Mallorca Zeitung

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Größter deutschsprachiger Gottesdienst im Ausland: Die Christvesper in der Kathedrale von Palma de Mallorca wird 50

An der ökumenischen Christvesper der deutschsprachigen evangelischen und katholischen Gemeinde nehmen seit 1971 Tausende Menschen teil

Der Gottesdienst-Besuch in der Kathedrale war schon früh ein ganz besonderes Erlebnis. Evangelische Gemeinde

Da ist dieser ganz besondere Ort, die stets beeindruckende und zu diesem Anlass noch zusätzlich geschmückte Kathedrale in Palma. Und da sind die mehr als 2.000 deutschsprachigen Residenten und Urlauber, die das Kirchenschiff durch das gemeinsame Anstimmen von „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum Klingen bringen: Die ökumenische Christvesper der deutschsprachigen evangelischen und katholischen Gemeinde an Heiligabend ist zu einem festen Bestandteil des Weihnachtsfestes auf Mallorca geworden. 1971 fand dieser Gottesdienst – der zu den größten deutschsprachigen Messen außerhalb Deutschlands gehören dürfte – zum ersten Mal statt. 2022 wird er zum 50. Mal gefeiert, nachdem das festliche Zusammenkommen wegen der Pandemie zwei Jahre in Folge ausgefallen war.

Heinrich Hollemann (Mi.) und Karl-Ernst Patzer (re.). Evangelische Gemeinde

Premiere für das Pfarrer-Ehepaar

Ganz besonders auf den Jubiläums-Gottesdienst freut sich in diesem Jahr das evangelische Pfarr-Ehepaar, Holmfried Braun und Martje Mechels. „Für uns ist es der allererste Heiligabend-Gottesdienst überhaupt in der Kathedrale“, so Braun. Es sei eine große Ehre, in Spanien zu Heiligabend einen deutschsprachigen, noch dazu ökumenischen Gottesdienst in einer so prächtigen katholischen Kirche wie der Kathedrale feiern zu dürfen. „Das hat etwas sehr Verbindendes“, sagt Braun. Wegen des hohen Andrangs finden wie schon vor Corona gleich zwei deutschsprachige ökumenische Gottesdienste statt, um 15.30 Uhr und um 17 Uhr. Der feierliche mallorquinische Weihnachtsgottesdienst mit dem traditionellen Sibyllengesang folgt dann um 23 Uhr in der Kathedrale.

Martje Mechels und Holmfried Braun. Evangelische Gemeinde

So hat alles angefangen

Dass großes Interesse an einem ökumenischen Gottesdienst zu Heiligabend besteht, hatte sich bereits Ende der 60er-Jahre gezeigt. 1970 fanden sich an die 500 Menschen in der Rundkirche Porciúncula an der Playa de Palma ein – zu viele. Der damalige Bischof von Mallorca, Rafael Álvarez Lara, setzte sich daraufhin dafür ein, dass deutsche Residenten und Urlauber künftig in der wichtigsten und zugleich größten Kirche Mallorcas feiern können. In der Zeit des aufkommenden Massentourismus hatte Álvarez Lara in seinen letzten Amtsjahren auf der Insel 22 neue Gemeinden gegründet. Auch die ökumenische Christvesper ist ihm zu verdanken.

Sie alle waren am ersten Gottesdienst beteiligt

Beteiligt an den Vorbereitungen des ersten Kathedralen-Gottesdienstes 1971 war auch der damalige evangelische Pfarrer Karl-Ernst Patzer. Ihm war ein am Zweiten Vatikanischen Konzil orientierter Katholizismus sympathisch, wie es in der Gemeindechronik heißt. Zusammen mit seinem katholischen Kollegen, Heinrich Hollemann, kümmerte er sich unter Fürsprache des Bischofs um die konkrete Organisation. Während Hollemann bereits 1968 als erster offizieller Mallorca-Pfarrer seinen Dienst angetreten hatte, wurde die Insel von evangelischer Seite damals noch als Filialgemeinde von Barcelona aus betreut. Patzer war nur zeitweise auf der Insel. Erst sein Nachfolger Dietrich Hillebrand hatte eine feste Stelle auf Mallorca.

Schon Wochen vor dem großen Tag berichteten der deutsche Rundfunk und die Presse auf der Insel begeistert von dem Vorhaben. Die damals führenden Reiseunternehmen stellten für interessierte Besucher der Gottesdienste inselweit Busse zur Verfügung.

Tränen in den Augen

Als dann die beiden Pfarrer Patzer und Hollemann am großen Tag gegen 16 Uhr die Sakristei der Kathedrale verließen, mussten sie über Menschen hinwegsteigen, die bis in den Chor hinein dicht gedrängt teils auf dem Boden saßen. Die Worte, mit denen Pfarrer Patzer sie am Mikrofon begrüßte, sind legendär: „Wo kommt ihr denn alle her?“ Rund 6.000 Teilnehmer sollen damals in La Seu geströmt sein. Viele hätten vor Freude kaum ihre Tränen halten können, heißt es in den Chroniken, solch ein Singen habe die Kathedrale noch nicht erlebt.

Ein Jahr nach der Premiere, 1972, trat Bischof Álvarez Lara aus gesundheitlichen Gründen ab, und Teodoro Úbeda übernahm. Auch er stand der ökumenischen Idee sehr positiv gegenüber und sorgte dafür, dass der Kathedralen-Gottesdienst beibehalten wurde. Später wurden aus einer Christvesper an Heiligabend wegen der hohen Nachfrage zwei.

Eine zentrale Rolle bei dem Gottesdienst fiel schon sehr früh einem mallorquinischen Geistlichen mit ausgeprägtem Deuschland-Faible zu: Joan Carles Bestard (Lloseta, 1940) war über viele Jahre ein „unabdingliches Bindeglied zum Domkapitel und der Kathedralenverwaltung“, wie der aktuelle katholische Pfarrer Andreas Falow hervorhebt. Bestard kannte die Deutschen – in den Sommermonaten half er im Erzbistum Köln aus – und unterstützte sie als Domkapitular nach Kräften. Falow, der 2016 zum ersten Mal bei dem Gottesdients dabei war, spricht von einem „übermenschlichen Einsatz in der Touristenseelsorge“. Bestard war er es auch, der die bischöflichen Grußworte bei der Christvesper zu übersetzen pflegte.

Bendgens Der aktuelle katholische Pfarrer, Andreas Falow.

Das erwartet die Besucher

Ein Gottesdienst mit Tausenden von Teilnehmern erfordert eine besondere Organisation. „Wir arbeiten zum Beispiel mit Liedblättern, da wir keine 3.000 Gesangbücher haben“, erzählt Braun, der auch Mezzosopranistin Waltraud Mucher und den Saxofonisten Norbert Fimpel gewinnen konnte. Zudem spielt – auf der kleinen Orgel – der Kathedralen-Organist Tomeu Mut. In diesem Jahr kümmern sich die evangelischen Pfarrer um die Organisation, Falow – der um 21 Uhr in der Strandkirche an der Playa noch einen weiteren deutschsprachigen Weihnachtsgottesdienst anbietet – hält die Predigt.

Zum 50. Mal „Stille Nacht“

Ein ganz besonderer Kirchenbesuch

Auch Bischof Sebastià Taltavull i Anglada wird zumindest in dem Gottesdienst um 15.30 Uhr wieder seine Weihnachtsbotschaft verkünden. Im Anschluss besucht er Inhaftierte in Palmas Gefängnis. An Weihnachten sei der Wunsch nach Gemeinschaft so groß wie nie, da sind sich die Pfarrer einig. „Auch viele Menschen, die man in anderen Gottesdiensten nicht sieht, werden kommen“, ist sich Braun sicher. Zudem habe die Zahl an Einheimischen und internationalen Gästen im Verhältnis zu den deutschsprachigen Residenten in den vergangenen Jahren zugenommen. Es ist und bleibt eben ein ganz besonderer Kirchenbesuch.

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