Mallorca Zeitung

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Echter Stil statt Fast Fashion: Wo sich die Eleganz von Mallorca versteckt

Inmitten der Fast Fashion ist er leicht zu übersehen, aber es gibt ihn, den Stil der Insel. Doch was macht diese „lässige Eleganz“ aus? Eine Spurensuche bei denen, die sie kreieren und vermarkten

Aus der Kollektion von Datura Andrea Illan

Die gelbe Seidenbluse sticht hervor wie eine Blume, die man unerwartet beim Spaziergang in der Natur findet. Im Ladengeschäft von Datura an der Hauptstraße von Deià ist sie umrahmt von weißen und steinfarbenen Leinenkleidern. Sie sind weit geschnitten. One-Size-Fits-All. Bänder und Gürtel sorgen dafür, dass sie sich an jeden Körper anpassen.

Die Designerin der Stücke, die Mallorquinerin Stefania Borras, hat das Label Datura vor zehn Jahren in New York gegründet. „Meine Idee war damals, den mallorquinischen Stil in die Weltstadt zu bringen“, erklärt sie die Ursprünge der Marke. Im Mittelpunkt standen Werte wie Naturverbundenheit und slow living. Also das, was es in den großen Metropolen nicht gibt.

Design von Stefania Borras A. Illan

Seit der Pandemie ist sie wieder auf der Insel, seit vergangenem Jahr begleitet der Laden in Deià das als Online-Handel gestartete Geschäftsmodell. Und wenn man sich hier so umschaut: Ja, es wirkt irgendwie alles mallorquinisch. Man stellt sich Menschen vor, die diese Mode tragen könnten. Sie treffen sich mit Freunden zum Picknick in der Tramuntana, spazieren durch die Felder der Inselmitte oder gehen abends in Palma essen. Aber was macht die Stücke so mallorquinisch, dass man ihre Essenz sogar in Manhattan erfassen kann?

Sind Mallorquiner elegant?

„Mallorca hat keinen klar definierten Stil, der auf der Straße gelebt wird, wie etwa in Paris“, sagt Tania Baides. Die Leiterin einer Kommunikationsagentur in Palma hat jahrelang in der Modeindustrie gearbeitet. Vor einigen Jahren kürte sie das Society-Magazin „La Siesta“ zu einem der elegantesten Menschen der Insel. „Der mallorquinische Stil drückt sich eher in den Arbeiten der Designer aus. Viele von ihnen haben ein außerordentliches Gespür für den Schnitt und die Stoffe“, meint sie.

Anders gesagt: Viele schick gekleidete Menschen sind nicht das Erste, was einem ins Auge fällt, wenn man durch die Straßen von Palma, Alcúdia oder Manacor läuft. Das mag verschiedene Gründe haben. Die vielen Urlauber spielen sicherlich eine Rolle. Die Menschen tendieren dazu, sich legerer zu kleiden, wenn sie auf Reisen sind. Die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit begrenzt auch die Anzahl der Kleidungsstücke, die man zur Auswahl hat. Ein klassischer Dreiteiler wäre auch im Spätsommer innerhalb von wenigen Minuten durchgeschwitzt. Jede Kleidungsschicht, die man weglassen kann, ohne öffentliche Erregung auszulösen, bleibt für viele deshalb besser im Schrank. Ganz zu schweigen davon, dass natürlich auch auf der Insel die bekannten Fast- Fashion-Marken alle sechs Wochen zahlreiche neue Trends auf den Markt werfen.

Zurück zu den Wurzeln

Sebastià Pons empfängt in seinem Haus im Dörfchen S’Alqueria Blanca. Hier entwirft er die Kleidungsstücke für seine Marke Muchache und fertigt sie an. Es handelt sich um Einzelstücke, Unisex, One-Size-Fits-All. Pons kennt die Modeindustrie in all ihren Facetten. In den 90er-Jahren arbeitete er zunächst in London, Paris, später in New York. Er war die rechte Hand von Alexander McQueen und wohl der Erste, der – dann unter seinem eigenen Label – den mallorquinischen Llengües- oder Ikat-Stoff in eine Modekollektion einbaute. Von Givenchy zur Eigenproduktion im Südosten der Insel – der Kontrast könnte kaum größer sein.

Modedesigner Sebastià Pons: „Die Mallorquiner möchten nicht so gerne auffallen.“ | FOTO: NELE BENDGENS Patrick Schirmer Sastre

Aber Pons wollte bewusst zurück zu den Wurzeln, als er 2018 nach sechsjähriger Pause seine erste Kollektion unter dem Muchache- Label präsentierte. „Eigentlich war es gar nicht so schwierig. Ich musste mich nur umschauen“, erzählt er. Was er sah, war blau, weiß, erdfarben, grün – die Farben, die einen auf der Insel umgeben. Das Meer, die Häuser, die Pflanzen. In gewisser Weise setzen die Bewohner diese Farben bei der Kleiderwahl als Tarnfarben ein. „Die Mallorquiner möchten nicht so sehr auffallen“, sagt Pons. Die Stoffe sind aus Baumwolle, Leinen, Seide – natürliche Textilien, die auch schon in der Generation seiner Großeltern getragen wurden. Stoffe, die leicht sind. Stoffe, die atmen. Stoffe, die eine hohe Qualität haben.

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Mallorca-Mode im rustikalen Rahmen: Sebastián Pons zeigt bei sich im Stall neue Entwürfe

Knallige Farben, ausgefallene Muster – all das wird man bei mallorquinischen Designern eher selten finden. Stattdessen dominieren einfarbige Stoffe. Unaufdringliche Polka-Dots, dezente Streifen oder schlichte florale Motive sind das höchste der Gefühle. „Die Mallorquiner sind eher praktisch veranlagt. Es geht ihnen nicht darum, sich stilbildend zu geben wie die Franzosen. Wenn die Menschen hier einkaufen gehen, schauen sie etwa darauf, dass der Stoff leicht ist, eine hohe Qualität hat und das Muster einem nicht zu schnell zu viel wird. Man will es ja schließlich lange tragen können“, sagt Pons. Das bedeute aber nicht, dass die Menschen hier keine Klasse und keine Eleganz hätten. Im Gegenteil, wenn der Anlass es erfordert, werden die guten Stücke aus dem Schrank geholt. Nur ginge es dabei nie darum, besonders hervorzustechen.

Auch mal knalliger

Der Designer Pablo Erroz hat sich mit seinem gleichnamigen Label in den vergangenen Jahren spanienweit einen Namen gemacht. Er produziert eine Kollektion im Jahr, die für alle Jahreszeiten gilt. Seine Stücke sind sowohl für Männer als auch für Frauen gedacht – das hat er mit Pons gemeinsam.

Kollektion von Pablo Erroz J. Medina

Ab und zu blitzt in seinen Kollektionen die ein oder andere etwas knalligere Farbe hervor, auch mal ein gewagteres Muster. Aber Erroz betont ebenfalls, sich im Grunde von dem inspirieren zu lassen, was den Stil der Insel ausmacht: „Natürliche Farben, hochwertige Materialien.“ Zudem spielt er mit Elementen der Inselkultur wie dem Ikat-Muster. Königin Letizia trug vergangenes Jahr einen solchen Rock von ihm. Das sorgte medial für viel Aufmerksamkeit.

Königin Letizia in Valldemossa mit Rock von Pablo Erroz B. Ramon

Erroz glaubt, dass sich die ausländischen Residenten gut auf den Stil der Insel einlassen können. Nicht nur, weil die Kleidung angemessener für die klimatischen Bedingungen ist. Auch weil gerade die nordischen Länder in vielen Fällen eine ähnliche Farbpalette bedienen. „Die Hitze muss kein Grund dafür sein, sich schlecht anzuziehen.“ Vielmehr gehe es darum, die richtige Kleidung zu finden.

Dass Skandinavier durchaus etwas mit mediterraner Kleidung anfangen können, beweist unter anderem Cecilia Sörensen. Die Finnin lebt seit Ende der 90er-Jahre in Spanien, seit fünf Jahren auf Mallorca. Unter ihrem Namen entwirft sie Kleidung für Frauen, lässt diese in kleiner Auflage in Marratxí nähen. Sie verkauft ihre Stücke über das Internet und in kleineren Geschäften in verschiedenen Ländern Europas sowie in den USA. Den Stil der Insel beschreibt sie als „lässige Eleganz“. Sie versuche, in ihren Designs die mediterrane Warmherzigkeit mit dem Minimalismus ihrer Heimat zu kombinieren, sagt Sörensen. In der Praxis sind dies auch bei ihr vor allem Naturfarben, luftige Schnitte, One-Size-Fits-All.

Nachhaltigkeit und Design

Zeitloses Design, möglichst schonend produzierte Rohstoffe, die Vermeidung von Wegwerfprodukten. Die Nachhaltigkeit und das Design gehen Hand in Hand, bedingen einander. Das betonen eigentlich alle mallorquinischen Designer, mit denen man spricht. Die Insel als Gegenpol zu Shein und Inditex.

"Lässige Eleganz": Kleid von Cecilia Sörensen Cecilia Sörensen

Bei Cecilia Sörensen stammen alle Stoffe aus zertifiziertem ökologischem Anbau. Ansonsten arbeitet sie auch viel mit Bestehendem. Kürzlich etwa entwickelte sie eine Kollektion aus gebrauchten Bettlaken von Hotels. „Ich habe erfahren, wie viele Bettlaken einfach weggeworfen werden. Also sind wir eine Zusammenarbeit eingegangen, um diese Stoffe wiederzuverwerten und haben daraus Hemden gemacht.“ Das Projekt soll in Kürze im Rahmen der Nachhaltigkeitsinitiative Loop Disseny vorgestellt werden.

Auch etwas für Männer

Bei aller Freude – in einer Hinsicht besteht ein gewisses Ungleichgewicht, was das Angebot angeht. „Es ist viel einfacher für Frauen, sich elegant im mediterranen Stil zu kleiden als für Männer“, sagt Tania Baides. Erroz und Pons bieten zwar hauptsächlich Unisex-Kleidung an, aber das sind nicht immer Einsteiger-Modelle für jene, die sich im mediterranen Stil ausprobieren wollen. Das erst vergangenes Jahr ins Leben gerufene Label Ses will hier Abhilfe schaffen.

Hemd von Ses Ses

Gegründet haben das Unternehmen der Asturianer Miguel Linera, der stets mit seiner Familie in Puerto Portals urlaubt, und zwei Geschäftspartner. Dass Rafa Nadals Onkel und Ex-Trainer Toni als Investor eingestiegen ist, hat der Marke Aufmerksamkeit geschenkt. „Ihn hat begeistert, wie authentisch unsere Entwürfe sind“, sagt Linera. Er habe sich immer gefragt, warum Mallorca seine Gastronomie, seine Weine, seine Kultur in die Welt zu tragen wisse, nicht aber seine Kleidung. Er wolle dies ändern. „Wer hier lebt, möchte sich auch mallorquinisch kleiden. Und Urlauber, die hier ein paar Tage verbringen, möchten vielleicht eine authentische Hose als Souvenir.“

Von der Stadt in die Natur

Ungezwungen und elegant zugleich müsse die Kleidung sein. Auch die Stücke der Ses-Kollektion sind weit geschnitten. Slim-Fit ist auch bei den Männern scheinbar keine Option. „Auf Mallorca ist man schnell aus der Stadt raus und in der Natur. Die Kleidung muss dies widerspiegeln“, so Linera. In der ersten Kollektion von Ses unter dem Namen Tramuntana gibt es vor allem Hemden, Hosen und Badehosen. Die Farbpalette weicht auch beim Asturier kaum von dem ab, was die auf der Insel geborenen Designer an die Kleiderstange hängen. „Manche haben uns vorgeworfen, zu dunkle Kleidung zu entwerfen. ‚Ist Mallorca nicht eher hell und leuchtend?‘, fragten sie. Hier hat vielleicht der Ibiza-Style falsche Vorstellungen geschaffen“, vermutet Linera.

Stefania Borras von Datura in Deià betrachtet es mit Wohlwollen, dass es immer mehr Angebote für Männer gibt. „Wir führen einige Unisex-Stücke, für den kommenden Sommer habe ich mir aber vorgenommen, eine kleine Auswahl an Kleidungsstücken für Männer zu entwerfen.“ Sie wolle niemandem vorschreiben, wie er sich anzuziehen habe. „Aber ja, ich habe das Gefühl, dass sich immer mehr Menschen für Stil interessieren.“

Und wer weiß, vielleicht sagt man dann doch irgendwann von den Mallorquinern, dass sie sich gut kleiden.

Weitere Informationen

Datura von Stefania Borras: datura.com

Muchache von Sebastià Pons: muchache.es

Pablo Erroz: pabloerroz.com

Cecilia Sörensen: ceciliasorensen.com

Ses: sespalma.com

Tania Baides: taniabaides.com

Loop Disseny: loopdisseny.com

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