Mallorca Zeitung

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"Wollen den Leuten hier nichts Böses": Wie digitale Nomaden auf Mallorca leben – und sich eine Gemeinschaft aufbauen

Digitale Nomaden arbeiten von fast überall aus – gerne auch auf Mallorca. Kritik begegnen sie selbstbewusst, schließlich trügen sie zur Wirtschaft bei

Matthieu Zilas hat Palma Coliving vor vier Jahren gegründet. Nele Bendgens

Wie viele es genau sind, weiß keiner. Fest steht: Sie sind längst nicht mehr zu übersehen. Menschen, offenkundig Ausländer, die mit ihrem Laptop und Notizbuch im Café oder in der Bar sitzen, eifrig auf ihrer Tastatur tippen und arbeiten. Das seit der Pandemie so verbreitete Remote-Arbeitsmodell macht das möglich. Arbeiten geht jetzt von fast überall. Und leben auch, gerne am Mittelmeer, zumal wenn die Einkünfte in Deutschland, den USA oder Schweden erzielt werden.

Erste Kritik macht sich bemerkbar

Wie auch in anderen die Ausländer betreffenden Bereichen auf der Insel wird mittlerweile auch gegenüber den „digitalen Nomaden“ Kritik laut. Dass immer mehr von ihnen die Tische in den Bars und Restaurants blockieren, um von dort aus zu arbeiten, stört einige Gastronomen auf der Insel.

„Es gibt Leute, die regelrecht ihre Büros auf unseren Tischen ausbreiten“, sagt Toni vom Café La Molienda in Palma gegenüber der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“. Er habe die Nutzung von Laptops in seinem Café deswegen von 9 Uhr morgens bis 13 Uhr begrenzt. „Ich verstehe, dass sie von überall aus arbeiten können, aber das stundenlang in einem Café zu tun, ist auch nicht das Wahre“, ergänzt der Gastronom.

Leben und Arbeiten an einem Ort

Matthieu Zeilas hat in Palma einen Ort geschaffen, der digitalen Nomaden eine Ausweichmöglichkeit zu Cafés und Bars gibt. Im „Palma Coliving“ haben sie die Möglichkeit, kurzfristiges Wohnen und Arbeit zu verbinden. Vor vier Jahren hat der Franzose das Projekt gestartet. Mittlerweile bietet Palma Coliving digitalen Nomaden Unterkünfte in Barcelona, Valencia und Palma an. Das Konzept ist einfach: Man lebt und arbeitet gemeinsam mit anderen Gleichgesinnten im selben Gebäude. Neben den privaten Räumen stehen den Bewohnern Küchen, Sport- und Gemeinschaftszimmer sowie Arbeitsplätze zur Verfügung. Ein Einzelzimmer kostet ab 65 Euro die Nacht. Bis zu zehn Gäste können in einem der Häuser in Palma unterkommen.

Matthieu Zeilas bietet Coliving Spaces in Palma. Nele Bendgens

Eine Gemeinschaft aufbauen

Seit Mai gibt es in der Inselhauptstadt auch eine zweite Coliving-Unterkunft. Die Mindestanzahl an Tagen, die die Gäste bleiben müssen, variiert je nach Standort zwischen zwei Wochen und einem Monat. „Das liegt daran, dass die DNA von Palma Coliving darin besteht, eine Gemeinschaft aufzubauen. Es soll nicht nur ein Ort zum Arbeiten sein, sondern auch ein Ort zum Leben. Am Ende sind wir hier wie eine kleine Familie“, sagt Matthieu Zeilas, der selbst schon von einem Land zum anderen gezogen ist. „Deshalb führen wir auch vorher mit jedem potenziellen Gast eine Art Bewerbungsgespräch, um zu schauen, ob er oder sie zum Projekt passt“, sagt er. Grundsätzlich sei Palma Coliving aber für jeden offen. „Wir hatten hier in Palma schon Leute aus 25 verschiedenen Nationen bei uns.“ Das Alter der Gäste liege dabei meist zwischen 25 und 50 Jahren.

Von dem Projekt würde auch Mallorca profitieren, meint der Franzose. „Palma Coliving ist kein Tourismus-Projekt, wir wollen die Region wirtschaftlich unterstützen und auch einen kulturellen Austausch schaffen. Auf Mallorca haben wir deshalb mehrere Kooperationspartner. Wir suchen auch den Kontakt zu Leuten vor Ort“, sagt der Gründer.

Bei Palma Coliving können die digitalen Nomaden Wohnen und Arbeiten miteinander verbinden. | FOTO: PALMA COLIVING Jette Minks

Als digitale Nomadin um die Welt

Auch Kristin Holm hat das Angebot von Palma Coliving vor zwei Jahren genutzt. Die digitale Nomadin hat damals einen Monat von der Insel aus gearbeitet. „Coliving Spaces sind gerade dann zu empfehlen, wenn man den Ort noch nicht kennt und Anschluss finden will“, sagt sie.

Seit Ende März ist die selbstständige Expertin für Virtuelle Assistenz wieder auf der Insel. Diesmal wohnt sie allein in der Zweitwohnung von Freunden. Als digitale Nomadin ist die 37-Jährige seit zwei Jahren fast durchgängig weltweit unterwegs. Ob Portugal, Irland, Südafrika oder Mallorca: Holm ist an keinen Ort gebunden. „Wohin ich reise, entscheide ich oft spontan. Wie lange ich bleibe, ist von mehreren Faktoren abhängig. Die Flexibilität finde ich toll.“

Trotz Freiheit auch Herausforderungen

An dieser Lebensform schätzt die Kölnerin besonders die Freiheit: „Es ist schön, Orte mal nicht als Tourist kennenzulernen. Das Reisen habe ich schon immer geliebt, jetzt kann ich es auch mit meiner Arbeit verbinden“, sagt sie. Trotzdem sei es auch immer wieder eine Herausforderung, sich neu einzufinden und eine Routine zu finden. „Man muss bedenken, dass es sich dabei nicht um Urlaub handelt, sondern dass man arbeitet und auch Verantwortung trägt“, sagt Kristin Holm.

Kristin Holm arbeitet selbstständig als digitale Nomadin. | FOTO: E. FENTON Jette Minks

Positives Feedback von den meisten Cafés

Der respektvolle Umgang mit der Kultur und den Leuten vor Ort sei dabei wichtig. Sie selbst nutzt in Palma daher meist nur Cafés, die auch auf Co-Working ausgelegt sind. „Ich schaue vorher immer, ob es erlaubt ist und ob das Café entsprechend ausgestattet ist“, erklärt Holm. Wenn sie unsicher ist, frage sie immer direkt nach, ob es okay wäre, dort zu arbeiten. Von den meisten bekäme sie dann positives Feedback. „Ich würde sagen, dass das etwas ist, was die meisten digitalen Nomaden so handhaben“, fügt sie hinzu. „Wir wollen den Leuten hier nichts Böses. Eher im Gegenteil: Ich sehe im digitalen Nomadentum für die Wirtschaft sogar eine Chance, da wir über einen längeren Zeitraum an diesem Ort leben.“

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