Schuld ist streng genommen seine Mutter, sagt Bartomeu Fiol, als er der MZ über das Hobby berichtet, das ihn nun schon 25 Jahre beschäftigt: die Luftschutzkeller unter den Straßen von Palma erkunden. Seine Mutter hatte ein Geschäft im Carrer Sant Felip Neri nahe dem Mercat de l'Olivar. „Bei Renovierungsarbeiten fand sie im Boden ein merkwürdiges Loch, unter dem ein Tunnel zum Vorschein kam. Sie erzählte mir aber erst viel später von ihrem Fund", berichtet Fiol, der zu diesem Zeitpunkt in Barcelona studierte. Der Sohnemann begann nach seiner Rückkehr auf die Insel zu recherchieren und fand heraus, dass es in Palma Hunderte von derartigen Löchern gab. „Häufig fanden Bauarbeiter die Bunker, wenn eine Straße aufgerissen wurde", sagt Fiol. Der Telekommunikationsingenieur scannte die Stadt nach Baustellen ab und stellte sich mit den Verantwortlichen gut, damit er in die Tiefe vorgelassen wurde. Fiol machte Fotos und fertigte einen ungefähren Plan an.

Die Tunnel, auf die er dort stieß, faszinierten ihn und mündeten in dem Buch „Els refugis antiaeris de Palma i la defensa passiva a Mallorca durant la Guerra Civil", das vor Kurzem im Verlag Lleonard Muntaner auf Katalanisch erschienen ist (416 Seiten, 40 Euro). Die Luftangriffe der republikanischen Flugzeuge auf das von Franco-Anhängern beherrschte Mallorca forderten mehr als 100 Tote und 200 Verletzte. Dabei war die Insel im Bürgerkrieg nicht nur Zielscheibe. Von der Insel aus flogen die deutsche Legion Condor und italienische Flieger und 200 Luftangriffe auf Barcelona und Valencia, bei denen mindestens 2.500 Menschen ums Leben kamen.

Die meisten Luftschutzbunker seien mehr oder weniger gleich aufgebaut, erklärt Fiol. Nach dem Eingang geht es eine Treppe hinab in die Tiefe. Etwa acht bis zehn Meter unter der Oberfläche hört dann die Treppe auf, und es beginnt ein geschlängelter Gang. „Der musste im Zickzack verlaufen, damit bei einer Bombenexplosion vor dem Bunker die Splitter nicht die Menschen im Keller erreichten", sagt Fiol. Alle Luftschutzkeller seien beleuchtet gewesen. „Es hingen Glühbirnen an der Decke." Einige hatten zusätzlich noch Bänke an beiden Seiten und manche verfügten gar über eine Toilette.

Ansonsten gab es im Inneren nichts weiter, der Gang weitete sich auch nicht dort, wo die Menschen zusammenkamen, sondern blieb ein Gang, der auf der anderen Seite ebenfalls wieder per Treppe zu einem Ausgang führte. Weil auch die Angst vor Giftgasangriffen bestand, wurden an den Eingängen der Luftschutzkeller spezielle Vorhänge angebracht, die das Gas aufhalten sollten. Außerdem hatten die Tunnel Belüftungskanäle, deren Ausgänge laut Fiol aber viel zu niedrig konstruiert waren und im Ernstfall kaum geholfen hätten. Glücklicherweise kam es nicht zu Giftgas-Angriffen.

130 derartiger Luftschutzbunker wurden nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs in den Jahren 1936 und 1937 allein in Palma von der sogenannten „Defensa Pasiva" gebaut. Die noch republikanische Regierung hatte 1935 diesen Vorläufer der heutigen Protección Civil gegründet, um die Zivilbevölkerung vor allem im Falle von Luftangriffen zu schützen. Die Defensa Pasiva hielt auf der Insel auch die Privatleute dazu an, Luftschutzkeller anzulegen. So kamen weitere 600 im Stadtgebiet zusammen. Insgesamt boten die Bunker Platz für knapp 100.000 Menschen. Palma hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 95.000 Einwohner. Auch in vielen Dörfern der Insel gab es die Keller, allerdings beschränkt sich das Buch von Fiol auf Palma.

Der mit Abstand größte Bunker in Palma, der allerdings nicht eigens als Luftschutzanlage gebaut wurde, war der bereits existierende unterirdische Eisenbahntunnel, der von der Plaça d'Espanya bis zum Parc de la Mar führt und dessen Ausgang man heute noch sehen kann. Hier fanden im Falle eines Angriffs mehr als 30.000 Menschen Zuflucht. Die anderen Bunker boten zwischen 200 und gut 1.000 Menschen Platz.

Die Standorte der Keller waren in der Stadt mit Schildern gekennzeichnet. Sobald der Alarm ausgelöst wurde, rannten die Menschen, die keinen eigenen Zugang zu einem Bunker hatten, zum nächstgelegenen Luftschutzkeller. Haustiere durften sie nicht mitnehmen. Besonders sensible Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder auch größere Unternehmen wurden dringlich aufgefordert, eigene Bunker anzulegen. Allerdings gab es auch 1937 beispielsweise noch Schulen, die sich über die Empfehlung hinwegsetzten oder schlicht kein Geld für einen Bau hatten. Die Defensa Pasiva ordnete für diese Schulen nach den ersten Attacken auf Palma im Mai 1937 an, dass die Sommerferien vorgezogen werden mussten. Alle Kinder wurden nach Hause geschickt. „Es gab Schulen, die während der Kriegsjahre bis 1939 nicht mehr öffneten", erzählt Fiol.

Direkt nach Ende des Krieges wurden die Eingänge zu den Tunneln verschlossen und gerieten nach und nach in Vergessenheit. Vielleicht auch deshalb befinden sie sich auch nach der langen Zeit in gutem Zustand. „Nur vereinzelt haben Menschen die Tunneleingänge für ihre Notdurft oder zur Müllentsorgung genutzt", sagt Fiol, der sich nun dafür einsetzt, dass die Bevölkerung der Insel das Vermächtnis aus der Guerra Civil besichtigen kann. Dazu nahm er Kontakt mit Stadtrat Llorenç Carrió auf, der sich laut Fiol schnell für das Projekt interessierte und ihm seine Unterstützung zusicherte.

Am 17. November gab es dann die erste öffentliche Begehung des Bunkers unter dem Baluard de Sant Pere am Paseo Sagrera. Der Andrang übertraf alle Erwartungen, am Eingang bildete sich eine lange Schlange. Fiol würde gern in Zukunft regelmäßig Führungen durch die Luftschutzkeller veranstalten - auch unentgeltlich, wie er sagt. Um dem Vergessen vorzubeugen.