Helga Schmidt erfüllte sich im Alter von 60 Jahren einen lang gehegten Traum. Sie hörte auf zu arbeiten, zog nach Mallorca und kaufte eine alte Finca bei Felanitx, die sie in Eigenregie renovierte. Seit zwölf Jahren lebt sie nun schon dort. „Ich habe hier Wurzeln geschlagen, ich möchte nicht mehr weg", sagt die 72-Jährige.

Doch langsam wird die Finca zu groß, ohne Gärtner und Putzfrau geht es nicht mehr. Für eine permanente Hilfe wäre zwar Platz im Haus, doch noch kann sich das Helga Schmidt nicht vorstellen: „Ich möchte mir meine Unabhängigkeit erhalten und nicht bevormundet werden."

Kaum ein deutscher Rentner aus ihrem Bekanntenkreis zieht eine Rückkehr nach Deutschland in Betracht. Das Leben sei einfach weniger hektisch hier, sagt die Wahlmallorquinerin, die sich vor allem wegen des Lichts und der Sonne für die Insel entschieden hat.

Aber dafür ist der Alltag in vieler Hinsicht auch schwieriger. Senioren wie Helga Schmidt, die auf der eigenen Finca wohnen, sind zum Beispiel sehr von ihren Fahrkünsten abhängig. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Auto fahren kann, ist schnell auf die Hilfe anderer angewiesen. Die fehlende Mobilität wird zum Problem.

Plötzlich ganz allein

Dabei verfügt Helga Schmidt über zwei Vorteile, die vielen ihrer Altersgenossen auf der Insel abgehen: einen großen Freundeskreis und Spanischkenntnisse. Wem beides fehlt, dem droht im Alter sehr schnell die Vereinsamung. Problematisch wird es vor allem, wenn ein Ehepartner stirbt. Dann zieht sich der verwitwete Partner zurück, die ohnehin spärlichen Kontakte werden oft nochmals reduziert.

„In Deutschland gibt es in solchen Fällen ein soziales Netzwerk, die Nachbarn schauen beispielsweise mal vorbei", erklärt der Altersforscher Klaus Friedrich, Professor an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. In der Fremde sei das bei mangelnder Integration schwieriger.

Ein Viertel der auf Mallorca lebenden Rentner sei von dieser Problematik betroffen, schätzt der Wissenschaftler. Und das sogar in Gegenden, in denen Deutsche in der Mehrheit sind. „Vor allem früh besiedelte Wohngebiete wie in Santa Ponça altern in beschleunigtem Maße. Nach zehn Jahren sieht man hier viele Veränderungen: Die Gärten sind nicht gepflegt, die Autos werden nicht mehr bewegt. Die Menschen ziehen sich einsam in ihre Wohnungen und Häuser zurück und sterben." Ein Sozialarbeiter müsste her, der die Anzeichen frühzeitig erkennt.

„Manche haben einfach gar keinen Kontakt mehr zu ihrer Umwelt", sagt auch Regina Lochner, deutsche Konsulin in Palma. So sei in einem Fall der Tod eines deutschen Rentners erst dem Briefträger aufgefallen. Wegen des überquellenden Briefkastens verständigte der die Polizei, die dann die Leiche des Wochen zuvor Verstorbenen fand.

Noch Wohnungen frei

Die Angebote für betreutes Wohnen für deutschsprachige Inselresidenten sind unterdessen gezählt – unter anderem, weil sich die Nachfrage bislang in Grenzen hält. Allen voran gibt es seit 17 Jahren die Residenz Es Castellot in Santa Ponça. Nur zwei Drittel der Wohnungen sind momentan vermietet, wegen der langjährigen Belegungsprobleme wechselte die Anlage im April vergangenen Jahres den Träger. Die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie konnte das Haus nicht mehr kostendeckend führen und verkaufte die Anlage an die mallorquinische Behinderten-Stiftung Amadip-Esment.

„Auf Mallorca leben einfach nicht genügend Deutsche", erklärt sich Geschäftsführer Uwe Daude die leer stehenden Wohnungen. Schätzungen zufolge haben an die 70.000 Deutsche ihren Lebensmittelpunkt auf der Insel, so viele wie in einer mittelgroßen Stadt. Die 90 in Es Castellot angebotenen Seniorenwohnungen seien da zu viel, sagt Daude.

Altersforscher Friedrich hat noch eine andere Erklärung: „In einer Anlage lebt man institutionalisierter – das ist genau das Gegenteil vom Traum des selbstbestimmten Lebens unter der Sonne. Das wollen viele nicht."

Wie in Florida

Den Gegenbeweis will jetzt die Unternehmensgruppe Pro·Vivendi antreten. Sie plant auf Mallorca gleich zwei Wohnkomplexe für „aktive, unabhängige und lebenslustige Menschen ab dem 55. Lebensjahr". Schon im Herbst 2013 soll die erste Anlage an der Playa de Palma bezugsfertig sein, Ende 2014 dann auch der etwas exklusivere Bau in Puerto Portals.

„Die beiden Häuser sind ganz bewusst keine klassischen Pflegeheime", erklärt Verkaufsleiter Arnd Münch. Es handle sich vielmehr um ein mediterranes Lebenskonzept unter dem Stichwort active aging. Wohlhabende Best Agers heißt die Zielgruppe, die auch in Deutschland immer mehr umworben wird. Denn die Zahl der Rentner nimmt dank der steigenden Lebenserwartung stetig zu. Zudem verfügt die Generation 60plus über knapp ein Drittel der Kaufkraft und hat konsumhemmende Kredite im Optimalfall längst abbezahlt.

Dass die Anlagen funktionieren werden, davon ist Münch überzeugt. Die Investoren, eine Gruppe spanischer Finanziers und Unternehmer, habe zahlreiche Marktstudien in Deutschland und auf Mallorca durchführen lassen. Das Ergebnis sei eindeutig: „Es besteht eine Nachfrage."

Für Interessenten, die aus Deutschland direkt nach Mallorca ziehen möchten, zähle natürlich die Nähe zum Meer. Doch auch ­Mallorca-Residenten werden umworben. „Wenn die Finca zu groß wird, ist Downsizing angesagt", sagt Münch. Für viele Senioren sei das geplante Serviceangebot eine Möglichkeit, den Spagat zwischen Eigenständigkeit und Rundumversorgung zu schaffen.

Tatsächlich könnte die Lage der Pro·Vivendi-Häuser gegenüber Es Castellot ein Vorteil sein. Die Residenz in Santa Ponça verfügt zwar über einen schönen Park und Meerblick, liegt aber in einer für Senioren ungünstigen Hanglage. Wer nicht mehr gut zu Fuß ist, der muss sich vom kostenpflichtigen Fahrservice chauffieren lassen. Und selbst die wenigen Meter an den Strand sind wegen der Steigung für viele Bewohner unüberwindbar.

„Da bleibe ich lieber hier"

Und vielleicht zieht die Nachfrage nach betreutem Wohnen ja auch noch merklich an. Klaus-Peter Weinhold, Pfarrer der evangelischen Gemeinde, etwa kann sich das gut vorstellen. Er hat in den vergangenen Jahren eine Trendwende beobachtet: „Früher gingen die Menschen zum Sterben wieder nach Deutschland. Heute leben sie zum Teil schon so lange hier, dass sie dort gar keine Kontakte mehr haben. Die sagen sich natürlich: ´Was soll ich alleine in Deutschland? Da bleibe ich lieber hier.´"

Es-Castellot-Leiter Uwe Daude erlebt zudem in letzter Zeit vermehrt Familienzusammenführungen: „Deutsche, die hier auf Mallorca ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, holen ihre alleinstehenden alten Eltern nach." Das träfe auf fast ein Viertel der Bewohner in Santa Ponça zu.

Und dann bietet das Altern im Süden eben doch viele Vorteile. Pfarrer Weinhold zitiert ein Ehepaar, das ihm unlängst erklärte: „Die Sonne hier schenkt uns ein paar Jahre mehr."