Die gesamten sechs Wochen Sommerferien bei der Oma in Spanien zu verbringen, klang für meine deutschen Mitschüler immer paradiesisch. Und das war es auch irgendwo. Aber nicht alles lief so, wie sie es sich vielleicht vorstellten. Sonne, Meer und Eis gab es zwar täglich, aber auch Schulstoff. „Wir sind ein republikanischer Haushalt, und hier muss jeder arbeiten“, sagte meine baskische Oma gerne. Und während sie zusammen mit unserer Mutter einkaufen ging oder kochte, machten wir Kinder eben unsere Arbeit: Wir rechneten Brüche, büffelten Vokabeln und übten Instrumente. Nur sonntags hatten wir frei.

Unsere spanische Cousine musste derweil in ihren monatelangen Sommerferien alle möglichen Hefte abarbeiten, unsere deutschen Schulen verlangten so etwas nicht. Um der Oma gerecht zu werden und damit wir gegenüber der Cousine nicht bevorzugt wurden, überlegte sich unsere Mutter Übungen für meine Schwester und mich. In der Grundschule schrieben wir Texte ab, um unsere Schrift zu üben, später kamen die Brüche und Vokabeln hinzu. Je älter wir wurden, desto mehr klagten wir über die ein bis zwei Stunden am Tag, in denen wir „arbeiten“ mussten. Aber unsere Oma blieb dabei, dass wir sonst alles Gelernte wieder vergessen würden.

Nützliche Inhalte vergessen Kinder nicht so leicht

Die Angst, dass der Schulstoff in Vergessenheit gerät, beschäftigt auch heute noch die Eltern. Schließlich sind die Sommerferien in Spanien sehr lang. Wer hier Kinder hat, überlegt früher oder später zwangsläufig, was sinnvoller ist: Freizeit und dann der Schock im September oder doch Wiederholungen mit und ohne Arbeitshefte. „Wir Länder im Süden Europas haben das Problem, dass wir im Sommer wegen der Hitze kaum unterrichten können“, sagt David Guardiola. Der Grundschullehrer unterrichtet an der CEIP Rafal Vell in Palma. Allerdings sei es falsch, dass die Kinder in der Zeit alles vergessen: „Je wichtiger, nahbarer und nützlicher ihnen die Inhalte erscheinen, desto weniger werden sie sie vergessen.“

Trotzdem sei es manchen Familien wichtig, dass ihre Kinder produktiv sind und in den Ferien Hausaufgaben machen, sagt Guardiola. Auch das respektiere er. Es sei nie falsch, zusammen zu lesen oder je nach Niveau gewisse Übungen zu machen. „Kinder können auch viel aus einem Zeichentrickfilm lernen, wenn man ihnen die richtigen Fragen stellt“, sagt er. Lernhefte, mit denen die Schüler sich allein beschäftigen, hält der Lehrer dagegen für unnütz und sogar kontraproduktiv. „Das Kind wird währenddessen keine gute Zeit haben und daher Lernen nicht mögen.“ Guardiola betont, dass es vor allem wichtig sei, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen.

Viele Eltern auf Mallorca haben gerade im Sommer keine Zeit für ihre Kinder

Gerade das können sich aber nicht alle Eltern leisten, erzählt Nadia Lassel. Sie unterrichtet Spanisch für Schüler im Alter von 12 bis 16 Jahren an der IES Joan Alcover in Palma und kennt das Problem der langen Sommerferien aus zwei Gesichtspunkten: als Lehrerin und als Mutter. „Viele Eltern aus meiner Klasse melden ihre Kinder in Feriencamps an, in denen die Jugendlichen weiter lernen. Nicht, weil sie unbedingt wollen, dass ihre Kinder Ingenieure werden, sondern weil sie selbst arbeiten müssen“, erzählt sie. Viele Mallorquiner sind im Tourismus beschäftigt und müssen im Sommer viel arbeiten.

Für Eltern, die Zeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern, sieht es aber Lassel genauso wie Guardiola. „Einfach nur zu wiederholen, finde ich absurd“, sagt sie. Der Sommer sei ein Moment, um das weiterzuentwickeln, was die Kinder gern machen. Zum Beispiel könne ihr Interesse für Sport oder Kunst gefördert werden. „Alles, was die Kinder vergessen, können sie zu Beginn des Schuljahres schnell wieder lernen“, sagt sie. Eine gewisse Struktur im Alltag versuche sie ihren Kindern auch in den Ferien zu geben, aber insgesamt sieht sie den Sommer als eine Zeit, in der Schüler und Schülerinnen abschalten können sollten.

Mindestens zwei Wochen frei von Hausaufgaben

Wer mit seinem Kind im Sommer trotz allem Schulstoff wiederholen will, kann ein paar grundlegende Tipps von Lola Álvarez befolgen. Sie ist Mitglied der Abteilung „Programa de Orientación y Transición a la Universidad (PORT-UIB)“ der Balearen-Universität, in denen zum einen der Übergang in die Universität erleichtert werden soll, zum anderen aber auch Eltern von Jugendlichen bei Vorträgen Tipps bekommen. „Es sollten feste Lernzeiten ausgemacht werden, zum Beispiel eine Stunde am Tag. Sonst kann sich das Lernen unendlich hinziehen oder zu kurz kommen“, erklärt sie.

Außerdem solle das Kind einen passenden Lernraum mit einem Tisch und Licht bekommen sowie genügend Pausen. Wenn ein Kind in einem gewissen Fach Probleme habe, sei ein Nachhilfelehrer oft eine gute Idee. Und auch Álvarez betont, dass im Sommer die Entspannung nicht zu kurz kommen darf: „Wichtig ist es, dass es mindestens zwei Wochen gibt, in denen die Kinder komplett frei von Verpflichtungen und Lernstoff sind.“ Wenn das meine Oma gewusst hätte, wäre vielleicht auch der Samstag frei gewesen.