Susanne Benöhr-Laqueur ist Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Münster. Gemeinsam mit ihren Studenten hat sie enthüllt, dass der Chefreiseleiter der Reiseveranstalter Scharnow und Tui in den 60er-Jahren ein hochrangiger SS-Mann war.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich mit Ernst Chlan beschäftigen? 

Ich unterrichte angehende Polizeikommissare und gebe Seminare. Da mein besonderes Interesse der Rechtsgeschichte gilt, bin ich stets auf der Suche nach Themen. Während der Corona-Pandemie habe ich mich an einem Sonntagabend durch das Programm „gezappt“ und bin bei „ARD-Alpha“ bei einer Sendung über den Eichmann-Prozess gelandet: „Eine Epoche vor Gericht“. Ich fand das sehr beeindruckend, und es erinnerte mich auch an meine Tätigkeit als Rechtsanwältin. Ich beschloss, das Thema aufzugreifen und das Seminar „1961 vor Gericht: Adolf Eichmann“ anzubieten. Bei den Recherchen stieß ich dann auf diese Forschungslücke stieß. Also: Wenn die Corona-Pandemie nicht gewesen wäre, hätte ich an diesem Abend garantiert nicht „ARD-Alpha“ gesehen und eventuell ein völlig anderes Thema angeboten. Es war Zufall. 

Chlans Vita sei in großen Teilen ein Mysterium, schreiben Sie. Wie viel Schuld lud er im NS-Staat auf sich?

Chlans gesamte Berufskarriere war zu 100 Prozent ausgerichtet auf das NS-Regime. Chlan war als Angehöriger der SS und des SD ein Täter. Er diente dem verbrecherischen Regime in einer herausgehobenen Position. 

Auch der Mussolini-„Befreier“ und SS-Offizier Otto Skorzeny war zu jener Zeit auf Mallorca. Er hatte ein Ferienhaus in Port d’Alcúdia. Was verbindet die beiden?

Beide waren Österreicher, beide waren in der SS, beide waren während der NS-Zeit und teilweise danach im Umfeld diverser Geheimdienste anzutreffen, beide hatten eine Verbindung zu Spanien, beide waren zusammen ab Mitte der 60er-Jahre auf Mallorca anzutreffen. Ob Chlan zu Skorzenys Netzwerk gehörte und welche Gefälligkeiten und Tätigkeiten er leistete, müssen weitere Recherchen zeigen. Chlan und Skorzeny dürften sich jedenfalls spätestens gegen Kriegsende kennengelernt haben. Eichmann berichtet von einer Sitzung der führenden Polizeioffiziere in Berlin. Dort erschien Skorzeny als „Befreier“ des Duce und hielt eine Rede. In Argentinien soll es Skorzeny gewesen sein, der ein Treffen zwischen Eichmann und dem Interviewer Willem Sassen arrangiert hat. Zu den Interviews wurde Chlan von Sassen eingeladen. 

Welche offenen Fragen interessieren Sie noch?

Mit welcher Identität reiste Chlan nach Südamerika? Was tat er dort? Er soll sich in Buenos Aires und Bariloche aufgehalten haben. War er weiterhin geheimdienstlich tätig? Und falls ja – für wen? Hier ergeben sich wieder Querverbindungen zu Skorzeny. Chlans Einwohnermeldeamtkartei in Innsbruck ist verschwunden. Wie kam es dazu, dass er bei Scharnow-Reisen angestellt wurde? 

Ernst Chlan auf Mallorca – haben Sie weitere Informationen? Unter der E-Mail ck@mallorcazeitung.es können Sie Kontakt zu uns aufnehmen.