Mallorca Zeitung

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Kreuzfahrtschiffe auf Mallorca: Das Tauziehen um die großen Pötte

In diesem Mai kommen im Hafen von Palma 240.000 Urlauber per Kreuzfahrtschiff an – so viele wie in keinem anderen Monat 2024. Die Aussichten für die Branche sind gut, die Umweltbilanz der Schiffe eher bescheiden. Und dann ist da noch das Thema Overtourism

Der Blick vom Parc de la Mar auf die Kreuzfahrtmole: Dieses Bild bietet sich auch in diesem Jahr auf Mallorca wieder häufig. 499 Kreuzfahrtschiffe machen bis Dezember fest. B. RAMON

Sie heißen „Queen Anne“, „Silver Ray“ oder auch „Sun Princess“. Die Rede ist natürlich nicht vom Hochadel, sondern von nagelneuen Kreuzfahrtschiffen, die in diesem Jahr zum ersten Mal den Hafen von Palma ansteuern. Zusätzlich zu den drei genannten Schiffen werden auch die „Mein Schiff 7“ sowie die „Seven Seas Grandeur“ 2024 das erste Mal auf Mallorca erwartet.

Dass auch weitere Neubauten wie die gigantische „Utopia of the Seas“ oder die „Icon of the Seas“ der Reederei Royal Caribbean in Palma haltmachen, dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Die Kreuzfahrtbranche befindet sich wieder in günstigem Fahrwasser. Die Sorgen aus der Corona-Zeit, als die Schiffe weltweit monatelang vor Anker lagen, sind – zumindest, was die Passagierzahlen angeht – längst vergessen.

Die Werften haben derzeit alle Hände voll zu tun, ihre Auftragsbücher abzuarbeiten, sagt Kreuzfahrtexperte Jörg Boeckmann, der unter anderem das Portal kreuzfahrtenabpalma.es betreibt. Aufgrund der langen Bauzeit würden derzeit noch Schiffe ausgeliefert, die bereits vor der Pandemie bestellt worden seien. Andererseits haben die Reedereien durch Corona riesige Schulden aufgehäuft, an denen sie noch länger zu knapsen haben werden.

Aussichten auf Mallorca

Auf Mallorca hat die Kreuzfahrtsaison mit Ostern begonnen. Nach 16 Anläufen im Januar, 11 im Februar und 18 im März kamen im April 49 Schiffe in Palmas Hafen an. Geplant sind für 2024 laut der balearischen Hafenbehörde 499 Anläufe in Palma. Der verkehrsreichste Monat wird der Oktober mit 63 Schiffen. Im Jahresverlauf werden im Hafen von Palma mehr als 1,8 Millionen Kreuzfahrturlauber erwartet, die meisten davon mit knapp 240.000 im Mai. Die größte Gruppe der Kreuzfahrturlauber stammt aus Deutschland, gefolgt von Skandinaviern, Italienern und Franzosen.

Die Branche kann also zufrieden sein. So auch der Spanien-Chef des Weltkreuzfahrtverbandes CLIA, Alfredo Serrano. Er rechnet flächendeckend mit einer „guten Saison“, ihn plagen allerdings in Bezug auf Palma ein paar Sorgen. „Bei den Anläufen liegen wir noch immer etwas hinter dem Niveau von vor der Pandemie zurück“, sagt Serrano der MZ. Woran die schwächere Nachfrage liegt, da will sich Serrano nicht festnageln lassen. „Warum die Reedereien ihre Routen so planen, wie sie sie planen, ist ihre Privatsache.“ Die CLIA mische sich da nicht ein und analysiere auch nicht mögliche Gründe. Eines sagt Serrano dann doch: „Die jahrelange Kritik an den Kreuzfahrtschiffen in Palma hat sicher nicht geholfen.“

Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Palma. Manu Mielniezuk

Die freiwillige Regulierung

Und natürlich hat die freiwillige Selbstverpflichtung der Reedereien aus dem Jahr 2022 mit der Balearen-Regierung auch ihre Auswirkungen. Seit Beginn des Jahres 2023 dürfen laut dieser Regelung nur noch maximal drei Kreuzfahrtschiffe an einem Tag im Hafen von Palma festmachen. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn es gelten Sonderregelungen. So darf nur ein Schiff mehr als 5.000 Passagiere aufweisen, insgesamt dürfen es nicht mehr als 8.500 Kreuzfahrturlauber an einem Tag sein.

Ob es bei dieser Beschränkung auch über das Jahr 2026 hinaus bleibt, ist derzeit noch unklar. Kurz nach Amtsantritt der neuen konservativen Landesregierung setzte sich die Politik mit der Branche zusammen und dachte bereits laut über eine Flexibilisierung der Regelung nach. So könnten ab 2027 etwa in der Nebensaison wieder mehr Kreuzfahrtschiffe anlegen.

Nachhaltiges Steuerungssystem fehlt

Die freiwillige Beschränkung hat zwar immerhin dafür gesorgt, dass nicht mehr vier oder fünf große Schiffe gleichzeitig im Hafen festmachen, und in der Folge 20.000 oder mehr Urlauber auf denselben Routen durch die Altstadt geführt werden. Doch ein nachhaltiges Steuerungssystem für Urlauberströme fehlt weiterhin. Denn auch 8.500 zusätzliche Touristen in der Altstadt führten zu einer Überfüllung, kritisiert David López von der Bürgerinitiative „Plataforma contra els megacreuers“ (Initiative gegen die Megakreuzfahrtschiffe). „Und das ist keineswegs nachhaltig“, sagt López.

Jörg Boeckmann gibt ihm da recht. Er selbst hat fünf Jahre lang in der Nähe der Kathedrale gelebt und die Menschenmassen in der Altstadt hautnah miterlebt. „Ich fand das auch nicht schön.“ Diese Ströme clever zu regeln, sei zwar nicht einfach, müsse aber auch im Interesse der Urlauber versucht werden. Städte wie Dubrovnik oder Venedig, wo an ausgewählten Tagen inzwischen ein Eintrittsgeld für die Altstadt fällig wird, tun das bereits.

Und für Palma fordern es inzwischen auch die Fremdenführer. „Eine Ordnung der Touristenströme wäre für Einwohner wie für uns Fremdenführer positiv“, sagt Pedro Oliver, Leiter der Tourguide-Innung in Palma. Die Stadt Palma, der Inselrat und die Balearen-Regierung denken zwar über Konzepte zur Steuerung der Urlauber nach, noch gibt es aber keine konkreten Planungen. Man wolle dieses Thema nicht mit Regulierungen oder Verboten angehen, heißt es etwa aus dem Rathaus von Palma. Edita Navarro von der Anwohnervereinigung Sa Calatrava geht das auf die Nerven. „Wir brauchen endlich Beschränkungen, aber die Stadt setzt immer nur auf gute Ratschläge.“

Streitthema Nachhaltigkeit

Und da ist noch das zweite große Thema beim Kreuzfahrturlaub – die Umweltproblematik. Für CLIA-Präsident Serrano allerdings kein Problem. „Ich bin ein großer Verfechter der These, dass Kreuzfahrttourismus eine nachhaltige Branche ist, und wenn wir von Qualitätstourismus sprechen, sollte eigentlich jede Destination auf Kreuzfahrturlauber setzen“, sagt er. Die Branche habe sich wie kaum eine zweite Umweltschutzaspekte auf die Fahnen geschrieben.

Mit Einschränkungen bestätigt das Jörg Boeckmann, der allerdings auch sagt, dass es derzeit kein Schiff gebe, das „klimaneutral“ unterwegs sei. „Jedes Schiff, das heute neu gebaut wird, wird allerdings unter Nachhaltigkeitskriterien gefertigt.“ In Sachen Energieeffizienz seien die Schiffe auf dem neuesten Stand. Mehr und mehr würden alternative Antriebsformen gesucht, darunter beispielsweise das Flüssiggas LNG, das deutlich weniger CO2 freisetzt.

Das Kreuzfahrtschiff "Aida Cosma" im Hafen von Palma. Manuel R. Aguilera

Fortschritte bei der Umweltbilanz

Und auch bei der Nachrüstung älterer Exemplare tue sich etwas. Viele Kreuzfahrtschiffe würden mit sogenannten SCR-Katalysatoren ausgestattet, die den Ausstoß von winzigen Rußpartikeln und Feinstaub verringern. Einige Reedereien reduzierten auch die Geschwindigkeit der Schiffe, um weniger Treibstoff zu verbrauchen, oder planten ihre Routen nach möglichst spritsparenden Gesichtspunkten.

Der Naturschutzbund (Nabu) aus Deutschland beobachtet die Kreuzfahrtbranche mit Argusaugen und lobt die Entwicklungen. Es gebe „erste vielversprechende Ankündigungen“, die Hoffnung auf eine umweltfreundliche Kreuzschifffahrt machten. Vor allem seien es die Anbieter kleinerer Schiffe in Nordeuropa, die sich anschickten, Vorreiter für die Branche zu werden. Trotz der Fortschritte stiegen die Emissionen insgesamt aber weiter an. Besonders besorgniserregend sei der drastische Anstieg von Methan-Emissionen durch die LNG-Nutzung.

"Umweltauflagen im Hafen von Palma sind bescheiden"

Was Jörg Boeckmann nicht verstehen kann, ist eine gewisse Nachlässigkeit der Politik in Sachen Regulierung. So dürften in Palma weiterhin Kreuzfahrtschiffe anlegen, die Schweröl nutzen. „Die Umweltauflagen im Hafen von Palma sind bescheiden“, sagt Boeckmann. Manch andere Kreuzfahrthäfen, vor allem in Nordeuropa, hätten da vorgelegt und lassen keine Schiffe mehr vor Anker gehen, die mit Schweröl unterwegs sind. Auch könne er nicht verstehen, warum der Hafen von Palma keinen Landstrom anbiete, so Boeckmann. Dann könnten die Riesen während der Liegezeiten ihre Motoren abschalten und auf Elektroantrieb umstellen.

Das sei zwar eine schöne Idee, wirft David López ein, doch auf Mallorca nicht umzusetzen. „Es würde die Infrastruktur im Hafen überfordern, wenn diese riesigen Schiffe ans Netz angeschlossen würden“, sagt López. Eine Elektrifizierung des Hafens sei auf Mallorca nicht machbar. Auf der Insel gibt es zwar im Prinzip genügend Strom, allerdings müssen auch die Stromleitungen, die zum Hafen führen, für den nötigen Bedarf ausgelegt sein.

Wie ist das mit dem Feinstaub?

Und so lange das nicht so ist, blasen die großen Pötte ihre Abgase weiterhin den ganzen Tag über in die Luft. Wie groß genau die Belastung mit Feinstaub rund um den Hafen ist, lässt sich nicht ganz leicht klären. Je nach Quelle fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus. Eine Studie vom Dezember von der Universität Rovira i Virgili in Tarragona ergab, dass der Beitrag der Kreuzfahrtschiffe an der Luftverschmutzung in Palma „minimal“ ist.

Auch die Hafenbehörde hat ihre eigenen Messstationen in der Stadt und hat nach eigenen Angaben festgestellt, dass im Sommer der Schwefeldioxidgehalt in der Luft im Vergleich zum Winter absinke, weshalb für die Verschmutzung nicht die Kreuzfahrtschiffe verantwortlich sein könnten.

Für David López von der Initiative gegen die Megakreuzfahrtschiffe wiederum ist klar, dass die großen Pötte negative Auswirkungen auf die Luftqualität haben. Er hat sechs Messgeräte in der Stadt aufgehängt und kommt zu dem Schluss: Es gebe ganz klar einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und der Zahl der Kreuzfahrtschiffe im Hafen.

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