Dass die Strände auf Mallorca nach Dingen im Untergrund abgesucht werden, kann man häufiger beobachten. Dann, wenn die Badegäste das Feld geräumt haben, suchen findige Menschen mit Metalldetektoren den Sand ab, um Münzen, Schmuck und sonstige liegen gebliebene Wertgegenstände zu finden. Die Spezialisten, die hingegen Ende Mai am Strand von Sa Coma an der Ostküste tätig waren, hatten eine andere Mission: Mit einem Bodenadar und einem Magnetometer untersuchten sie Hinweise etwa auf frühere Erdbewegungen – und damit nach Indizien für den Verbleib der sterblichen Überreste aus der Bürgerkriegsschlacht im Sommer 1936. Ergebnis der Untersuchungen: Es sei „wahrscheinlich“, dass man an dem Urlauberstrand erfolgreich Exhumierungen vornehmen werde können.

Unter anderem auf dieser Grundlage leitet die balearische Linksregierung nun die vierte Stufe ihres Plans zur Suche nach Bürgerkriegsopfern ein. Der Fokus unterscheidet sich deutlich vom bisherigen Schwerpunkt: Wurde bislang nach Opfern der Repression gesucht, die zu Beginn des Bürgerkriegs (1936–1939) von Franco-Schergen ermordet und anonym verscharrt worden waren, geht es nun in erster Linie um die Aufarbeitung der kurzen, aber heftigen Kampfhandlungen auf Mallorca, nachdem im August 1936 republikanische Milizionäre bei Porto Cristo gelandet waren.

Warum erst jetzt Sa Coma?

Die Verteidiger der Republik wurden von den Putschisten mithilfe italienischer Faschisten zurückgedrängt und besiegt. Nur wenige der Milizionäre kehrten lebend nach Barcelona zurück. Die meisten kamen zu Tode, verschwanden. Dass bis heute nicht nach ihnen gesucht wurde, ist in erster Linie mit der langen Franco-Diktatur (1939–1975) und dem Schweigepakt der jungen spanischen Demokratie zu erklären. Und auch, wenn mit der Öffnung von Gräbern aus der Bürgerkriegszeit vor inzwischen acht Jahren begonnen wurde, blieb Sa Coma bislang außen vor.

War es zu heikel, am Urlauberstrand zu graben? Oder zu wenig aussichtsreich und zu kompliziert? „Die Opfer der Repression hatten Priorität“, erklärt Jesús Jurado, Beauftragter für Vergangenheitsbewältigung bei der Landesregierung. Inzwischen aber habe man die Suche nach ihnen so gut wie abgeschlossen und könne sich auf die Opfer der Kriegshandlungen konzentrieren – wobei von ihnen ebenfalls viele durch Hinrichtungen zu Tode gekommen sein dürften, betont der Politiker der Linkspartei Podemos. Die Falangisten hätten schließlich bei der Zurückschlagung der Milizionäre den Befehl ausgegeben, alle „Roten“ zu erschießen.

86 Jahre zuvor waren hier in der Nähe Milizionäre aus Katalonien an Land gegangen. | FOTO: ARCHIV DM

Seit 2014 das erste Grab im Dorf Sant Joan geöffnet worden war, folgten in den vergangenen Jahren balearenweit 20 weitere. Dabei wurden 220 Skelette geborgen. Identifizieren konnten die Forensiker bislang lediglich 40 von ihnen. Das hat mehrere Gründe. In einigen Fällen fanden sich keine Angehörigen für die für einen Abgleich notwendigen DNA-Proben. In anderen Fällen war die DNA von zu schlechter Qualität für einen Abgleich. Zudem laufen die Analysen noch – die aufwendigen Verfahren zögen sich eben lange hin. „Wir sind hier nicht bei CSI“, so Jurado in Anspielung auf die US-Krimiserie. Realistisch sei eine Identifizierungsqote von 15 bis 20, maximal 30 Prozent.

Im Fall der Kampfhandlungen wird die Aufgabe nicht leichter. Im Laufe von 86 Jahren waren die Skelette am Strand von Sa Coma Feuchtigkeit und Meerwasser ausgesetzt. Das Terrain wurde verändert, auch Unwetter legten immer wieder sterbliche Überreste frei. Bei einer archäologischen Grabung in den 90er-Jahren wurden Knochen, Patronen oder Schnallen gefunden, aber nicht geborgen. Ein Teil davon wurde sogar geplündert.

Die Standorte

Immerhin hat die Vereinigung Memòria de Mallorca vier Standorte identifiziert, an denen sterbliche Überreste der Kämpfer zu finden sein dürften. Neben dem Strand selbst sind das die Finca Son Escrivà am Puig de sa Font, das Hospital de Sang – der Name für das einstige Lazarett – sowie auch der frühere Friedhof von Son Carrió. Insgesamt mehr als 500 Opfer könnten demnach an diesen Standorten verscharrt sein, in ihrer Mehrheit Milizionäre des republikanischen Lagers. Sie stammten nicht nur aus Katalonien, sondern auch aus anderen Regionen Spaniens, was die Identifizierung zusätzlich erschweren dürfte.

Und dann ist da noch das Rätsel der fünf Milizionärinnen und Krankenschwestern, die zu Beginn des Bürgerkriegs in Manacor hingerichtet wurden. Ein Foto, das sie noch lebend zeigte, beschäftigte Forscher und Künstler gleichermaßen, es entstanden ein Theaterstück und eine TV-Dokumentation. Die Leichen der Frauen könnten in Son Coletes bei Manacor verscharrt worden sein. Dort wurde zuletzt in der zweiten Phase der Exhumierungsarbeiten eine Gruppe von fünf weiblichen Skeletten entdeckt, die bislang nicht identifiziert sind. Womöglich handelt es sich aber auch um fünf 1937 erschossene „rote“ Frauen aus Palmas Stadtviertel Molinar.

Wann es los geht

Einen Termin für die Exhumierungsarbeiten gibt es bislang noch nicht. Jurado geht davon aus, dass bis November feststehen wird, welche Firma im Zug der öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag bekommt. Klar sei zudem, dass man am Strand von Sa Coma nur in der Nebensaison tätig werden könne – wenn es also im kommenden Winterhalbjahr nicht klappen sollte, müssten die Arbeiten bis zur folgenden Nebensaison warten. Geplant sind weiterhin mehrere historische Studien sowie auch die Restaurierung gefundener Objekte. Ob diese dann einmal in einem Museum gezeigt werden und wie das künftige Mahnmal in Sa Coma aussieht, muss dann in einer weiteren Stufe des Plans zur Vergangenheitsbewältigung geklärt werden.