Manacor mag nicht die schönste Stadt Mallorca Stadt sein – doch in puncto Shopping hat sich die Hauptstadt des Inselostens in den vergangenen Jahren gemausert. Zahlreiche kleinere und größere Läden ziehen vor allem auch in der Vorweihnachtszeit all jene an, denen Palma zu wuselig ist. Die neue Verkehrsberuhigung im Zentrum macht das Bummeln zusätzlich attraktiv. Neben neuen Szenecafés und hippen Modeläden gibt es aber auch die altehrwürdigen: Familienbetriebe, die sich seit Jahrzehnten und über Generationen hinweg durchgesetzt haben und noch heute vor allem von ihrer treuen Stammkundschaft zehren.

25 Betriebe führt die balearische Landesregierung nun in einer Liste mit dem Titel „emblematische Traditionsgeschäfte“ auf. Bisher bedeutet dies nicht viel mehr als eine Ehre für die Inhaber – finanzielle Unterstützung ist damit nicht verbunden. Und auch eine gezielte Werbekampagne, um diese Läden auch für Auswärtige bekannter zu machen, plant die Landesregierung nicht. Die MZ hat sich einen Vormittag lang von einem Traditionsgeschäft zum nächsten treiben lassen. Fast alle Inhaber haben eines gemein: Sie können sich deshalb über Wasser halten, weil die Räumlichkeiten ihrer Betriebe seit Jahren in Familienbesitz sind. „Müssten wir Miete zahlen, wären wir schon längst weg vom Fenster“, sagen viele. Und: Für sie alle ist ihre Arbeit eine Herzensangelegenheit.

Für jeden die richtige Kaffeestärke

Bel Maria Frau fühlt sich wohl in der gut laufenden Kaffeerösterei ihres Opas. Sophie Mono

Schon der Geruch, der jedem entgegenschlägt, der die gläserne Eingangstür des Cafés Samba an der Avinguda de Baix d’es Cos öffnet, macht Lust zu verweilen. Intensiver könnte es kaum nach frischem Bohnenkaffee riechen als hier, wo die Familie Frau in dritter Generation röstet. „Der Vater meines Vaters begann 1940 mit dem Verkauf von Kaffee, er tat, was er konnte, um heranzukommen“, erzählt Bel Maria Frau – und spielt auf Schmuggel an. Sie ist die jüngste von vier Geschwistern, die den Kaffeebetrieb heute führen. Der Opa habe schnell gemerkt, dass es sich lohnt, den Kaffee nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu rösten. „Er fing mit dieser alten Maschine an“, sagt Frau und deutet auf ein schwarzes Metallgestell im Verkaufsraum. Hier ist mittlerweile auch ein kleines Café eingerichtet. „Unsere Haupteinnahmen erzielen wir aber mit dem Verkauf von Bohnen oder gemahlenem Kaffee an Hotels, Restaurants und Privatleute im ganzen Inselosten.“ Die Kunden könnten dabei zwischen verschiedenenen Kaffeestärken und einer breiten Preisspanne wählen. Die Spezialität: Eine eigene Mischung aus Robusta- und Arabica-Kaffee, zu haben für 12 Euro im Kilo. Verkaufstafeln über antiken Spiegelverschlägen verraten: Im Samba gibt es Kaffee aus aller Welt, von Australien, Indien und Vietnam über Äthiopien, Kenia und Uganda bis nach Costa Rica, Brasilien und Kolumbien. „Für mich war es immer klar, dass ich einmal hier einsteige, wie alle aus meiner Familie“, so Frau. Eine gute Entscheidung: „Seit Corona haben wir auch immer mehr Privatkunden.“

Musik für alle und jeden

Leihinstrumente schon für die Kleinsten in der Casa Martí. Sophie Mono

Wer den Carrer de s’Estrella in westlicher Richtung entlangläuft, der geht genau darauf zu: Das Musikgeschäft Casa Martí mit seinen großen Schaufenstern erregt Aufmerksamkeit. Und die im Inneren ausgestellten Instrumente erst recht. Von der Triangel über das E-Piano bis zum Kontrabass ist hier alles zu haben, was Musiker brauchen – oder die, die es noch werden wollen. „Wir verkaufen Instrumente, aber vor allem vermieten wir sie auch“, berichtet eine Verkäuferin. „Immer mehr private Akademien oder Schulen setzen auf Musik, das kommt uns sehr zugute.“ Dass möglichst viele Menschen möglichst viele Arten des Musizierens praktizieren sollten, war schon vor fast 60 Jahren die Vision von Antonio Martí. Ein Gemälde über dem Verkaufstresen erinnert an den Geschäftsgründer. Seine Leidenschaft lebt weiter: Mittlerweile betreibt seine Tochter Maria Antònia Martí auch Filialen in Palma und auf den Nachbarinseln.

Das passende Stück für den schicken Herrn

Verkäuferin Joana Casals im Herrenmode-Laden Borcal. Nele Bendgens

Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Tomeu Bordoy den Modeladen Borcal in Manacor eröffnete. Und noch immer schaut der mittlerweile 83-Jährige täglich im Geschäft am Carrer de l’Amistat vorbei, auch wenn es offiziell sein Sohn Bernardino führt. „Ihr habt ihn knapp verpasst, er war gerade da“, so Verkäuferin Joana Casals. Wenn Anzüge gekürzt oder Jacketts angepasst werden müssen, dann greifen Bordoy und seine Frau Maria Caldentey noch immer selbst zum Nähzeug. Früher konnten die Kunden auch eigene Kleidung zum Flicken oder Ändern bringen, heute beschränkt sich der Service auf im Laden erstandene Ware. „Männer ab 30“ ist die Zielkundschaft, der Stil „klassisch, aber auch modern, ohne zu übertreiben“, so Casals. Ein Gros der Kunden seien Menschen von hier. „Bis vor Kurzem hatten wir nicht einmal eine Kasse, ich konnte keine Tickets für den Umtausch ausdrucken. Es lief alles über Vertrauen. Man kennt sich hier.“

Stoffe in jeder möglichen Facette

Maria Antònia Fuster war die Einzige, die den Familienbetrieb übernehmen wollte. Sophie Mono

Ob Leinen, Seide, Baumwolle oder Leder, ob gemustert, gestrickt, glitzernd oder gebleicht – Maria Antònia Fuster findet in ihrem Stoffladen Can Fernando am Carrer del Rei Jaume II für jeden Kunden die passende Textilie, persönliche Beratung inklusive. Eigentlich hat sie Psychologie studiert. Doch da war nun mal der Familienbetrieb, der seit 1880 besteht („oder vielleicht noch länger, aber bis zu dem Jahr liegen Dokumente vor“). Den schon ihr Urgroßvater betrieb, der in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ein richtiger Nachbarschaftstreffpunkt war, und an dem ihre Geschwister so gar kein Interesse zeigten. „Also bin ich hier“, so die 56-Jährige. Die großen Räumlichkeiten wirken etwas abgenutzt, aber geräumig und sind Familieneigentum. Fuster selbst wohnt mit Mann und Sohn im Obergeschoss. Ihre Kunden: Privatleute, Kunsthandwerker, Schulen, Hotels oder mal das Rathaus. „Ich komme zurecht. Aber größere Ausgaben sind nicht drin.“

Süsse Leckerein mit uruguayischer Note

Antònia Roca und ihre Geschwister passen die alten Gebäckrezepte teils an. Nele Bendgens

So ganz genau hat Antònia Roca den zeitlichen Ablauf nicht mehr im Kopf. „Meine Urgroßeltern waren von hier, lebten aber lange in Uruguay und kamen irgendwann wieder“, erzählt sie. Sicher ist nur: 1931 eröffneten sie die kleine Konditorei Pastisseria Can Roca und etablierten eine gewagte Mischung aus mallorquinischen und uruguayischen Backspezialitäten. „Mit der Zeit haben wir sie etwas abgewandelt, man muss ja den Geschmack von hier bedienen“, so die Urenkelin augenzwinkernd. Sie führt den Laden heute mit ihren zwei Geschwistern. Statt der südamerikanischen Karamellcreme dulce de leche verwenden die Rocas seit Jahren die mallorquinische Puddingcreme flan. Auch das typisch uruguayische pan dulce hat im Can Roca mittlerweile die Form mallorquinischen Brots angenommen. „So gefällt es den Kunden“, sagt Antònia Roca. Das Lokal mit Stuck an den hohen Decken und verschnörkelten Glasvitrinen mutet dagegen noch immer an wie anno dazumal. „Unsere Spezialität ist das pastís de pobre.“ Eine Blätterteig-Creme-Variation, die ihr Onkel einst aus Backresten kreiert hatte und die bei seinen Freunden schnell zum Renner wurde. „Durch die Pandemie haben wir natürlich auch Einbußen gehabt, aber es geht uns doch so gut, dass drei Familien von der Konditorei leben können“, so Roca. Sie selbst sprang schon als Kind zwischen den Verkaufstresen und der Backstube herum und kann sich keinen anderen Beruf vorstellen. „So lange es unseren Kunden schmeckt, kommen sie.“

Persönliche Beratung statt Abfertigung

Tomeu Nicolau setzt auf die Stammkunden wie anno dazumal Nele Bendgens

Die Waschmaschine bei Amazon, die Mikrowelle direkt beim Händler im Internet – Online-Shopping ist bequem. Doch wer vor dem Kauf gern selbst Hand anlegen möchte, kommt um einen Besuch im Fachgeschäft nicht herum. Wenn man dann noch persönliche Beratung und Expertise erwartet, sind die kleinen Haushaltswarengeschäfte im Vergleich zu großen Ketten die beste Option. Das versuchen zumindest Tomeu Nicolau und sein Bruder seit Jahren zu zeigen. Ihr Geschäft Nicolau-Can Mio hatte ihr Großvater – Tomeus Namensvetter – 1948 gegründet. Ein Schwarz-Weiß-Foto von ihm hängt noch immer hinter der Kasse. „Eigentlich war es eher eine Eisenwarenhandlung, es gab ja kaum elektrische Haushaltsgeräte“, so Nicolau. Waschmaschine, Fernseher, Geschirrspüler und Co kamen in Spanien erst in den 60er-Jahren auf. Damals erweiterte ihr Vater die Ladenfläche am Carrer d’En Joan Lliteras immer weiter. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist es vor allem der gute Ruf, der den Betrieb rettet. „Wir nehmen auch kleinere Reparaturen oder Montagearbeiten vor, vor allem aber beraten wir unsere Kunden sehr persönlich, und das scheint den Leuten zu gefallen“, so Tomeu Nicolau. Urlauber oder ausländische Residenten kämen nur selten, Mallorquiner dafür umso mehr. Auch beim MZ-Besuch ist der Laden gut gefüllt. „Unser Großvater hatte großen Gefallen an Lampen. Die haben wir natürlich auch noch im Programm.“ Sie hängen ganz vorne, im Eingangsbereich. Unübersehbar.

Delikatessen und ein gemütliches Plätzchen

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