Monaten das Personal im öffentlichen Gesundheitssystem gegen die Mangelwirtschaft. Die Ministerpräsidentin hält die Demonstrationen dagegen für ein von den Linken gesteuertes politisches Manöver. „Alle gegen Ayuso und Ayuso gegen Sánchez“ titelte das Online-Medium Elconfidencial.com über die TV-Debatte. Sollte sie am 28. Mai tatsächlich eine absolute Mehrheit in Madrid holen, wäre das für PP-Chef Núñez Feijóo nicht unbedingt eine gute Nachricht.

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