Eine Richterin in Palma de Mallorca hatte dem schon historisch zu nennenden Taschendieb Virgilio J. M. im August verboten, sich der Playa de Palma zu nähern. Kurz zuvor hatte er dort erneut versucht, Touristinnen um ihr Geld zu erleichtern. Der erfahrene Langfinger, der schon über 60-mal festgenommen worden ist und sich bereits Hunderter Geldbörsen bemächtigt haben dürfte, gab sich, wie es seine Art ist, unschuldig. „Diesmal habe ich gar nichts gemacht“, klagte der 58-Jährige. „Die Polizei hat sich einfach auf mich eingeschossen.“

Virgilio ist seit den 70er Jahren im Geschäft und auch immer mal wieder hinter Gittern, ansonsten aber hat die Justiz kaum eine rechtliche Handhabe gegen sein Treiben. Die Beamten der Nationalpolizei hatten ihn vergangene Woche festgenommen, weil er zwei Ita- lienerinnen ausgeraubt haben soll. Seine

Opfer waren gerade im Wasser und hatten ihre Habseligkeiten am Strand zurückgelassen. Der stadtbekannte Dieb ließ über ihre Tasche unauffällig ein Handtuch fallen, hob beides auf und bemächtigte sich der 50 Euro, die die Urlauberinnen bei sich hatten. Dumm nur, dass sein Manöver von Polizisten beobachtet wurde.

Also wurde Virgilio wieder einmal abgeführt. Nach einer Nacht in der Zelle musste der Taschendieb vor der diensthabenden Ermittlungsrichte- rin erscheinen. Das Handtuch sei ihm aus Unaufmerksamkeit heruntergefal- len, und es sei reiner Zufall, dass sich darunter eine Tasche befunden hätte, gab er zu Protokoll. Im Übrigen sei es ein Unding, dass die Beamten ihm 50 Euro abgenommen hätten, um sie den Urlauberinnen zu überreichen.

Natürlich glaubte ihm die Richterin nicht, Virgilio ist weiterhin beschul- digt. Sie ließ ihn aber ziehen, unter der Auflage, dass er sich nirgendwo an der Playa de Palma mehr blicken lassen darf. Vor zwei Jahren hatte ein ande- rer Richter Virgilio schon einmal mit einer ähnlichen Auflage belegt: Damals durfte er vier Buslinien nicht mehr nut- zen, die besonders von Urlaubern (und ihm) frequentiert werden.

Über das neuerliche Berufsverbot war Virgilio denn auch ausgesprochen empört. „Was ist denn das für eine Rechtsprechung? Mich nicht mehr an den Strand zu lassen? Ein tolles Justiz- system haben wir hier in Spanien“, schimpfte er. Virgilio pflegt lediglich zuzugeben, dass er in der Vergangen- heit ein Taschendieb war. „Jetzt muss ich mich irgendwie durchschlagen“, grummelte er noch, bevor er in Shorts, T-Shirt und Gummilatschen die Rampe des Justizgebäudes an der Via Alema- nia hinaufstapfte. Wohl nicht zum letz- ten Mal. Denn auch das sagte er noch: „Ich gehe noch lange nicht in Rente.“