Mallorca Zeitung

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Alles, was Sie schon immer über die Chinesen auf Mallorca und ihre Läden wissen wollten

Mit ihren Märkten und Lokalen prägen die Chinesen wie kaum eine andere Nationalität das Geschäftsleben der Insel. Fremd sind sie hier schon lange nicht mehr. Am Sonntag (11.2.) feiern sie in Palma ihr Neujahrsfest

Der Hiper Chino liegt ganz in der Nähe von Palmas Ringautobahn. Bendgens

Der unscheinbare Eindruck, den einige der Geschäfte von außen erwecken, täuscht. Mit dem Übertreten der Ladenschwelle beginnt zum einen die Reizüberflutung, zum anderen die Herausforderung, in den teils riesigen Lagerhallen in einem Labyrinth aus vollbepackten Regalen die gewünschten Produkte zu finden. Begrüßt werden Kunden vom Personal, wenn überhaupt, häufig nur mit einem Murren. Schnell landen die Augen der Verkäufer an der Kasse wieder auf dem Handy, wo chinesische Serien laufen oder die Verwandten weiterplaudern wollen.

Kunden werden sich selbst überlassen

Personal, das wie in anderen Läden penetrant hinter einem herrennt, sucht man in den China-Läden vergebens. Stattdessen werden die Kunden hier größtenteils sich selbst überlassen. Hat man eine Frage, wird oft sofort der Sohn oder die Tochter des Ladenbesitzers gerufen. Die Kinder sind mit ihren Spanisch-Kenntnissen häufig das Sprachrohr der Familienunternehmen. Verstehen auch sie nicht, was man sucht, hilft nur noch, ein Fotos vom Wunschartikel auf dem Handy zu zeigen. Oder man geht direkt mutig selbst auf die Suche. Nicht selten sammelt man dabei Hunderte von Schritten für die empfohlenen 10.000 pro Tag.

Im Hiper Xinlon in Palmas Viertel Rafal Nou arbeiten auch Spanier. Bendgens

Wo es wirklich alles gibt

China-Läden, chinos, sind Spaniens Äquivalent der 1-Euro-Shops oder Krimskrams-Läden wie Woolworth oder Tedi – und doch ganz anders. Ob Kuscheltiere, Heizungen, Geschirr, Wäschekörbe, Kunstpflanzen, Faschingskostüme oder Werkzeug: Hier gibt es alles, und das oft deutlich günstiger als anderswo. Vor allem die Geschäfte in den Gewerbegebieten oder abgelegeneren Stadtvierteln wie Rafal Nou bieten auf Verkaufsflächen von über 1.500 Quadratmetern Tausende von Produkten an. Sie tragen häufig ein „hiper“ im Namen, heißen etwa „Hiper Xinlon“ oder „Hiper Chino“. Die Mitarbeiter dort kommunizieren mit Headsets oder Walkie-Talkies.

Hiper Asia in Inca sieht man schon von der Autobahn aus. Bendgens

Kaum Zahlen

Welcher der größte chino der Insel ist, weiß selbst Fang Ji, der Gründer des Vereins der Chinesen auf den Balearen (Achinib) nicht. Auch dazu, wie viele der Läden es hierzulande gibt, findet man keine Daten. Wer aber „Bazar“ bei Google Maps eingibt, sieht schnell: Jedes Stadtviertel von Palma hat gleich mehrere China-Märkte. Teils konkurrieren sie sogar in derselben Straße um Kunden. Im Einwanderer-Viertel Pere Garau gibt es nicht nur besonders viele der Läden, auch die Konzentration an chinesischen Lebensmittelgeschäften und Restaurants ist besonders hoch. Auch deswegen ist das Viertel schon seit Jahren, wie am Sonntag (11.2.) wieder, Austragungsort der Feier zum chinesischen Neujahrsfests (siehe unten).

So viele Chinesen leben auf den Balearen

Die vielen von Chinesen geführten Lokale erwecken den Anschein, als gäbe es hierzulande besonders viele Bewohner aus China. „Der Eindruck täuscht. Sie sind durch ihre Geschäfte nur sehr präsent im Stadtbild“, betont Fang Ji. Laut offiziellen Zahlen des nationalen Statistikinstituts waren 2023 auf den Balearen 5.707 Chinesen gemeldet. Der Großteil, 5.071, lebt auf Mallorca. Fang Ji schätzt die Zahl seiner auf der Inselgruppe lebender Landsleute auf 12.000, um die 6.500 davon auf Mallorca. Hochburgen chinesischer Zuwanderer – wie bei den Deutschen etwa Santanyí, Peguera, Can Picafort oder Cala Ratjada – gibt es laut dem 36-Jährigen bis auf Palma keine. Hier leben laut der INE-Statistik 3.527 Chinesen. Auf dem zweiten Platz landet auf Mallorca mit 311 Chinesen die Großgemeinde Calvià. Im Anschluss folgen Manacor (160), Marratxí (121) und Llucmajor (114).

Über Umwege auf die Insel

„Mallorca ist in China nicht bekannt“, so Fang Ji. Die Insel sei in den Medien allenfalls kurzzeitig Thema – etwa wenn der Gründer des Onlinehandels-Giganten Alibaba, Jack Ma, wieder einmal mit seiner Yacht vor Mallorca schippert oder Politiker zu Besuch sind.

Bekannter sind die Großstädte auf dem spanischen Festland, etwa Barcelona oder Sevilla. Viele chinesische Einwanderer versuchen erst dort ihr Glück und ziehen dann weiter nach Mallorca. Fang Jis Eltern hatten bereits in Deutschland, den Niederlanden und Italien gewohnt, als sie nach Barcelona und von dort nach Mallorca zogen. „Ein Freund von ihnen, der bereits auf der Insel gearbeitet hat, hat ihnen von der Lebensqualität hier vorgeschwärmt“, erinnert sich Ji. Während seine Geschwister und er bei den Großeltern in China aufwuchsen, bekamen seine Eltern auf der Insel gültige Papiere und beantragten Familiennachzug. Mit 16 Jahren ging es für Ji auf die Insel.

Fang Ji kämpft mit seinem Verein ACHINIB gegen Vorurteile. Nele Bendgens

Auch Chun Feng Li, die in der Via Roma in Palma das Geschäft „Jennifer“ mit 300 Quadratmetern Verkaufsfläche betreibt, lebte mit ihrem Partner zunächst über zehn Jahre in Madrid. Über Freunde auf der Insel wurde der Mann der mittlerweile 48-Jährigen auf Mallorca aufmerksam. Nach einigen Urlauben hier beschloss das Paar vor knapp 20 Jahren, umzuziehen. „Madrid ist sehr laut, auf Mallorca geht es deutlich ruhiger zu“, sagt Chun Feng Li, deren beide Kinder derzeit in Madrid studieren.

Meist handle es sich bei den chinesischen Einwanderern auf Mallorca um Großfamilien, weiß Ji. Wer keine Verwandten oder Freunde hat und eher zufällig hier landet, wendet sich nach der Ankunft oft an den von ihm 2015 mitgegründeten Verein. „Wir helfen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder beraten die Auswanderer zum Aufbau eines Geschäfts.“

Die meisten Chinesen würden in der Gastronomie arbeiten. Erst im Anschluss kämen die China-Märkte, mit denen sich viele Einwanderer selbstständig gemacht haben. Allein im Zentrum von Palma gibt es laut Ji über 250 von Chinesen betriebene Restaurants oder Läden. Daneben würden seine Landsleute auf der Insel Reise- oder Immobilienagenturen, Nagelstudios oder Schönheitssalons betreiben.

Chun Feng Li betreibt in der Vía Roma das Geschäft "Jennifer". Werner

Gehütetes Geschäftsgeheimnis

Darüber, wie viel Geld Betreiber von China-Märkten investieren müssen, um ihr Geschäft aufzubauen, wieso es sich trotz der billigen Preise rechnet und woher die Ware stammt, will in den fünf von der MZ-Redakteurin aufgesuchten Läden niemand Auskunft geben. Überhaupt ist es sehr schwierig, vom Personal auch nur irgendetwas zu erfahren, nachdem man sich als Journalistin vorgestellt hat. Die Betreiber sind misstrauisch, und die Sprachbarriere tut ihr Übriges. In einem Fall begleiteten Mitarbeiter die Redakteurin zum Ausgang.

Viel herzlicher und offener ist das Personal, als wir es mit einer chinesischen Übersetzerin versuchen. „Der Großteil meiner Landsleute ist sehr schüchtern, will lieber nicht in der Öffentlichkeit stehen“, weiß Fang Ji. Auch er selbst hält sich mit Informationen über die Läden bedeckt, eines sagt der Unternehmer, der selbst auch im Import-Export tätig ist, dann aber doch: „Der Hauptzulieferer soll ein spanisches Unternehmen sein, das seine Ware in China kauft und sie hier an Chinese vertreibt.“ Es muss der Kauf der Ware in riesigen Mengen gepaart mit niedrigen Produktions- und Betriebskosten und die Verwendung von qualitativ weniger hochwertigeren Materialien sein, der das Geschäft rentabel macht.

Spanische Mitarbeiter

Um die Ware an die Kundschaft zu bringen, stellen die Betreiber zunehmend auch Nicht-Chinesen ein. Im Hiper Xinlon in Palmas Stadtviertel Rafal Nou fallen zwei Spanisch sprechende Mitarbeiter am Freitagmittag (2.2.) direkt auf. Während die Frau schon im Vorgängergeschäft, ebenfalls einem chino, gearbeitet habe, ist der Mann erst vor zwei Monaten neu hinzugestoßen. Über Mundpropaganda habe er mitbekommen, dass die Betreiber Personal suchen, sagt er.

Deco Maisons liegt in Palmas Stadtteil Coll d'en Rabassa. Bendgens

Verstehen ja, sprechen nein

Im Geschäft Jennifer von Chun Feng Li gibt es außer ihrem Mann keine weiteren Angestellten. Nach all den Jahren in Spanien versteht die 48-Jährige zwar gut Spanisch, spricht es aber kaum. Zumindest die Vokabeln ihrer Produkte – ropa, chaqueta, bufanda, gafas de sol … – hat sie auf Spanisch drauf, wie sie beim MZ-Besuch beweist. Durch die Lage in der Innenstadt kämen auch viele Touristen, mit denen sie sich per Körpersprache und mithilfe von Handyfotos verständige, sagt sie.

Neben der zunehmenden Hispanisierung der Märkte habe sich auch ihre Optik und Deko in den vergangenen Jahren sehr verändert, weiß Ji. „Noch vor zehn Jahren waren die meisten Geschäfte sehr dunkel, das Ambiente kitschig.“ Mittlerweile laufe in einigen Musik. Durch Bereichsschilder, wie man sie aus dem Baumarkt kennt, finden sich Kunden deutlich besser zurecht. Eine ansprechendere Gestaltung, mehr Platz in den Gängen durch in die Höhe ragende Regale laden zum Verweilen ein und wirken dem Beklemmungsgefühl entgegen. Wohl auch zur Abschreckung von Langfingern hängen in allen Lokalen an jeder Ecke Kameras. Sowohl die Kunden als auch die Angestellten am Eingang blicken meist direkt auf Flachbildschirme, auf denen die Aufnahmen zu sehen sind.

Tiktok auf Katalanisch

Auf eine besondere Art des Marketings setzt Shunda Zhu. Er kam 2004, mit 14 Jahren, erst nach Barcelona, siedelte zwei Jahre später wegen Verwandten nach Mallorca über und ließ sich in Sa Pobla nieder. In dem sozialen Netzwerk TikTok hat sich der dreifache Familienvater als Jony eine Namen gemacht hat.

@canjony_zhu

Weeeep com anem!!!! Ya fa molt de fred !!!! Aquí t’esper!!!

♬ 原聲 - canjony

Er gehört zu den besonders gut integrierten Chinesen, spricht nicht nur fließend Spanisch, sondern auch Mallorquinisch. Das hat wohl auch viele Nutzer überrascht. Die Videos, in denen er auf Mallorquinisch einfach nur Produkte seines Geschäfts Can Jony vorstellt, gingen im Sommer 2023 durch die Decke. Gegenüber der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ sagte der Mittdreißiger, dass er sich mittlerweile eher als pobler als als Chinese fühle. Erst nach dem Umzug auf die Insel setzte er sich mit dem Katalanischen auseinander. „Meine Kunden haben mir vieles beigebracht. Zudem habe ich oft mit Frauen im Dorf gesprochen“, so Zhu. Auch in Alcúdia, Muro und Can Picafort seien er und sein Geschäft so bekannt geworden.

Zum Golfen nach Son Vida

Um auch die älteren Landsleute untereinander zu vernetzen und sie auf dem Laufenden zu halten, hat Fang Jis Verein in der unter Chinesen sehr bekannten App „We Chat“ 2015 einen eigenen Kanal für die hier lebenden Bewohner geschaffen. 10.216 Mitglieder sind derzeit dort registriert. Mitarbeiter des Vereins posten regelmäßig übersetzte Artikel aus regionalen Medien – ob zu steigenden Immobilienpreisen, Subventionen oder kuriosen Ereignissen. „Vor allem wenn schlecht über uns Chinesen berichtet wird, gibt es dann auch zahlreiche Kommentare“, weiß Fang Ji.

Das Geschäft Jiu Fang liegt in Can Pastilla. Bendgens

Einige Vorurteile halten sich eben hartnäckig. Zum Beispiel, dass die Ladenbesitzer wegen der langen und täglichen Öffnungszeiten kaum Freizeit hätten. „Keiner von uns mag es, übermäßig viel zu arbeiten“, stellt Ji klar. Nach der Pandemie habe sich in den Köpfen der chinesischen Einwanderer einiges getan. „Freizeit und die Zeit mit der Familie sind zunehmend wichtiger geworden.“ Momentan hätten in Pere Garau viele Lokale geschlossen, da die Familien zum Neujahrsfest in ihre Heimat geflogen seien. Und längst träfen sich viele chinesische Geschäftsleute zum Golfen im Arabella Golf in Palmas Nobelviertel Son Vida.

Mit den Chinesen das neue Jahr feiern

In diesem Jahr lassen die Chinesen die Sause zu ihrem Neujahrsfest am Sonntag (11.2.) wieder in Palmas Stadtviertel Pere Garau steigen. Das chinesische Neujahr steht 2024 unter dem Zeichen des Holz-Drachen. Bei dem Event verschmelzen jedes Jahr die mallorquinische und chinesische Kultur miteinander. In Zusammenarbeit mit Palmas Rathaus bietet der Verein der Chinesen auf den Balearen ein buntes Rahmenprogramm, zu dem auch alle anderen Bewohner eingeladen sind. Um 10.30 Uhr tanzen chinesische Drachen zur Musik der Dudelsackspieler auf dem Markplatz. Auch weitere Tänze können Besucher im Lauf des Vormittags bestaunen, etwa Kung-Fu oder eine Mischung aus Tai-Chi und Flamenco. Um 15 Uhr kann man einer Mischung aus chinesischem und mallorquinischem Rap lauschen. Bis 19 Uhr steht neben weiteren Tanz- und Musik-Aufführungen auch ein Theaterstück auf dem Programm. Vollständiges Programm: achinib.com oder Instagram: achinib2015.

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