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Im Hotel der glücklichen Rentner auf Mallorca

Nach zwei Jahren Pause können spanische Senioren mit dem Imserso-Programm wieder billig reisen. Ein Ortsbesuch im Hotel Samos in Magaluf

Im Hotel der glücklichen Rentner auf MallorcaNele Bendgens

Die zwei älteren Ehepaare aus Galicien nehmen das regnerische Mallorca-Wetter mit Humor. Zum einen, weil es in ihrer Heimat häufig genug vom Himmel tröpfelt, zum anderen, weil sie einfach nur froh sind, nach zwei Jahren Pandemie wieder zu reisen. „Heute bleiben wir hier und spielen“, sagt Carmen und teilt Karten an ihre Mitspieler aus. „Wir wollten eigentlich Palma besichtigen, aber im Regen macht das keinen Spaß.“

Imserso gibt es bereits seit 1978

Die Gruppe sitzt im Hotel Samos in Magaluf, wo in diesen Wochen mehrere Tausend spanische Rentner Quartier beziehen und damit die Nebensaison beleben. Gekommen sind sie mit dem sogenannten Imserso-Programm, einer seit 1978 existierenden Initiative der spanischen Regierung, um zum einen Senioren günstige Reisen im eigenen Land zu ermöglichen und zum anderen den Tourismus in den klassischen Urlaubergebieten des Landes in der Nebensaison anzukurbeln.

Zwei Jahre war wegen der Pandemie nun Pause, seit Anfang Februar stehen die Imserso-Reisen wieder auf dem Programm. Auf Mallorca empfangen Unterkünfte in Magaluf, Palmanova, Alcúdia und an der Playa de Palma die reiselustigen Rentner. Im Hotel Samos geht die Imserso-Saison bis Anfang Mai, dann beginnt nahtlos die herkömmliche Urlaubersaison.

Andrang bei Animateurin María: Alle wollen den Champagner gewinnen. | NELE BENDGENS

Auf der Bühne gegenüber der Bar bereitet Animateurin María gerade ein Spiel für die Senioren vor. Aus geringer Entfernung müssen sie Ringe um eine Champagnerflasche werfen. Wer nach zwei Runden die meisten Treffer hat, darf die Flasche behalten. Der Andrang ist groß, rund ein Dutzend Frauen und Männer möchten mitmachen. María strahlt, soweit man das mit Maske beurteilen kann: „Es tut gut, endlich wieder etwas für die Leute tun zu können. Die Menschen sind so dankbar für meine Angebote.“ Gemeinsam mit ihrer Schwester unterhält sie fast den ganzen Tag lang die Gäste im Hotel mit Gymnastik, Tanz und Spielen. An diesem Tag steht abends noch eine Verkleidungsparty an, María verteilt die Kostüme an die Senioren.

Ein Job für immerhin neun Monate

Die Mallorquinerin sprudelt nur so über vor Energie, sie ist wie auch die anderen Angestellten dankbar, dass die Unterkunft bereits Anfang Februar geöffnet hat und sie die kommenden neun Monate einen Job haben wird. An der Bar sagt Kellner Juan: „Hier in Magaluf könnten das ganze Jahr Urlauber kommen, wenn es die Regierung wirklich wollte.“ Aber solange rund um das Hotel alles geschlossen sei, werde es schwierig, Touristen anzulocken.

Selbst den Senioren, die nun nicht gerade durch ihre Exzesse in den Etablissements des Ortes bekannt sind, ist es bisweilen zu ruhig in dem Urlauber-Hotspot. Auf der Straße laufen Gruppen von ihnen etwas ziellos durch den Ort, manche suchen Cafés oder Bars, die dann doch nicht offen sind.

Neue Freundschaften

Ein enormer Lärmpegel und Trubel herrschen dagegen im Hotelfoyer, Gruppen von Senioren stehen beieinander und unterhalten sich angeregt. Viele der Galicier müssen nach acht Tagen Mallorca wieder in die Heimat aufbrechen. In einer Ecke verabschieden sich Isabel aus Valencia mit ihrem Sohn Javi gerade von einer Gruppe aus Santiago de Compostela. Sie haben sich erst vor drei Tagen im Hotel Samos kennengelernt, wirken aber bereits wie langjährige Freunde.

„Das ist eine so schöne Geschichte“, ruft Isabel. „Diese netten Menschen haben mich und meinen geistig behinderten Sohn so liebevoll aufgenommen, wir haben Spaziergänge zusammen gemacht, und mein Sohn war so glücklich. Dank Imserso traue ich mich, überhaupt mit ihm allein zu verreisen.“ Die neuen Freunde wollen sich auf jeden Fall wieder treffen und vielleicht die nächste Imserso-Reise gemeinsam planen.

Ein weinendes Auge beim Hoteldirektor

Die Begegnungen, die neu entstandenen Freundschaften, das Gewusel in seinem Hotel – all das freut den aus Augsburg stammenden Direktor Christoph Gräwert natürlich. Die wirtschaftlichen Schattenseiten wiegt die wiedergewonnene Reisefreude indes für ihn nicht auf. „Wir haben im vergangenen September beschlossen, wieder bei Imserso mitzumachen. Würde ich das heute entscheiden, würde ich mich klar dagegen aussprechen“, sagt er. Die stark gestiegenen Preise in allen Bereichen machten aus Imserso ein Minusgeschäft für das Hotel Samos.

Pro Gast und Nacht bekommt Gräwert von Mundiplan, dem Reiseveranstalter, der sich die Imserso-Ausschreibung dieses Jahr gesichert hat, 23 Euro vor Steuern. Dafür muss er das Zimmer sowie Vollpension zur Verfügung stellen. Die Auslastung sei nicht das Problem: Das 800-Betten-Hotel ist in den kommenden Monaten bis zum Ende der Imserso-Saison nahezu durchgehend ausgebucht. „Wir machen bei Imserso nun seit weit mehr als 20 Jahre mit, und es war schon bislang nur ein Nullsummengeschäft, in diesem Jahr wird es aber ein deutliches Minus geben“, bedauert Gräwert.

"Daheim bei mir ist ja nichts los"

Sollten die Preise für die kommende Saison nicht angehoben werden, wäre das Hotel Samos wohl nicht mehr dabei. Das würde viele der Urlauber vor den Kopf stoßen. Immer wieder ist an diesem Vormittag zu hören, dass die Senioren vor allem von der Unterkunft begeistert sind. „Wenn ich das Hotel Samos in den Katalogen finde, buche ich immer sofort“, sagt die Galicierin Gloria, ein langjähriger Fan von Animateurin María. „Daheim bei mir ist ja nichts los, hier dagegen werde ich den ganzen Tag unterhalten“, erzählt sie. Ihren Mann hat sie in die Sauna geschickt, sie selbst ist bei fast allen Kursen von María mit am Start.

An einem Tisch in der Empfangshalle sitzt die Reiseleiterin Margarita Capó. Sie wird regelrecht belagert von Gruppen von Senioren, die bei ihr Fahrten nach Valldemossa, zum Castell Bellver, zu den Höhlen an der Ostküste oder mit dem Roten Blitz buchen können. „Die Leute haben zwar große Lust auf Ausflüge, aber buchen bisher noch recht vorsichtig“, sagt Margarita Capó. Das könne auch immer noch ein wenig an der Angst vor Corona liegen, ein zweiter Faktor ist natürlich das Finanzielle. Die Senioren haben 300 Euro für zehn Tage Hotel mit Vollpension und Flug inklusive bezahlt, müssen aber dennoch aufs Geld schauen und sich jede weitere Ausgabe gut überlegen.

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Da wird es hektisch in der Empfangshalle, ein Bus holt die Gruppe aus Galicien ab, kurz darauf bringt ein anderer Bus eine Gruppe von baskischen Senioren. Mit dabei sind auch Pilar und Alfonso aus Irún an der französischen Grenze. Für das Ehepaar ist es erst der zweite gemeinsame Mallorca-Aufenthalt. „Das erste Mal waren wir als Verlobte vor 44 Jahren hier, so schließt sich der Kreis“, berichtet Alfonso lachend. Seine Frau habe er im vergangenen Jahr schon mal mit ein paar Freundinnen vorgeschickt. „Da war ich mit ein paar Freundinnen auch im Hotel Samos, zum dreifachen Preis von heute“, sagt Pilar. Jetzt darf sie ihrem Mann in den nächsten Tagen die Sehenswürdigkeiten der Insel zeigen.

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