Wer starke Nerven und einen großen Gerechtigkeitssinn besitzt und sich auch von Todesdrohungen aufgebrachter Fans und medialer Kritik unter der Gürtellinie nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt, der sollte Schiedsrichter werden. Zwar steht der Unparteiische ständig im Zentrum der Schimpftiraden von Spielern, Trainern und Fans, aber immerhin wird er durch sein Gehalt für solche Unannehmlichkeiten ganz ordentlich entschädigt (siehe Kasten). Das ist bei den Schiedsrichtern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) so, die zu einem Winter-Trainingslager vom 13. bis 19. Januar ins Hilton-Hotel Sa Torre kommen. Und das ist in Spanien, dem Land des Fußball-Weltmeisters, nicht anders. Hier sieht es für die Referees sogar noch rosiger aus.

Die Bezüge Schiedsrichter in der Primera División verdienen monatlich etwa 10.000 Euro, so die Sportzeitung „Sport". Hinzu kommen 3.438 Euro brutto pro geleiteter Begegnung. Normalerweise wird jeder der 20 Erstliga-Unparteiischen für zwei Partien im Monat angesetzt. Außerdem gibt es täglich 53 Euro für Spesen sowie 12.000 Euro jährlich für Werbeverträge.

So verdient ein Erstligaschiedsrichter locker über 200.000 Euro im Jahr und damit mehr als Regierungschef Mariano Rajoy. Als Linienrichter in der Ersten Liga gibt es immerhin noch 1.440 Euro pro Spiel. In der Zweiten Liga hingegen reduzieren sich die Bezüge stark. Der Schiedsrichter bekommt rund 1.500 Euro pro Spiel, monatliche Festgehälter und Werbeverträge gibt es nicht. Linienrichter und Assistenten in der Zweiten Liga verdienen 682 Euro pro Begegnung.

Das sind Beträge, die Biel Alemany, ehemaligen Zweitliga-Schiedsrichter und Linienrichter in der Primera División aus Palma, die Augen feucht werden lassen: Zu Alemanys Zeit - er war Unparteiischer zwischen 1976 und 1995 - gab es eher eine symbolische Bezahlung. Für eine Partie als Linienrichter in der Primera División verdiente Alemany beispielsweise 18.000 Peseten (gut 100 Euro). Allerdings hatten damals auch die Spielergehälter noch nicht die heutigen astronomischen Höhe erreicht.

Die Professionalität

Dass seine Kollegen heutzutage derart gut entlohnt werden, wäre für ihn ja zu verschmerzen, wenn die Schiedsrichter ihren Job wenigstens professionell ausübten, sagt Biel Alemany. Doch genau wie in Deutschland auch ist das Schiedsrichterwesen in Spanien nicht professionalisiert. Die meisten Unparteiischen gehen nebenher noch ihrem eigentlichen Brotberuf nach oder lassen ihn lediglich ruhen. Nur zwei Referees der Primera División, Velasco Carballo und Mateu ­Lahoz, sind hauptberufliche Schiedsrichter.

„Das muss sich ändern, damit sich die Unparteiischen wirklich hundertprozentig auf die Spiele vorbereiten können", fordert Alemany, der mit dem Niveau der spanischen Schiedsrichter nicht uneingeschränkt zufrieden ist: „Zwar sind sie technisch auf einem guten Stand und körperlich fit, aber ich vermisse häufig mehr Mut und ­Persönlichkeit." Zu oft zögerten sie, bei schweren Fouls die Rote Karte zu ziehen, und zu häufig setze es Platzverweise wegen Meckerns. „Da gibt es ein krasses Missverhältnis - eine absichtlich in Kauf genommene Verletzung des Gegners muss härter bestraft werden als eine verbale Disziplinlosigkeit", sagt Biel Alemany.

Pedro Sureda findet diese Kritik überzogen. Der 34-jährige ­Mallorquiner ist seit fünf Jahren in der Segunda División im Einsatz und derzeit der einzige Profischiedsrichter der balearischen Inseln. „Das Niveau der spanischen Schiedsrichter ist sehr hoch. Viele spanische Zweitliga­referees würden in anderen Ländern in der Ersten Liga pfeifen", sagt der Ortspolizist, der seinen Brotberuf für die Schiedsrichterei derzeit ruhen lässt.

Die Ausbildung

Sureda war schon als 13-Jähriger auf den Fußballplätzen der Insel mit der Pfeife unterwegs. Als junger Mann absolvierte er dann, wie auch seine Kollegen, einen einjährigen Schiedsrichter-Kurs. Er bekam mehr und mehr Spiele übertragen und stieg alle paar Jahre eine Liga weiter auf. Jetzt ist er nicht mehr weit von seinem größten Wunsch entfernt, eines Tages einmal in der Primera División zu pfeifen. „Mein Traum ist ein clásico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona."

Aufsteigen kann aber nur, wer zahlreiche Tests besteht, darunter eine schriftliche Prüfung und regelmäßige Fitness-Tests. Da kann es mitunter grausam zugehen. „Wer beispielsweise im Sprint ein paar Zehntelsekunden zu langsam läuft, ist raus. Der pfeift nicht mehr", sagt Biel Alemany, der seine Schiedsrichterkarriere mit 37 Jahren aufgrund der Altersgrenze beenden musste. Inzwischen liegt die Obergrenze in der Primera División bei 45 Jahren.

Das Netzwerk

Im Profibereich spielen neben den Prüfungen auch Beurteilungen von Ausbildern eine wichtige Rolle - laut Biel Alemany der Hauptgrund, weshalb von den Balearen so wenig Profi-Schiedsrichter kommen. Bei der Auswahl der Elite-Schiedsrichter werde zu selten auf die Leistung geachtet. „Beziehungen spielen eine viel zu wichtige Rolle. Je näher man am Verband ist, desto einfacher hat man es", sagt Alemany. „Und auf Mallorca sind wir sehr weit entfernt von Madrid." Neben Sureda in der Zweiten Liga sind gerade einmal zwei Mallorquiner als Linienrichter in der Primera División im Einsatz. Einen hauptamtlichen Erstliga-Schiedsrichter von den Balearen gibt es bereits seit 20 Jahren nicht mehr.

Der Nachwuchs

Im Gegensatz zu Deutschland muss man sich in Spanien keine Sorgen um den Schiedsrichter-Nachwuchs machen. Hier hat die Wirtschaftskrise zu einem wahren Boom an Interessenten geführt. Seit 2006 ist die Zahl der Schiedsrichter hierzulande um 30 Prozent gestiegen. Vor allem junge Männer haben die Möglichkeit entdeckt, sich in den unteren Ligen am Wochenende zumindest ein paar hundert Euro hinzu zu verdienen. Der eine oder andere wird sich bis in den Profibereich durchbeißen. In Deutschland dagegen interessieren sich von Jahr zu Jahr weniger Menschen für das Schiedsrichterdasein. Vor allem in unteren Ligen fehlen Woche für Woche Tausende Schiedsrichter.

Die Fairness

Glaubt man Sureda und Alemany, geht es in Deutschland und den nördlichen Ländern auf dem Platz aber ohnehin deutlich fairer zu als in Spanien. Sureda spricht aus Erfahrung, leitete er in den vergangenen Jahren doch häufig das Vorbereitungsspiel Trofeo Ciutat de Palma. So pfiff der Mallorquiner unter anderem schon Spiele von Real Mallorca gegen den Hamburger SV oder Hannover 96. „Die deutschen Mannschaften haben kaum versteckte Fouls begangen oder bei eigener Führung auf Zeit gespielt, was in Spanien ja sehr verbreitet ist." Und Alemany ergänzt: „Ich bin vor allem vom englischen Fußball begeistert. Die Premier League ist zwar hart, aber hoch anständig. Dort lässt sich niemand nach einer leichten Berührung unter großem Spektakel auf den Boden fallen."

Die Deutschen verdienen weniger

Genau wie die meisten ihrer spanischen Kollegen sind auch die deutschen Eliteschiedsrichter, die vom 13. bis 19. Januar ihre Zelte für ihr Trainingslager im Hilton-­Hotel Sa Torre aufschlagen, keine professionellen Unparteiischen. Jeder der 20 Erst­liga- und 22 Zweitligaschiedsrichter geht noch einem Hauptberuf nach. Einige haben sich eine Auszeit genommen. Finanziell lebt es sich auch in Deutschland als Schiedsrichter nicht schlecht, auch wenn die Gehälter niedriger sind als in Spanien. FIFA-Schiedsrichter wie Felix Brych und Wolfgang Stark erhalten zurzeit pro Saison 60.000 Euro Festgehalt, ab 2016 sollen daraus 75.000 Euro werden. Unparteiische, die seit mindestens fünf Jahren in der Bundesliga pfeifen, bekommen 50.000 Euro. Alle anderen Bundesliga-Referees verdienen 40.000 Euro pro Jahr. Zweitligaschiedsrichter werden mit 25.000 Euro pro Spielzeit entlohnt. Zusätzlich bekommt jeder Referee pro geleitetem Spiel 3.800 Euro, in der Zweiten Liga 2.000 Euro.

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