Vielleicht sind Sie beim Einkaufen im Carrer Sindicat in der Innenstadt von Palma de Mallorca schon einmal in der Bäckerei s’Estació gelandet und nach dem Eintreten kurz erschrocken: Da der Boden aus Glas ist, können Besucher den Bäckern im Untergeschoss beim Schuften zusehen. Und hart gearbeitet wird an diesem Ort schon sehr lange. Bereits im Jahr 1870 eröffnete dort eine Konditorei, damals noch unter dem Namen „Antigua Casa Pujadas“. 2013 war dann Schluss, und s’Estació richtete sich nach einem Umbau in dem Lokal ein.

Die für ihren Glasboden bekannte panadería ist nur eines der Lokale auf der Insel, die sich etwas Neues ausgedacht haben, aber gleichzeitig lange bestehende Traditionen wahren. Diese comerços emblemàtics will die Balearen-Regierung besonders fördern. Durch eine groß angelegte Initiative sollen besondere Lokale nicht nur in Palma, sondern inselweit unter Einheimischen wie Urlaubern bekannter gemacht und gewürdigt werden. Dafür hat die Landesregierung eine reich illustrierte und informative dreisprachige Website ins Leben gerufen (emblematicsbalears.es). Bereits mehr als 100 Inselgeschäfte finden sich in dem Portal. Auf Mallorca sind bislang die Gemeinden Alaró, Consell, Esporles, Inca, Llucmajor, Manacor, Marratxí, Pollença und Santanyí vertreten. Wer die Kriterien erfüllt, entscheiden jeweils die Rathäuser.

Im Antiquariat Bazar del Libro in Palma. DM

Geplant ist, in einer zweiten Projektphase auch die Lokale einer bereits seit 2018 bestehenden ähnlichen Liste von Palma aufzunehmen. Auch diese wächst weiter. Aufgenommen werden jetzt weitere acht Betriebe, darunter auch die Glasboden-Bäckerei s’Estació. Ebenfalls neu dabei sind die Bar Cristal, das Antiquariat Bazar del Libro, das Lebensmittelgeschäft Colmado Can Mandeu, der Schneidwarenladen Cuchillería Sineu, die Floristería Abolengo, die Eisdiele Helados Can Miquel sowie der Stoffladen Tejidos Bellver. Insgesamt 99 traditionsreiche Lokale sind in dem catálogo aufgeführt.

Wer sich die Auszeichnung verdienen und damit auch finanzielle Hilfen bekommen will, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Entscheidend kann zum einen das Alter sein: Infrage kommen im Fall von Palma Lokale, die vor 1940 eröffneten oder mit einer Betriebszeit von 75 Jahren aufwarten können, wie eine Sprecherin des Rathauses erklärt. Auch eine „besondere“ Geschäftstätigkeit werde gewürdigt, wenn also Kulturgut bewahrt oder traditionelle Handwerkstechniken gepflegt werden. Erfüllen Lokale beide Kriterien, landen sie in der Kategorie 1, im Falle von nur einem in Kategorie 2. Die Kriterien der von der Balearen-Regierung betreuten Website sind ähnlich, beim Alter ist man aber etwas toleranter: Auch Geschäfte, die seit 50 Jahren aktiv sind, können aufgenommen werden. Zudem sollten sie möglichst ganzjährig geöffnet sein.

Der nahe der Plaça Santa Eulàlia in Palma ansässige Buchladen Bazar del Libro etwa ist in der Kategorie 2 der Palma-Liste aufgeführt: Das Geschäft erfüllt das Kriterium der „besonderen Geschäftstätigkeit“ (actividad singular), da das Antiquariat auf den Verkauf gebrauchter Bücher spezialisiert ist. Von dieser Art Buchläden gibt es in der Balearen-Hauptstadt nur noch sehr wenige. Juan Antonio Cantarellas und seine Frau Cati Bauçà übernahmen das Geschäft 2011. Auch aus sentimentalen Gründen – nur von den Einnahmen leben können sie leider nicht. Das Lokal und der Lagerraum nebenan beherbergen 120.000 Bücher, Plakate oder Drucke. Auch viele Bestellungen aus dem Ausland treffen hier ein.

Korb- und Flechtwaren in der Esparteria Ca'n Toni Blancos in Inca. Ca'n Toni Blancos

In dieselbe Kategorie aufgenommen dank ihres Gründungsjahres wurde die Florestería Abolengo in Palma. 1930 schon verkaufte die Mutter von Juana und Margarita Noguera auf dem Markt in Palmas Innenstadt Blumen. Es folgte ein Umzug auf die Ramblas und im Jahr 1999 an die Avenidas, wo das Geschäft heute in dritter Generation geführt wird.

Das neue Portal der Landesregierung zeigt nun, welche Schätze es auch außerhalb Palmas zu entdecken gibt. Die Qualitätsprüfung bestanden hat etwa die Esparteria Ca’n Toni Blancos in Inca, die schon seit 1940 Korb- und Flechtwaren anbietet. Damals eröffneten Maria Martínez und Andreu Ramis das Geschäft. Später übernahmen Sohn Toni Ramis und dessen Frau Maria Lluïsa. Sie sind nun dabei, ihre drei Töchter und damit die dritte Generation in die Welt des Espartograses und der Flechtarbeiten einzuführen.

Nicht immer verläuft die Unternehmensgeschichte kontinuierlich, wie das Objetario in Llucmajor zeigt. Als Jordi Noguera das Geschäft einst 1888 eröffnete, gingen Aspirin, Schwefel oder Vanillepulver über den Ladentisch. Tochter Margalida setzte weiter auf die alten Kaffee- und Gewürzmühlen. Nach einer Schließung über eine Zeit von 25 Jahren und einem Umbau 2018 führt den Laden nun die Valencianerin Lucía Contreras. Es gibt Deko-Artikel und Handwerkskunst, geblieben ist aber das Interieur des Traditionsgeschäft.

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Der Verkaufsraum der 1711 gegründeten Bodega Ribas. Bodega Ribas