"Als ich das Zimmer betrat, sah ich die beiden Betten nebeneinander und darauf die Leichen der Kinder. Sie hatten ein Taschentuch als Leichentuch über dem Kopf und hielten in den Händen, über der Brust gekreuzt, eine Blume. Ich war wie erstarrt. Ich brauchte einige Minuten, allein und in Stille, um zu verarbeiten, was ich da sah. Noch 25 Jahre danach geht mir das Bild der beiden toten Kinder nicht aus dem Kopf."

Tomás Sastre, pensionierter Brigadier der Guardia Civil, war an jenem 6. September 1996 Hauptfeldwebel der Kriminalpolizei in Manacor auf Mallorca. Er war der Erste, der am Morgen das Zimmer 431 des Hotels Royal Mediterráneo in Sa Coma betrat, in dem der 40-jährige deutsche Arzt Rüdiger Oyntzen seine Kinder Katharina und Mathias im Alter von acht und sechs Jahren ermordet hatte. In der Absicht, seiner Ex-Frau, von der er gerade geschieden war, den größtmöglichen Schmerz zuzufügen, injizierte er ihnen einen tödlichen Medikamentencocktail. Es ist eines der grausamsten Verbrechen in der Geschichte Mallorcas, das sich an diesem 6. September zum 25. Mal jährt.

Rüdiger Oyntzen nach seiner Festnahme im Jahr 1996. B. Ramon

Tomás Sastre erinnert sich mit absoluter Präzision an die Details des Falles. "Das ist etwas, das man nicht vergisst, auch wenn man es möchte. An diesem Morgen übte ich als Schießlehrer in der Kaserne von Artà, als man mir sagte, ich solle dringend zum Hotel in Sa Coma fahren. Sie wussten nicht, was passiert war, nur dass es etwas Ernstes war."

Von Artà aus ist es nicht weit nach Sa Coma. Sastre war der Erste, der das Zimmer 431 betrat. Zuvor hatte eine Putzfrau die Tür mit dem schon zwei Tagen dort hängenden "Bitte nicht stören"-Schild geöffnet und sie schnell wieder geschlossen, als sie sah, was geschehen war. Sastre blieb mehrere Minuten allein in dem Zimmer. Nachdem die Geschehnisse verdaut waren und der Rest des Teams der Kriminalpolizei eingetroffen war, war es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen. Was nun zu tun war. Und wie.

"Vom ersten Moment an war klar, dass hier ein Verbrecher geschehen war, kein Unfall", erinnert sich Sastre. "Der Mörder hatte alles vorbereitet und einen auf Deutsch verfassten Brief hinterlassen, in dem er seine Tat gestand." Diese Notiz, die Oyntzen eiskalt und mit akribischer Professionalität verfasste, enthielt eine detaillierte Beschreibung der Reaktionen der Kinder nach der Verabreichung der tödlichen Medikamentendosis über eine Infusion. Der Vater verzeichnete die genaue Stunde und Minute ihres Todes. Er habe dies getan, so schrieb er, um ihnen das Leid zu ersparen, das das Zusammenleben mit ihrer Mutter nach der Scheidung mit sich bringen würde.

Tomás Sastre bei den Ermittlungen im Hotel in Sa Coma, in dem Rüdiger Oyntzen 1996 seine beiden Kinder ermordete. B. Ramon

"Damals sprach man noch nicht von 'stellvertretender Gewalt', aber das ist ein klarer Fall davon", so Sastre. "Er hat die Kinder vorsätzlich getötet, weil er die Medikamente aus Deutschland mitgebracht hatte. Die Kinder waren in der Obhut ihrer Mutter, und er brachte sie unter dem Vorwand, gemeinsame Ferien zu verbringen, auf die Insel. Ein paar Tage lang hatten sie Spaß miteinander, wer nahm sie mit in den Safari-Park und an den Strand. Um sie dann kurz nach seiner Rückkehr zu töten, aus Rache an seiner Frau, um ihr den größtmöglichen Schaden zuzufügen und ihr Leben zu zerstören."

In diesem frühen Stadium der Ermittlungen waren die Prioritäten klar. "Das Verbrechen war zwei Tage zuvor begangen worden. Er war uns 48 Stunden voraus, und es bestand die Möglichkeit, dass er nach Deutschland zurückgekehrt war und versucht hatte, seine Ex-Frau zu töten", erinnert sich Sastre. Die Guardia Civil alarmierte mit einem Fax die deutsche Polizei. "Zudem hatten wir ausgezeichnete Beziehungen zu allen örtlichen Polizeidienststellen auf der Insel. Wir schickten allen das Foto des Verdächtigen, und am nächsten Tag erkannte ihn eine Streife der örtlichen Polizei von Pollença auf der Halbinsel Formentor und nahm ihn fest. Er sagte, er habe versucht, Selbstmord zu begehen, aber das hat er wohl nur vorgetäuscht."

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An jenem Tag begegnete Sastre dem Mörder in der Kaserne von Manacor von Angesicht zu Angesicht. Oyntzen verweigerte die Aussage und zeigte sich extrem gefühlskalt. "Ein herzloser Mann", urteilt Tomás Sastre.

Zu 34 Jahren verurteilt, 2016 an Krebs gestorben

Rüdiger Oyntzen wurde 1998 von einem Strafgericht in Palma wegen Mordes an seinen beiden Kindern zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt. In den Jahren, die er im Gefängnis von Palma verbrachte, gewann er das Vertrauen der Gefängnisleitung. Er ging nicht auf Konfrontationskurs, war mit dem Pfarrer befreundet und arbeitete mit den medizinischen Diensten zusammen. Wohl auch deswegen wurde 2011 seinem Antrag stattgegeben, seine restlichen Strafe in Deutschland verbüßen zu können. Als er dort im Januar 2016 an Krebs starb, war er bereits auf Freigang. Kurz zuvor hatte er die Erlaubnis erhalten, nach Mallorca zu reisen, um sich von seinen Freunden im Gefängnis zu verabschieden.