Das Duell zwischen dem FC Schalke und Borussia Dortmund wird in Deutschland gerne die Mutter aller Derbys genannt. Im Vergleich zum Superclásico, dem Stadtderby von Buenos Aires zwischen Boca Juniors und River Plate ist das Kindergarten. In den vergangenen 87 Jahren sind rund um das Duell zwischen den beiden argentinischen Clubs 170 Menschen umgekommen.

„Das ist Fußball der anderen Art. Ein Spiel sind 90 Minuten lang purer Hass", sagt Leo ­Casanovas. Er ist einer von knapp 6.800 auf Mallorca gemeldeten Argentiniern. Auch auf der Insel wird dem nächsten Derby entgegengefiebert. Es ist kein gewöhnlicher Superclásico. Es ist das Rückspiel des Finales der Copa de Libertadores, der südamerikanischen Champions League. Dieses Finale hatte es noch nie gegeben. Anpfiff ist am Samstag (24.11., 21 Uhr, live im Pay-TV bei Dazn oder Movistar+), so es denn nicht wie im Hinspiel regnet und das Spiel einen Tag verschoben werden muss.

River Plate und Boca Juniors stammen beide ursprünglich aus dem damaligen Arbeiterviertel La Boca. Die Rivalität beider Vereine, so erzählt man sich, war anfangs eine klassenkämpferische: die Arbeiter von Boca Juniors gegen die Millionäre von River Plate. Den Spitznamen „millionarios" bekam River Plate in den 30er-Jahren, als der Club für damalige Verhältnisse große Summen für Spielertransfers bezahlte. 1938 zog River Plate dann auch noch in den besser betuchten Stadtteil Belgrano um, wo jetzt auch das Rückspiel steigt.

Aus allen sozialen Schichten

„Heute gibt es Boca- und River-Fans in allen sozialen Schichten", sagt Lucas Pierri, seines Zeichens Anhänger der Boca Juniors. Gemeinsam mit Leo Casanovas spielt er auf Mallorca beim Fußballclub Rotlet Molinar. Arm gegen Reich sei nicht mehr das Thema. „Ich habe ohnehin mehr Geld als Leo", sagt Boca-Fan Lucas Pierri scherzend.

Während Leo Casanovas bereits seit zehn Jahren auf der Insel wohnt, ist Lucas Pierri mit sieben Monaten noch ein Neuankömmling. Beide kommen aus Mar del Plata, einem Touristenort 400 Kilometer südlich von Buenos Aires. Dass sie trotz der Distanz zu den Hauptstadtclubs halten, ist kein Sonderfall. Etwa 70 Prozent der argentinischen Bevölkerung bezeichnet sich als Anhänger von Boca Juniors oder River Plate. So sind auch die Gewaltausbrüche nicht auf Buenos Aires beschränkt. Seit 2013 gibt es in Argentinien generell ein Verbot für Auswärtsfans, zu den Spielen zu gehen. „Die Clubs meiner Stadt haben seit 15 Jahren nicht mal ein Freundschaftsspiel ausgetragen, weil es sonst Mord und Totschlag geben würde", sagt Casanovas.

Die Fans auf Mallorca sind zwar ebenfalls leidenschaftlich, aber weniger aggressiv. Das dürfte auch an ihrer Anzahl liegen. Sowohl von River Plate als auch von Boca Juniors gibt es nur einen Fanclub auf der Insel. „Und die sind nicht vergleichbar zu denen in Barcelona", sagt Lucas Pierri, der dort das 2:2-Unentschieden im Hinspiel am Sonntag (11.11.) erlebt hat. „Dort gibt es die größten Boca- und River-Plate-Fanclubs außerhalb von Argentinien. Nach dem Spiel gab es ein paar Idioten, die sich auf der Straße umbringen wollten."Mitfiebern im Gewerbegebiet

Das Rückspiel guckt Lucas Pierri mit der Peña Boca Juniors von Palma in der Bar Sportium gegenüber von der Bowlingbahn im Polígono Can Valero. Wer sich schon immer gefragt hat, wie argentische Fans ticken, kann dort vorbeischauen. Leo Casanovas sieht das Spiel hingegen lieber allein. Grundsätzlich könne man einen superclásico auch gemeinsam schauen, sagen beide. „Aber vielleicht dann doch lieber ein Freundschaftsspiel als das Finale der Copa de Libertadores." Beide sind sich sicher, dass sie den ganzen Abend vor Nervosität weder essen noch trinken können.

Keiner der beiden hat Pläne für die Siegesfeier geschmiedet. Dabei dürften sie auf Mallorca im Gegensatz zu Buenos Aires feiern. Die argentinische Hauptstadt hat den Fans vorsichtshalber untersagt, den berühmten Obelisken zu stürmen. In Palma könnte wer auf die Idee kommen, am Brunnen der „Plaza de las Tortugas" vor der Bar Bosch zu jubeln.

Einen Favoriten für den Sieg gebe es nicht, davon sind beide überzeugt. Unabhängig vom Ausgang müssen sich beide am nächsten Tag bestens verstehen. Dann stehen sie gemeinsam für ihr Team in Molinar auf dem Platz.