Die Frage kommt der Bedienung am Tresen der Bar Molta Barra in Palma über die Lippen wie das Natürlichste von der Welt: "Wollt ihr einen vermú mit oder ohne Show?" Bitte was? Ehe man weiß, wie einem geschieht, erscheint Juan Carlos Montoro auf dem Plan und entführt seine Gäste in eine Parallelwelt innerhalb der Bar, ein Universum voller Flaschen, Musik und Kuriositäten. An diesem Freitag (9.7.) hat er sich eine Art Schürze mit einem großen gelben Punkt umgebunden, auf dem "Soy la luna" steht, sein Assistent ist eine Gummi-Stiermaske mit aufgemalten Herzen. "Das ist der Stier, der in den Mond verliebt ist, aus dem Lied ‚El toro enamorado de la luna", erklärt er fröhlich zur Begrüßung.

Weniger unbedarfte Besucher kennen den bärtigen Spanier natürlich: Zehn Jahre lang betrieb er die sympathisch-schräge Bar Sifoneria, erst in der Altstadt gemeinsam mit der Deutschen Uta Gritschke, später in El Terreno. Ihr Reiz bestand in Spielen mit den Gästen, die dort Teil einer improvisierten Show werden konnten. Mit 30 oder 40 fremden Menschen munter Kostüme und Masken zu tauschen, war jedoch in Zeiten der Pandemie kein überlebensfähiges Konzept. Nun spielt Montoro selbst den Clown, wie er sagt.

Die Sifoneria lebt in einer anderen Bar weiter

Die Molta Barra war vor Corona Zentrum der Tapas-Route Ruta Martiana. Jetzt hat die Bar Montoro im Angebot. Er dürfe sich im ersten Stock austoben, wie es ihm beliebt. "Die Sifoneria lebt, aber als Hausbesetzer innerhalb einer anderen Bar", so Montoro. Das mache ihm fast noch mehr Spaß, er habe sich ohnehin verwandeln wollen: "Statt eine Bar zu betreiben, möchte ich selbst eine gigantische Wermutflasche sein!" Die Berufskleidung: eine aus recyceltem Plastik gehäkelte Mütze in Form eines Sodaspender-Deckels. Seit September spielt der sifonero seine Shows, mit Unterbrechung wegen der Restriktionen.

Mittwochs, donnerstags und freitags ab 20.30 Uhr ist es nun Zeit für den Sifovermut musical. Dann hat man die Qual der Wahl zwischen zwei Varianten, um die in Wermut konservierte Magie der Siphonflaschen zu erleben. Variante eins: Man bekommt ein leeres Glas mit Eiswürfeln und Orangenscheibe und folgt Montoro, beziehungsweise der Flasche, in den ersten Stock. Dort wartet das geballte Sifoneria-Erlebnis: ein Raum der Reizüberflutung aus Lichtern, Flaschen, Farben, Videos und Requisiten. Dort spielt Montoro zum vermú, der aus einer geschichtsträchtigen Sodaflasche kredenzt wird, einen exklusiven Song auf dem Plattenspieler – fast schon gepflegte Abendunterhaltung. "Das ist ein 5-Sterne-Service, den bekommt man sonst nirgendwo!", so Montoro. Das Zimmer sei zudem ein romantischer Ort für das erste Date. "Wenn du mit jemanden herkommst, der dir gefällt, dann zwinker mir einfach zu. Ich lege dann ein besonders langsames Lied auf und lasse euch allein", sagt er mit vielsagendem Blick.

Für jeden Gast wird eine Platte aufgelegt. Auf ihr notiert der „Sifonero“ Name, Nummer und die Zahl der konsumierten Wermuts.

Die zweite Möglichkeit: Man möchte lieber unten am Tisch sitzen bleiben. Für solche Fälle gibt es den sifovermut mit Kassette. "Bei der ersten Variante musst du zur Musik kommen, bei der zweiten kommt die Musik zu dir. Das ist wie mit dem Berg und dem Propheten", erklärt Montoro. Die Show am Platz sei "ein bisschen absurder und lustiger, weniger intellektuell und intim". Beim ersten sifovermut am Tisch komme eine "Vorband", beim zweiten sind die Stars an der Reihe – el trío sifónico (er selbst mit Verstärkung von Masken, Puppen oder Plüschtieren) – und singen Playback zum vermú. Damit keine Langeweile aufkommt, hat er ein wechselndes Repertoire mit je 20 "Vorgruppen" und 20 "Hauptbands".

Je mehr Drinks, desto mehr Prämien

Wermut mit Spektakel kostet 3,30 Euro, es gibt keinen Aufpreis. "Vielleicht habe ich das falsche Getränk gewählt, alle bestellen gerade Bier", sinniert Montoro, als er auf neue Kundschaft wartet. Wer nie einen Wermut bestellt, dem bleibt die Show von vornherein verwehrt. Endlich ordert eine Gruppe feierwilliger junger Frauen – eine von ihnen hat Geburtstag, eine heiratet, und eine lässt sich scheiden – drei sifovermuts mit Kassette. Montoro performt den Song "Unidos" mit Unterstützung einer wackelnden Gummipuppe und einem Umschnall-Compañero. Die Frauen singen mit, eine steht auf und tanzt.

Wenn man einmal seine Ruhe wolle, könne man sich auch einen sifovermut clásico bestellen, erklärt Montoro später. "Dann ist die Sifoneria nur im Geiste mit dabei." Sozusagen als Flaschengeist. Die erste Schallplatte, die man übrigens auch bei der Kassetten-Show erhält, bleibt etwas Besonderes: Darauf notiert Montoro den Namen, eine Nummer und alle in Zukunft konsumierten vermús. Bei vier Drinks bekommt man einen Likör gratis, den sifochupito, weitere Prämien nach 16, 33 und 45 Drinks. Die Zahlen sind kein Zufall, sondern eine Anspielung auf die Umdrehungen von Schallplatten. "Innerhalb des Chaos ist das alles sehr gut durchdacht." Der nächste Neukunde heute werde die Nummer 321 bekommen. Wiederholungstäter sind nicht mit eingerechnet: Wie bei der spanischen NIE-Nummer behält man seine Sifovermut-Nummer auf Lebenszeit.

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Alte Sifoneria-Stammkunden aus den ersten Jahren der Bar befällt beim Wermut oft Wehmut, erzählt Montoro: Sie wünschten sich die goldenen alten Zeiten zurück, in denen die Bar über weitläufige, eigene Räume verfügte. Vielleicht ein Trost: In ein paar Monaten, wohl ab September, will der sifonero eine neue Idee umsetzen und nahe der Bar Flexas eine kleine Weinhandlung eröffnen, die mit dem jetzigen Format kombiniert werden soll.

Bis dahin lebt die wandelnde Flasche in der Molta Barra ihre unerschöpfliche Kreativität aus. Und die ist ansteckend: Nach einer Weile in der Sifón-Wunderkammer erinnert die Lampe in der Ecke schon an den Mond. "Das ist eine sehr gute Idee", sagt Montoro anerkennend. "Ich sollte sie mir gleich vor den Bauch binden."