Lange wird sie nicht mehr dabei sein, die 63-jährige Joana Maria Palou. Doch zurücklehnen kann sich die Leiterin von Mallorcas historischem Museum jetzt schon. Wenn sie in ein paar Jahren ihr helles, klimatisiertes Büro in einem der schönsten Häuser der Stadt verlässt und in Ruhestand geht, dann hinterlässt die Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin aus Montuïri ein reiches Erbe. Seit 35 Jahren ist sie Herrin über „die absurde Menge" von mehr als drei Millionen Scherben und Schalen, Bilder und Statuen, Figuren und Fresken: Kleinode, Schätze, Unikate, die das Leben der Menschen auf Mallorca seit 5.000 Jahren dokumentieren. „Ich bin schon selbst ein Exponat", sagt sie lachend.

Palou hat ein enormes Wissen angehäuft und dabei ein Verständnis für ihre Insel entwickelt, das weit über Zahlen und Fakten hinausreicht. Man spürt das beim Rundgang durch den Palast, der an diesem Donnerstag (23.7.) nach zehnjährigen Umbauten und Renovierungen und langer Schließung wieder eröffnet wird. Sie kennt alle Stücke, spricht davon, dass sie „atmen" oder „Magie haben" und verweist immer wieder, in ein, zwei Sätzen, auf deren Bedeutung. Palou ist keine Frau der langen Reden. Sie schweigt lieber und blickt zufrieden in die schwach beleuchteten, angenehm klimatisierten Räume.

Die Ausstrahlung der Bilder, Figuren und Keramiken ist in der Stille tatsächlich spürbar. Draußen schwitzen die Touristen in den Altstadtgassen, drinnen spricht der Heilige Bernhard zu uns, von einem mittelalterlichen, mit ­Blattgold und -silber dekorierten Altarbild. Es ist Europas älteste Darstellung des Heiligen und überrascht mit einer sehr deutlich gemalten Szene, auf der Maria das Jesuskind stillt.

Auf vorerst zwei Etagen sind knapp 400 Exponate aus acht Jahrhunderte zu bewundern. In der ehemaligen Planta Noble, dem ersten Stock des ausladenden Barockpalastes, sind unter goldverzierten Stuckdecken Exponate vom 13. bis zum 18. Jahrhundert zu sehen: Sakrale Kunst, Fassadenelemente, Figuren und Alltagsgegenstände. Das 13. Jahrhundert war für Mallorca wichtig, denn dann tauchte es auf der kulturellen und politischen Landkarte Europas auf. „Wir haben wunderschöne Exponate aus dieser Zeit, als Mallorca ein Knotenpunkt im westlichen Mittelmeer wurde", sagt Palou. Viele Stücke sind bei anderen Museen heiß begehrt, sie werden aber kaum verliehen, vor allem wenn sie mit organischen Materialen wie Stoff oder Holz gestaltet sind. Andere, robustere Exponate gibt Palou frei für Ausstellungen auf dem spanischen Festland, in den USA oder Resteuropa.

Im dritten Stockwerk geht es um das 19. Jahrhundert und das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Bunt bemalte Wandkacheln und erstes Produktdesign erzählen von der beginnenden Industrialisierung, von Manufakturen und Fabriken, vom Lebensstil der mallorquinischen Bourgeoisie. Gezeigt werden auch große Landschaften und Porträts, Bilder aus dem Nachlass wohlhabender Handels­familien, die im europäischen Ausland Kunst kauften oder auswärtige Künstler beauftragten, die Insel zu malen. Anrührend ist ein dramatisch ausgeleuchtetes, unter schweren Wolken verstecktes Bergmotiv von Antoni Ribes aus dem Jahr 1866.

Der Diskurs, die Präsentation und die Gestaltung der frisch renovierten Räume überzeugen. Palou und ihre beiden Mitarbeiterinnen, - „wir leiden an eklatantem Personalmangel"-, sagt sie, erzählen Mallorcas Geschichte als eine Reihe von Ereignissen. Zuvor gab es in dem Museum überfüllte Räume für Keramik, für Malerei, für Architektur ... Heute sind viel weniger Objekte ausgestellt, die oft thematisch zusammenpassen, nicht unbedingt chronologisch. „Man darf die Besucher nicht unterschätzen", sagt sie, „Vieles versteht man auch assoziativ." Wichtig war ihr, dass die „Menschen sich nicht von der Menge der Exponate ­erschlagen fühlen." Sie wünscht sich mehr Besucher als in den Jahren vor dem Umbau und setzt nun auf Touristen, auch wenn Mallorcas Geschichte auf keiner Tourismusmesse beworben wird: Die Handblätter zu den Exponaten sind in sechs Sprachen gedruckt.

Der Rundgang durch die beiden Etagen soll im Laufe des kommenden Jahres um weitere zwei Etagen erweitert werden, wo dann die Frühgeschichte bis zum Mittelalter erklärt wird. Dann sind auch wieder die Identitätsstifter der Insel zu sehen: Die kleinen Bronzekrieger aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, einer der talayotischem Stierköpfe oder die Aussteuer einer muslimischen Mallorquinerin aus dem 12. Jahrhundert, von den Mallorquinern tresoret, Schätzchen, genannt. Joana Maria Palou hat sie bekannt gemacht und den Mallorquinern ans Herz gelegt.

Museu de Mallorca, C/. Portella, 5. Palma. Eröffnung: 23.7., 19 Uhr. Geöffnet Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-14 Uhr. museudemallorca.caib.es

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