Viele Eltern kommen schon mit einem oder zwei Kindern an ihre Grenzen. Die deutsche Mallorca-Residentin Silvia Czaja hat derer neun. Den Alltag mit dieser Kinderschar zu bewältigen, kommt dem Otto-Normalbürger schon wie eine Mammutaufgabe vor. Doch die 49-Jährige hat noch genügend Kapazitäten für eine Karriere als Extremsportlerin. Sie lief bei 250 Kilometer langen Rennen in der Arktis und im Dschungel. Am Samstag (7.5.) geht Czaja beim Ironman in Alcúdia an den Start. Im Vergleich zu einem Wüstenlauf, den sie plant, ist das fast schon ein Klacks.

Kinder im Doppelpack

Geplant war die Kinderhorde nie, erzählt die Bremerin. „Es kam einfach so. Ich hatte mir schon immer einen Jungen gewünscht.“ Dass dann erst mal zwei Mädchen im Doppelpack kamen, konnte ja niemand vorher ahnen. Auch die Jungs waren Zwillinge. Von den nun sieben Töchtern und zwei Jungs sind drei volljährig und stehen auf eigenen Beinen. Die restlichen sechs wollen auf der Insel noch versorgt werden. „Ich fühle mich wie ein Taxiunternehmen und bin ständig zwischen Schule, zu Hause und dem Sportverein unterwegs“, sagt Czaja, die in Deutschland eine Diskothek betreibt. Zwei Nannys und die Familie müssen mit anpacken, um die Kinder zu betreuen.

Das Familienfoto stammt aus dem Jahr 2017. | FOTO: BENDGENS

Erst Asphalt, dann Berge

„Ich will aber keine Vollzeit-Mutter sein, sondern auch mein eigenes Leben leben“, sagt Czaja. Der Sport spielt dabei eine wichtige Rolle. „Während meiner letzten Schwangerschaft habe ich mit dem Laufen angefangen.“ Mit Kind im Bauch lief sie 2017 ihren ersten Halbmarathon, im Oktober desselben Jahres die volle Distanz beim Palma Marathon. Wie so vielen Läufern wurde ihr das Joggen auf dem Asphalt zu öde und sie wechselte zum Traillauf in die Berge. „Heute gibt es kein Rennen auf der Insel mehr, das ich noch nicht gelaufen bin“, sagt die Deutsche. Darunter auch Ultraläufe wie die Tramuntana Travessa im April, die die gesamte Bergkette entlang über 110,7 Kilometer von Pollença nach Andratx führt.

Trainieren statt Arbeiten

Trotz der Kinder findet Czaja Zeit fürs Training. Sie nutzt die Stunden, die der Nachwuchs in der Schule ist. Immerhin hat sie auf Mallorca die Trainingspiste praktisch vor der Haustür und arbeitet zurzeit weniger. „Während der Pandemie war meine Disco zudem geschlossen und ich hatte mehr Zeit für den Sport. Nun macht sie bald wieder auf, und ich werde wohl ein bis zwei Mal im Monat hinfliegen.“

Die Trainingsstunden sollen deswegen aber nicht reduziert werden. „Ich suche mir immer neue Grenzen, und die werden stets extremer. Ich konnte bislang nicht schwimmen und dachte mir, ein Ironman wäre doch ein guter Anlass, es zu lernen.“ Seit dem Rennen im vergangenen Oktober hat die Insel nach fünfjähriger Pause wieder den „großen“ Ironman über 3,9 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und den Marathon zurück. Dieses Mal findet der Triathlon wie gewohnt im Mai gleichzeitig mit der halben Distanz, dem Ironman 70.3 statt. Beide Rennen starten in Port d’Alcúdia.

Wenig Aufmerksamkeit

Die Bergläuferin stört manchmal, dass Frauen bei der Berichterstattung etwas außen vor seien. „Bei den Siegerfotos sind nur die Männer zu sehen, weil sie halt eher im Ziel sind. Dabei haben wir Frauen die gleiche Leistung gebracht“, sagt Czaja, die regelmäßig dafür kämpfen muss, dass auch ein Foto von der Siegerin eines Rennens in den sozialen Netzwerken des Veranstalters veröffentlicht wird. „Es geht einfach um die Wertschätzung.“

Was machst du hier? Du bist ganz schön durchgeknallt.

Durch Dschungel und Eis

Die Sehnsucht nach Abenteuern trieb Czaja bereits an viele Orte auf der ganzen Welt. Mit dem britischen Ultralauf-Anbieter „Beyond the ultimate“ reiste die Deutsche in entlegene Ecken, um an extremen Rennen teilzunehmen. 2019 ging es zuerst nach Peru, um 250 Kilometer im Amazonas-Urlaub zu laufen – etwas, das sie nachhaltig geprägt hat. „Nach fünf Tagen im Dschungel war ich ein anderer Mensch. Ich schaue viel bescheidener auf mein Leben. Ich dachte beim Laufen über die Arbeit nach, welchen Weg wohl meine Kinder einschlagen. Zwischenzeitlich hatte ich Angst und fragte mich: Was machst du hier? Du bist ganz schön durchgeknallt. Wenn dir was passiert, was wird aus den Kindern?“

Die Strecke durch den Urwald ist dabei vom Veranstalter vorgegeben. Die Schlafplätze auch. „Das Zelt und alles an Gepäck müssen wir aber selbst tragen. Da kommen an die 20 Kilogramm zusammen“, sagt Czaja. Neben der Distanz und dem Klima sind die Krabbeltierchen eine Hürde. „Mir wurde gesagt, dass ich nie zwei Minuten am Fleck stehen bleiben soll. Einmal bin ich über einen Baumstamm geklettert und war voller Ameisen. Da bin ich ordentlich getanzt, um die loszuwerden.“

Im gleichen Jahr flog die Mallorca-Residentin mit der britischen Firma nach Nordschweden, um durch das arktische Eis zu laufen. „Ich bin bei minus 40 Grad in einen Schneesturm geraten und habe in der Ferne die Wölfe heulen gehört.“ Mal waren es 30 Kilometer am Tag bis zum nächsten Camp, mal sogar 100 Kilometer. „Je nachdem, wie schnell man ist, hat man mehr Zeit zum Schlafen.“ Per GPS wurden die Läufer dabei überwacht. „Weicht man vom Weg ab, kommt sofort Hilfe.“

Urlaub von der Familie

Im November soll es nun noch 250 Kilometer durch die Wüste von Namibia gehen. Mit Summen von bis zu knapp 4.000 Euro Startgebühr – die nötigen Flüge nicht eingerechnet – sind die Abenteuerläufe nicht gerade billig. „Dafür spare ich zum Teil jahrelang. Es ist mein Urlaub von der Familie“, sagt Czaja. Und: „Ich könnte nicht mehr normal in ein All-inclusive-Hotel gehen. Das wäre mir zu langweilig. Ich bin ein extremer Mensch.