Kinder planschen im Pool, ein deutsches Urlauberpaar entspannt nach der Ankunft erst einmal auf den Sonnenliegen. Dass im Hotel Vita Delta in Puigderrós an der Südküste Mallorcas irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, ist ihnen bisher nicht aufgefallen. Auch eine britische Touristin, die sich schon seit einigen Tagen in dem Vier-Sterne-Ressort in der Gemeinde Llucmajor aufhält, kann nicht klagen. „Der Service ist einwandfrei, als Gast bekommt man nichts mit." Aber sie habe gehört, dass es ­Probleme geben soll.

„Gewaltigen Probleme", bestätigt Betriebsratsvorsitzende Brigitte Dereymacker am Montagnachmittag (8.9.). Die Zustände im Hotel seien chaotisch und untragbar. „Heute wussten wir bis kurz vor 16 Uhr nicht, ob wir für den nächsten Tag Essen haben, um Frühstück zuzubereiten." In allerletzter Minute habe der Betreiber Vita Hoteliers die Schulden beim Lieferanten dann aber doch noch beglichen. Bei der Versorgung mit frischen Laken und Bettbezügen sehe es nicht besser aus, die Wäscherei bringt längst nur noch so viel, wie direkt bezahlt wird. „Unsere Putzfrauen vollbringen jeden Tag Wunder, damit jeder Gast ein sauberes Handtuch hat", berichtet Rezeptionistin Laura.

Die rund 80 Angestellten täten alles, um den Betrieb aufrecht zu erhalten und jenen Gästen, die von ihren Reiseveranstaltern nicht gleich in ein anderes Hotel umgebucht wurden, einen unbeschwerten Urlaub zu ermöglichen. Doch sie stoßen zunehmend an ihre Grenzen - denn Vita Hoteliers hat seit Monaten Schulden angehäuft. Die Stadtwerke haben bereits Anfang September den Strom abgestellt - seitdem wird mit einem Generator Elektrizität erzeugt. Bis der Versorger dem Hotel wegen offener Rechnungen in Höhe von rund 15.000 Euro auch noch den Wasserhahn abdreht, ist es nur eine Frage der Zeit. Und die von der Arbeitsaufsicht gesetzte Frist, dass die Aufzüge, wenn sie nicht endlich gewartet werden, gesperrt würden, neigt sich dem Ende entgegen. „Wir sind das Hotel der Elenden", sagt Laura - die wie ihre Kollegen schon in den Vormonaten mit Protesten um ihren Lohn kämpfen musste, noch auf ihr Augustgehalt wartet und nicht weiß, wie es weitergehen wird.

Allerdings ist ihr ebenso wie Betriebsrätin Dereymacker klar, dass die Saison so übel enden wird, wie sie begann: Nachdem die Kross-Gruppe, die das Hotel ab 2013 für die nächsten zehn Jahre betreiben sollte, im März 2014 Insolvenz anmelden musste, hatte die Übernahme durch Vita Hoteliers zunächst neue Hoffnung gebracht. „Anfangs machten die einen guten Eindruck, steckten sogar ein bisschen Geld in die Anlage", sagt Rezeptionistin Laura. Doch nun sei die Lage desolater als je zuvor: der Hoteleigner, Hotelera Alfa, und die Betreiberfirmen schulden ihren Lieferanten laut balearischem Handelsverband mehr als eine Million Euro. Zudem wurden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1,3 Millionen Euro nicht bezahlt.

Sollte dies bis Ende September nicht geschehen, werden die Vollstreckungsbeamten der Seguridad Social pfänden, was zu pfänden ist, heißt es. Betriebsrätin Dereymacker zufolge wolle Vita Hoteliers zwei Tage vorher zusperren, um genau das zu verhindern. Auch ihre Kollegin Laura ist sich sicher, dass die Betreiber-Gruppe eine klare Strategie verfolgt. „Die versuchen, so wenig wie möglich zu zahlen, um am Ende mit möglichst viel abzuhauen."

Und so scheint sich ein ähnliches Szenario wie nach der Kross-Pleite anzubahnen - während die Prozesse, in denen die Mitarbeiter ausstehende Lohn- und Abfindungszahlungen über mehrere Tausend Euro einklagen wollen, noch nicht einmal begonnen haben. Wie bei den Verantwortlichen damals ist auch nun bei Vita Hoteliers niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. „Kein Wunder", sagt Laura. Der Vorstandsvorsitzende der Kette sitze seit Juli wegen Unterschlagung im Gefängnis, weitere Vertreter der Führungsriege seien angeklagt. Die Mitarbeiter seien nur informiert worden, dass man das Hotel am 28. September schließe - dabei müssen die gut 70 Saisonkräfte laut Vertrag sechs Monate beschäftigt werden. „Vermutlich werden sie es mit Urlaubstagen irgendwie hintricksen, um bis zum 15. Oktober zu kommen." Was danach passiere, stehe in den Sternen.

Der Schweizer Albert Zweifel, der im Hotel Delta seit vielen Jahren einen Radverleih betreibt, hat aus diesem Grund beschlossen, seinen Ruhestand ein Jahr früher als geplant einzuleiten. „Dieses Theater mache ich nicht noch einmal mit", sagt er. Wenn das Hotel schließe, werde er seine Räder verkaufen - „und basta". Sofern sie nicht vorher beschlagnahmt wurden. „Die Gefahr besteht natürlich, denn die Vollstrecker würden sicher alles mitnehmen, was irgendwie geht."

Die Mitarbeiter indes halten weiterhin die Stellung - wohl oder übel: Vor allem die langjährigen Angestellten würden nicht nur ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern auch auf eine üppige Abfindung verlieren, wenn sie freiwillig gingen, sagt Brigitte Dereymacker. „Wir müssen deshalb warten, bis sie uns feuern oder der Betreiber Insolvenz anmeldet." Am 16. September wollen die Mitarbeiter, sollten sie bis dahin weiter keinen Lohn erhalten haben, streiken. „Irgendwann müssen wir uns ja wehren." Den Glauben, dass die Behörden dem Elend ein Ende bereiten könnten, hat die Betriebsräten längst verloren. „Wir hatten Kontrollen der Arbeitsaufsicht, des Finanzamts, der Sozialversicherung, aber es passierte nichts. Die Gesetze greifen nicht."

Sie hätten von Anfang an, schon bei der Übernahme durch Vita Hoteliers, versagt, fügt Rezeptionistin Laura hinzu. „Wie kann es sein, dass ein Unternehmen, das offensichtlich keinerlei finanzielle Mittel hat, ein Hotel betreiben darf?" In so einem Fall sei deshalb die Politik gefragt. „Hier wird schließlich das Image der Hotelbranche, ja der ganzen Insel beschädigt."

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