Olivenbäume sind die Jazzmusiker unter den Pflanzen. Jeder von ihnen wächst ein wenig wie er will, mal in die Breite, mal in die Höhe, hin und wieder nach unten. Es gibt Bäume mit Löchern, andere mit zwei Stämmen, die ineinanderwachsen. Es wirkt wie eine durchgehende Improvisation der Natur. Und ihr Ergebnis, die Oliven, mögen nicht jedem schmecken, aber wer sie mag, für den sind sie die schönste Musik.

Der Weg durch die Felder von Aubocassa bei Manacor ist fast wie ein Waldspaziergang, umgeben von Tausenden dieser Improvisationskünstler. Nicht einmal die Menge oder Farbe der Oliven sind dabei gleich. Manche Bäume sind prall mit Früchten bedeckt, andere tragen nur wenige. Je mehr Oliven ein Baum hat, desto grüner sind die Früchte noch.

Ernte mit Vibrationstechnik

So kommt es an diesem Tag vor, dass der Vorarbeiter Pep und seine Männer einen Baum mit fast nur schwarzen Früchten und direkt danach einen mit fast nur grünen ernten. Dann sieht es aus, als würden die Jazzmusiker zu einem unhörbaren Rhythmus tanzen. Ein großer Traktor spannt um den Baum eine blaue Plane, eine Maschine bringt den Baum zum Vibrieren. Dabei schüttelt sich die Pflanze, die Oliven fallen zum größten Teil auf die Plane, fliegen aber auch quer durch das Feld.

Was nach dem Schütteln noch dran bleibt, holen die Erntemänner mit eigenen kleinen Vibrationsmaschinen gezielt vom Baum. Die Ernte mit sogenannten Rüttelmaschinen soll für die Bäume genauso schonend sein wie die von Hand, aber schneller gehen. Früher wurden Oliven mit Stöcken von den Bäumen geschlagen und mit einem dichtmaschigen Netz aufgefangen. In der Tramuntana ernten die Bauern bis heute ihre Oliven auf traditionelle Art. Denn Rüttelmaschinen funktionieren nur auf ebenen Flächen.

Eine Maschine trennt die Früchte von den Blättern und Zweigen. |

Doch traditionelle Ernte wird es in diesem Herbst nur wenig geben. Das sagt Joan Mayol, der Präsident der Herkunftsbezeichnung DO Oli de Mallorca, unter der sich die lokalen Olivenbauern zusammengeschlossen haben. „Die traditionellen Felder im Tramuntana-Gebirge werden nicht bewässert und haben deswegen stark unter der Trockenheit in diesem Jahr gelitten.“ Vor allem der ausbleibende Regen im Mai habe der Ernte geschadet. „Viele der Blüten sind vertrocknet und daher gab es weniger Früchte“, erklärt Mayol, der auch selbst ein Olivenbaumfeld betreibt. Viele der Bauern würden mit der Hälfte der üblichen Ernte rechnen. „Auf die gesamte DO verteilt haben wir wahrscheinlich einen Einbruch von 25 Prozent“, sagt Joan Mayol.

Neben der Menge hat der heiße Sommer auch zwei weitere Nebeneffekte. Zum einen hat die Ernte fast einen Monat früher begonnen als in anderen Jahren, als erst im November die Früchte reif wurden, zum anderen erwartet Mayol eine gute Ölqualität. „Die Hitze hat auch der Olivenfruchtfliege zugesetzt, und ohne diese Plage sind unsere Früchte viel gesünder“, sagt der Landwirt. Wie viel genau die Olivenbauern Mallorcas ernten und welche Qualität das Öl hat, kann Mayol erst in ein paar Wochen sagen, wenn alle Betriebe fertig geerntet haben. Während manche wie Aubocassa bereits seit dem 10. Oktober die Oliven vom Baum rütteln, haben andere noch nicht damit begonnen.

Die Oliven werden in drei verschiedenen Farben geerntet. |

Bei dem Premium-Olivenöl-Produzenten Aubocassa sind auch die grünen Früchte erwünscht. „Wir suchen die Mischung der verschiedenen Reifegrade“, sagt Tiffany Blackman. Die US-Amerikanerin arbeitet seit zehn Jahren in der Vermarktung des schon vielfach ausgezeichneten Aubocassa-Olivenöls. Manchmal sind diese verschiedenen Reifegrade an einem einzelnen Baum zu finden. Blackman zeigt den Zweig von einem der Bäume, den die Mitarbeiter an diesem Oktobertag abernten wollen. Grüne Oliven hängen direkt neben roten und schwarzen.

Je dunkler, desto mehr Öl

Je reifer und dunkler eine Frucht ist, desto mehr Öl gibt sie ab, die grüneren Oliven dafür sind herber, „frischer“. Die Mischung soll für den idealen Geschmack sorgen. „Wenn wir zu lange warten, müssten wir außerdem Oliven aufheben, die auf den Boden gefallen sind und das wollen wir nicht“, sagt Tiffany Blackman. „Wir wollen hier frisch gepressten Olivensaft machen und dafür nutzen wir nur Früchte, die wir kurz davor vom Baum pflücken.“ Die Oliven werden noch auf der Finca gepresst, damit dieser „Saft“ möglichst frisch in die Behälter kommt.

Die teils noch unreifen Früchte führen dazu, dass bei Aubocassa mehr Oliven für den gleichen Ertrag gebraucht werden. Im Schnitt presst der Betrieb aus 8,5 Kilogramm Oliven einen Liter Öl. Blackman erzählt, dass andere für einen Liter nur 4,5 Kilogramm brauchen. Die mallorquinischen Bauern und Betriebe können in der Menge und beim Preis nicht mit den riesigen Olivenbaumfeldern auf dem Festland mithalten. Daher konzentrieren sich die DO-Mitglieder auf Qualität, verkaufen lokales Premium-Öl zu vergleichsweise hohen Preisen.

Tiffany Blackman auf dem Olivenbaumfeld von Aubocassa. |

Aubocassa gehört dabei mit fast 8.000 Bäumen auf 24 Hektar zu den großen Betrieben. Die Besitzerfamilie Rotllant, der auch die Bodega Roda in der Rioja gehört, kamen vor 24 Jahren auf die Insel und kauften das mallorquinische Anwesen aus dem 12. Jahrhundert. Mit alten Gemäuern, großen Zypressen und einer weiten Aussicht ist diese Finca aus der maurischen Zeit eine Welt für sich, durch die Tiffany Blackman gerne führt. Geplant war hier eigentlich ein Weingut, doch nach Bodenanalysen beschloss die Winzerfamilie, lieber Olivenbäume anzupflanzen.

Die forasteros, wie Festlandspanier von Mallorquinern bezeichnet werden, wurden anfangs Blackman zufolge misstrauisch beäugt. Sie hätten vieles anders gemacht als auf der Insel üblich: Sie bauten ihre Bäume auf der Ebene statt in der Tramuntana an, nutzten mit der Arbequina eine ungewöhnliche Olivensorte. „Es hat der Familie geholfen, dass sie nicht aus der Olivenbranche kamen, dadurch hatten sie einen frischen Blick“, sagt Blackman. Inzwischen ist Aubocassa mehr als etabliert. Ihr Hauptgeschäft sind die zwei Olivenöle: Aubocassa aus Arbequina-Oliven (Doppelpack à 250 ml 19,80 Euro) und l’Amo, für das sie zusätzlich Picual-Oliven aus benachbarten Fincas einkaufen (Doppelpack à 250 ml 18,40 Euro). Besucher können beide probieren und bei einem geführten Spaziergang durch das Anwesen die Olivenbäume betrachten. In all ihren Formen.