Mallorca Zeitung

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Er war Bodyguard von Willy Brandt, Gerhard Schröder, Angela Merkel. Jetzt verkauft er Immobilien auf Mallorca

Über seine Zeit als Personenschützer hat Rainer Schanz ein Buch geschrieben. Am 9.12. liest er im Up Up an der Playa de Palma

Rainer Schanz beim Interview in Molinar. Bendgens

Willy Brandt, Otto Schily, Gerhard Schröder und Angela Merkel, aber auch die Spieler und Trainer des VFL Bochum gehören zu den Persönlichkeiten, für die Rainer Schanz jahrelang als Personenschützer gearbeitet hat. Mit ihnen war der Berliner auf der ganzen Welt unterwegs – in Südafrika, Grönland, Mexiko, China, Japan, Amerika und auch Afghanistan. In seinem Buch „Der Mann, der aus dem Schatten kommt: Leibwächter mit Leidenschaft, Herz und Verstand“ lässt der 61-Jährige mehrere Jahrzehnte seiner Arbeit und seines Lebens Revue passieren. Am Freitag (9.12.) liest er daraus im Restaurant Up Up an der Playa de Palma.

Seit 2014 genießt der Berliner zusammen mit seiner Frau Monja Schanz und der gemeinsamen Tochter Viktoria auf Mallorca seinen Ruhestand. Das Paar ist Inhaber des Immobilienbüros Schanz und Kohne. Zum Interview in Molinar kommt Schanz im Anzug, was auch seine frühere Dienstkleidung war. In dem zweistündigen Gespräch beweist er dann, was er von sich selbst sagt: Er ist kein „Aufdreher“, der mit seinem einstigen Job hausieren geht. Vielmehr musste erst die MZ auf ihn aufmerksam werden.

Mit Walter Momper, Willy Brandt, Hans-Jochen Vogel und Alfred Dregger. HANSANORD

Ihre Karriere begann mit der Ausbildung zum Polizeibeamten bei der Berliner Polizei. Haben Sie damals schon davon geträumt, später einmal Spitzenpolitiker zu schützen?

Nein. Ich bin da über die Jahre hinweg eher hineingeschlittert. Erst einmal war ich stolz, dass ich die Ausbildung zum Polizeibeamten beginnen durfte. Es gab dann eine Szene bei der Festnahme eines ausländischen Mitbürgers, der sich in Berlin einem SEK-Beamten widersetzt hatte. Ich bin dem Beamten mit einem Kollegen zu Hilfe geeilt. Für uns war das selbstverständlich. Den Verantwortlichen bei der Polizei hat das so imponiert, dass sie mich gefragt haben, ob ich nicht im Personenschutz arbeiten will. Von Freitag auf Montag bin ich dann in den Bereich des polizeilichen Staatsschutzes in Berlin gewechselt. Dort war auch der Berliner Personenschutz angegliedert. Später wurde ich zum Bundeskriminalamt abgeordnet und hatte dort Auslandseinsätze an den deutschen Botschaften in Nicaragua und der Türkei. Nach einer kurzen Station beim Bundesnachrichtendienst bin ich dann beim BKA geblieben.

Wir haben ein florierendes Geschäft. Wenn Kunden sich eine Immobilie kaufen wollen, googeln sie in der Regel, wer ihnen etwas verkaufen möchte. Da macht es sich tatsächlich ganz gut, dass einer der Inhaber ein Kriminalhauptkommissar war.

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Was waren in all den Jahren die spannendsten Augenblicke?

Einen der bewegendsten Momente hatte ich während einer Autofahrt mit Willy Brandt.

Was ist da passiert?

Einen Tag nach dem Mauerfall, am 10. November 1989, haben wir ihn in Berlin am Flughafen abgeholt. Er sollte eine Rede auf dem Balkon des Schöneberger Rathauses halten. Auf der Fahrt dorthin wurden die Straßen immer voller. Es war eine ganz komische Stimmung in der Stadt, voller Anspannung, aber auch Erwartung, was jetzt passieren würde. Willy Brandt war im August 1961, als die Mauer gebaut wurde, regierender Bürgermeister der Stadt Berlin. Als sie fiel, war er Ehrenvorsitzender der SPD. Daher hatte der Mauerfall für ihn auch eine ganz persönliche Bedeutung. Er saß bei der Fahrt hinten, ich auf dem Beifahrersitz. Im Innenspiegel habe ich gesehen, wie er ein paar Tränen verdrückte. In der Situation habe auch ich mit den Tränen gekämpft.

Im Buch kommt auch deutlich herüber, dass Sie mit Gerhard Schröder besser klargekommen sind als mit Angela Merkel …

Ja. Die Zeit mit ihm war für mich angenehmer. Das hat aber nichts mit der politischen Ausrichtung zu tun, sondern mit der Person selbst. Schröder ist ein Mann mit Charisma. Er war mir einfach sympathischer, auch weil er bei allem trotzdem Mensch geblieben ist. Angela Merkel fehlen diese Attribute eher. In den Medien kommt sie oft anders herüber, als ich sie wahrgenommen habe. Zudem hat sie sich, finde ich, oft über Kleinigkeiten beschwert.

Sind Sie mal aneinandergeraten?

2006 etwa war ich mit ihr in der Türkei. Erdoğan meinte, eine Bootstour anberaumen zu müssen. Anlass waren Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei. Geplant war eine 45-Minuten-Runde und ein Gespräch mit Angela Merkel. Daraus hat Erdoğan eineinhalb Stunden gemacht. Als wir von Bord gegangen sind, hat mich Angela Merkel zur Rede gestellt, warum die Tour so lange gedauert habe. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich für ihre Sicherheit zuständig bin, nicht fürs Protokoll, und sie an die beiden Damen hinter ihr verwiesen.

Klingt nach einer deutlichen Ansage …

Ich war einer der wenigen, die es sich nicht gefallen haben lassen, dass man unberechtigterweise seinen Frust an einem auslässt – auch nicht im Fall der Bundeskanzlerin.

Sie waren mit Gerhard Schröder und der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) in Afghanistan. War das besonders aufregend für Sie?

Afghanistan ist immer spannend. Man gibt stets 100 Prozent, aber dort muss man 120 Prozent geben. Nur so kommt man gesund wieder nach Hause. Im EU-Raum kann ich die Straße entlangfahren und muss nicht davon ausgehen, dass alle zehn Meter ein Sprengsatz verbuddelt wurde. In Afghanistan, wo die Gefahrenlage ganz anders ist und die Landschaft einer Halbwüste gleicht, schon. Teils testet ein Vorauskommando die Reise daher zwei bis drei Wochen vor dem Besuch der Schutzperson.

Ihr Freund Jörg Ringel ist durch eine ferngezündete Bombe in Kabul zu Tode gekommen. Was hat sich für Sie seither verändert?

Wenn ich ehrlich bin, nichts – außer dass ich natürlich immer an ihn denken werde, wie auch an viele andere, die nicht mehr zurück nach Hause gekommen sind.

Mit dem Gedanken, den Beruf zu wechseln, haben Sie also nicht gespielt?

Nein. Ich bin sogar kurz nach dem Vorfall, 2007, mit Katrin Göring-Eckardt nach Afghanistan.

Wurden Sie mal verletzt?

Es waren eher kleinere Verletzungen, die man etwa auch bei einer Festnahme abbekommt, aber das ist ja das Tagesgeschäft. Fürs Krankenhaus hat es jedenfalls nie gereicht. Die Theatralik einer Verletzung überlasse ich Fußballspielern, die sich dreimal hin- und herrollen müssen und dann aufstehen, weil sie am Knie getroffen worden sind (lacht).

Mit Angela Merkel bei einer CDU-Veranstaltung in NRW. Hansanord

Auf einigen Fotos sind Sie schwer bewaffnet. Wie weit dürfen Sie als Bodyguard gehen?

Ich muss immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anwenden, kann also nicht jedem gleich eine Kugel durch den Kopf jagen. Manchmal reicht es, jemanden im Würgegriff außer Gefecht zu setzen, und die Situation ist gelöst. Wenn aber jemand beispielsweise mit gezogener Waffe auf meine Schutzperson zugeht, würde ich ihn erschießen. So weit kam es in er Praxis aber noch nicht.

Was war die längste Zeit, die Sie im Ausland und damit von Ihrer Familie getrennt waren?

Fast zwölf Monate, als ich 1990/91 mit dem damaligen deutschen Botschafter Georg Boomgaarden in Nicaragua war.

Sie haben fünf Kinder aus verschiedenen Beziehungen. War letztendlich Ihr Beruf an den Trennungen schuld?

Er hat einerseits vielen Frauen imponiert, andererseits war er nicht sehr familienfreundlich. Dazu wird es aber vielleicht noch ein eigenes Buch geben. Für sein Verhalten sollte man immer selbst die Verantwortung tragen und die Schuld nicht bei anderen oder im Beruf suchen.

"Wir haben ein florierendes Geschäft. Wenn Kunden sich eine Immobilie kaufen wollen, googeln sie in der Regel, wer ihnen etwas verkaufen möchte. Da macht es sich tatsächlich ganz gut, dass einer der Inhaber ein Kriminalhauptkommissar war. "

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Mit welchen Ihrer Schutzpersonen haben Sie heute noch Kontakt?

Mit Walter Momper, dem früheren Berliner Bürgermeister, und dem damaligen Innenminister Otto Schily. Georg Boomgaarden habe ich kürzlich in seinem Haus in Dénia besucht.

Auch Mallorca kommt in dem Buch am Rande vor. Wie sind Sie hier gelandet?

Aufgrund meines Berufslebens war ich nie wirklich heimatverbunden. Daher war es mir egal, wo ich meinen Ruhestand verbringen würde. Meine Frau ist aber ein großer Mallorca-Fan. Und für sie kam nichts anderes infrage. Und ein anständiger Mann erfüllt den Wunsch seiner Frau natürlich (lacht).

Sie führen hier eine Immobilienagentur mit zwei Büros und sechs Mitarbeitern. Kommt der Firma Ihr einstiger Beruf zugute?

Wir haben ein florierendes Geschäft. Wenn Kunden sich eine Immobilie kaufen wollen, googeln sie in der Regel, wer ihnen etwas verkaufen möchte. Da macht es sich tatsächlich ganz gut, dass einer der Inhaber ein Kriminalhauptkommissar war. Das bietet ihnen eine gewisse Sicherheit – zu Recht …

Lesung und Buch

Die Lesung: 9.12., 18 Uhr, Up Up, Ctra. de l’Arenal, 5, Can Pastilla, Eintritt frei

Das Buch: "Der Mann, der aus dem Schatten kommt“, Hansanord, 320 Seiten, 20 Euro.


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