MARTINA ZENDER Die vielfach prämierte Bäckerei Fornet de la Soca von Meisterbäcker Tomeu Arbona ist umgezogen. Von Palmas Carrer Sant Jaume in die wohl bekannteste und meistfotografierte Bäckerei von Mallorca, den Forn des Teatre gegenüber dem Gran Hotel aus dem 19. Jahrhundert mit der 1916 reformierten berühmten Jugendstil-Fassade. Angeboten werden Backwaren aller Art, süß und salzig. Besondere Spezialität: verschiedene empanadas, gefüllt mit Meer­äsche, Thunfisch, llampuga (Goldmakrele) oder Kabeljau und Gemüse, oder die Ensaimada-Varianten, beispielsweise die Kartoffel-Ensaimada.

Wie kam es zu dem Umzug?

Ich war in dem Buchladen gegenüber, und als ich dort herauskam, sah ich das Schild „Zu vermieten" an der Bäckerei. Ehrlich gesagt, wir fühlten uns zu diesem Zeitpunkt absolut wohl an unserem alten Standort und hatten keinen Gedanken an einen Wechsel verschwendet, obwohl wir nach und nach - auch aufgrund des großen Erfolgs und der gestiegenen Nachfrage - Platzprobleme bekommen hatten. Trotzdem hat mich der Gedanke sofort gepackt. Ich rief also, noch auf den Stufen der Bücherei stehend, meine Frau an, die auch sofort aus dem Häuschen war. Dann rief ich den Makler an und fragte nach einem Besichtigungstermin. Den gaben sie mir direkt, da sie im Haus nebenan ihr Büro haben. Also wieder ein Anruf an meine Frau, die direkt kommen sollte. Wir sahen uns noch am gleichen Tag den Forn des Teatre an.

War beim Blick in die Räume die Begeisterung noch da?

Na ja, wir mussten schon viel Fantasie aufbringen. Alles war sehr heruntergekommen. Aber wenn ich meine Augen schloss, dann konnte ich das neue Geschäft förmlich sehen. Der Ort hat etwas Magisches. Und so sagten wir nach etwas Bedenkzeit am folgenden Tag zu. Die Miete ist ungleich höher, aber nicht übertrieben hoch - auch aufgrund des Zustands der Räume. Makler und Besitzer, die als Kunden meinen alten Laden kannten, meinten nur, dass wir dort perfekt hineinpassen würden.

Was haben Sie verändert?

Es war ein mühsamer Umbau. Zum einen haben wir aus dem alten Eingang ein Schaufenster gemacht, samt altem geschützten Schriftzug. Aus dem Nebeneingang wurde unser Eingang. Zudem haben wir Regale entfernt, Fenster mit Buntglas eingefügt, unsere Möbel integriert und vieles aus der alten Bäckerei wieder installiert. Die Leute, die uns nicht kennen, könnten jetzt denken, das sei schon immer so gewesen, ein historisches Geschäft also. Schon bei dem früheren Laden haben wir zum einen aus Geldnot, aber zum anderen ganz bewusst alte Möbel vom Flohmarkt und alte Accessoires verwendet, sozusagen Teile mit Geschichte, um unsere Philosophie auch nach außen hin zu verdeutlichen: historische ­traditionelle Rezepte wieder zum Leben zu erwecken. Apropos: Diese Freude am Alten sieht man auch in unserer privaten Wohnung. Da sieht es ähnlich aus.

Man nennt Sie ja auch den „Archäologen der lokalen Küche".

Das gefällt mir. Ich habe wirklich viel Zeit verbracht, um alte Rezepte aufzuspüren, Archive durchzuforsten, Leute zu befragen. Wir wollten ja mit unserer Bäckerei etwas anderes machen. Doch diese Arbeit bewahrt nicht nur die Tradition oder lässt sie wieder aufleben. Damit helfen wir auch vielen Erzeugern. Denn die alten Rezepte machen wir alle mit lokalen und fast vergessenen Produkten wie Mehl aus alten Sorten. Wir kaufen - wenn möglich - alles auch direkt bei ihnen ein. Das motiviert die Bauern, wieder ihre alten Sorten anzupflanzen. Das ist sozusagen der innovative Gedanke parallel zur Tradition.

Seit der Eröffnung des Fornet de la Soca im Jahr 2011 ist viel passiert: Preise, Anerkennungen, zwei Bücher sind erschienen.

Wir haben auch wirklich hart dafür gearbeitet. Auch um etwas anderes zu machen. Aber wir waren mit unserer „Zurück-zu-den-Wurzeln-Idee" im Bäckereigewerbe relativ neu, das hat begeistert. Gleichzeitig gibt es das ja auch in der Gastronomie. Der Wert von Omas Rezepten und traditionellen Produkten ist stark gestiegen, ist fast schon Mode geworden. Und das ist auch gut so.

Wie reagieren die Kunden auf den Umzug?

Unsere treuen Kunden aus dem Carrer Sant Jaume sind uns alle gefolgt, und viele neue Kunden, die nun zufällig hier vorbeikommen, schauen auch rein. Manchmal nur um zu gucken, aber viele kaufen auch. Aktuell steht die Kundschaft Schlange. Insgesamt ist alles sehr herzlich, manche kommen auch nur, um uns zu sagen, wie toll es ist, dass wir diesen Ort wieder beleben. Und das ist ja auch genau unsere Idee: Wir interessieren uns nicht in erster Linie für das Geld der Kunden, sondern wir wollen, dass sie glücklich sind, sich wohlfühlen und unsere Produkte mögen.

Sie waren Sozialarbeiter und Psychotherapeut, vermissen Sie Ihr altes Leben?

Nein, auch wenn ich sogar drei Jahre eine kostenintensive Ausbildung zum Psychotherapeuten gemacht habe. Ich habe den Beruf ja nicht freiwillig aufgegeben, die Krise hat dazu geführt, dass es keine Klienten mehr gab. Doch diese Krise hatte im Nachhinein für mich etwas Gutes: Ich hab mein Hobby zum Beruf gemacht - und wurde damit erfolgreich. Damit bin ich nicht der Einzige. Die Hälfte der 80 besten Bäckereien Spaniens gehören ebenfalls Menschen, die früher Architekten oder Musiker waren und die sich neu erfunden ­haben. Auch wenn ehemalige Ausbilder von mir, Kollegen oder Patienten bedauern, dass ich nicht mehr als Psychotherapeut arbeite, so sind sie dennoch zufriedene Kunden des Fornet de la Soca.

Insofern eine Ähnlichkeit zum Therapeuten, wo Sie ja auch Leuten etwas Gutes tun wollten.

Genau, aber ich würde das nicht so hoch hängen. Wir - meine Frau Maria, mein Sohn Adrià, der uns hilft, und unser Team, sind quasi eine Familie, und unsere Kunden gehören irgendwie dazu. Und jeder will ja, dass es der Familie gut geht.

Fornet de la Soca, geöffnet Mo.-Sa. 9-21 Uhr. Plaça ­Weyler, 9, Palma de Mallorca. Tel.: 673-49 94 46, FB: Fornet de la Soca, www.fornetdelasoca.com