Mallorca-Flüge: Muss ich eigentlich heute noch an Bord den Flugmodus aktivieren?

Immer weniger Menschen greifen im Flugzeug auf diese Handy-Funktion zurück. Aus rein technischen Gründen ist das auch längst nicht mehr nötig. Doch es gibt andere Motive für die Regelung

Mit Handy und Laptop an Bord zugange: Viele Menschen aktivieren den Flugmodus über den Wolken nicht mehr. Passieren kann in modernen Flugzeugen deshalb nichts.

Mit Handy und Laptop an Bord zugange: Viele Menschen aktivieren den Flugmodus über den Wolken nicht mehr. Passieren kann in modernen Flugzeugen deshalb nichts. / FREEPIK

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Sie haben aus Versehen vergessen, beim Start des Mallorca-Fluges bei Ihrem Smartphone den Flugmodus zu aktivieren? Keine Panik, der Flieger wird aller Voraussicht nach nicht abstürzen. Zumindest nicht aus diesem Grund. Vielflieger werden ohnehin bemerkt haben, dass zahlreiche Passagiere den Flugmodus nicht mehr ernst nehmen und den gesamten Flug über das Handy empfangsbereit haben. Doch wie verhält sich das technisch mit der Funktion?

Die MZ hat mit einem Piloten gesprochen. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. „Technisch gesehen ist es kein Problem, wenn die Fluggäste ihren Flugmodus nicht einschalten“, berichtet der Experte. Zwar bitten die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter die Passagiere darum, das Handy auszuschalten oder den Flugmodus zu aktivieren. Es werde aber nicht kontrolliert und auch nicht insistiert, sollte sich jemand weigern, berichtet der Pilot aus der Praxis. Er habe selbst sein Smartphone während des Fluges immer angeschaltet und nicht im Flugmodus.

Ausnahme schlechte Sicht

Die Annahme, dass die Handystrahlung möglicherweise die Instrumente an Bord stören könnte, ist schon lange überholt. Das bestätigt etwa der Professor für Luftfahrt, Doug Drury, von der Central Queensland University in Australien im September 2022 auf der Plattform für Wissenschaftsjournalismus „The Conversation“. Demnach habe bereits 1992 die US-Flugaufsichtsbehörde Federal Aviation Authority die Nutzung von elektronischen Endgeräten an Bord und ihre Wirkung auf die elektronischen Bordinstrumente untersucht und zumindest während der „nicht-kritischen“ Flugphasen keinerlei Probleme festgestellt.

Die kritischen Phasen sind lediglich der Start und die Landung. Und selbst in diesen Fällen können die Handyfrequenzen den Flugbetrieb nicht so sehr stören, dass wirklich Gefahr im Verzug wäre. Eine Ausnahme gebe es allerdings, so der Pilot: Und zwar wenn etwa beim Landeanflug aufgrund von Nebel oder Regen schlechte Sicht von unter 400 Metern herrsche. „Dann insistieren wir, dass die Passagiere den Flugmodus einstellen“, so der Pilot. Denn in einem solchen Fall sei der Pilot auf ein exaktes Funktionieren der Bordinstrumente angewiesen. Jede leichte Störung an Bord könnte dann zu einer Gefahr werden.

Unterschiedliche Frequenzbandbreiten

Etwas anders war das vor rund 100 Jahren. Als die ersten zivilen Flugzeuge am Himmel unterwegs waren, kam es tatsächlich zu Überschneidungen von Frequenzen an Bord, was für die Piloten und die Fluggäste im Extremfall lebensgefährlich sein konnte. Damals gab es natürlich noch keine Smartphones. Vor etwa 60 Jahren dann ergaben Untersuchungen, dass elektronische Geräte an Bord ein Signal in derselben Frequenz wie die Kommunikations- und Navigationssysteme an Bord von Flugzeugen aussenden und so zu elektromagnetischen Störungen führen können.

Inzwischen ist die Sorge weitgehend unbegründet, weltweit wurde dafür Sorge getragen, dass sich Mobiltelefonfrequenzen und die Flugzeugnavigation nicht mehr gegenseitig in die Quere kommen können – dank unterschiedlicher Frequenzbandbreiten. Regierungen auf der ganzen Welt haben in den vergangenen Jahrzehnten Strategien entwickelt, um diese Interferenzen in der Luftfahrt zu vermeiden, schreibt Drury. In der EU dürfen seit 2014 die elektronischen Geräte an Bord deshalb eingeschaltet bleiben.

Warum dann Flugmodus?

Was sind dann also die Gründe dafür, dass die Passagiere heute weiterhin gebeten werden, ihre Mobilgeräte in den Flugmodus zu schalten? Laut Drury sind sogenannte Bodenstörungen eines der möglichen Probleme: Die Mobilfunkanbieter befürchteten, dass die Netze auf der Erde überlastet werden, erklärt der Professor für Luftfahrt. Und tatsächlich könnten sich durch die neue 5G-Technologie wieder mehr Probleme mit dem Luftverkehr auftun.

Laut Drury weist die Luftfahrtindustrie darauf hin, dass die Bandbreite des 5G-Mobilfunknetzes sehr nahe an der eigentlich für die Luftfahrt reservierten Bandbreite liegt. Das könne möglicherweise zu Störungen bei Navigationssystemen in der Nähe von Flughäfen führen. Und damit wiederum könnten Landeanflüge gefährdet werden. Ganz klar ist das allerdings noch nicht.

Sinkende Aufmerksamkeit

Das wohl wichtigste Argument gegen die Handynutzung an Bord ist laut Drury die Sorge, dass Mitreisende gestört würden und den Ansagen der Flugbegleiter keine Aufmerksamkeit geschenkt werde. Etwas, das auch der Pilot aus Palma bestätigt. „Beim Start oder der Landung etwa sollen die Fenster geöffnet sein, damit man im Notfall weiß, wo genau man sich befindet. Oder nachts wird die Kabine abgedunkelt, damit sich die Augen der Passagiere im Falle einer Notlandung schon einmal an die Dunkelheit gewöhnt haben. Da ist es kontraproduktiv, wenn viele Menschen beispielsweise telefonieren und in einem Notfall erst einmal ihr Gespräch beenden werden müsste.“

Ohnehin wären die Passagiere weit weniger aufmerksam, wenn sie an Bord in Handytelefonate oder gar Videocalls vertieft wären. Es würde dann viel länger dauern, etwa nach Getränkewünschen zu fragen, so die Befürchtung. Die Ordnung auf einem eng getakteten Kurzstreckenflug komme durcheinander, erklärt auch eine Flugbegleiterin. Bei vielen Airlines ist es inzwischen allerdings bereits möglich, sich direkt an Bord in ein Mobilfunknetz einzuwählen, das die Airline zur Verfügung stellt. Bei Eurowings etwa kostet ein Zugang je nach Zeit und Extras zwischen 3,90 Euro und 9,90 Euro.

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