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Hells Angels-Prozess in Madrid: 34 Angeklagte schließen Deals mit dem Staatsanwalt

Tag 1 ist vorbei: Einer der Hauptangeklagten kommt frei, Frank Hanebuth nimmt weiter auf der Anklagebank Platz

Hells Angels-Prozess in Madrid: 34 Angeklagte schließen Deals mit dem Staatsanwaltdpa

Es war ein langer Tag an der Audiencia Nacional, dem Nationalen Gerichtshof in San Fernando vor den Toren der spanischen Hauptstadt Madrid: Im Prozess gegen 49 Mitglieder und Helfer der Rockerbande Hells Angels hat sich am ersten Prozesstag am Montag (23.1.) allerdings auch einiges getan.

Die Verteidigerinnen und Verteidiger von 34 Angeklagten kamen bereits vor Prozessbeginn zu einer Einigung mit der Staatsanwaltschaft, die im Gegenzug mit ihren ursprünglichen Strafforderungen ordentlich herunterging. Darunter waren mehrere Angeklagte, denen die spanische Justiz vor allem die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorwarf. Viele der Beschuldigten waren bei einer Razzia auf Mallorca im Juli 2013 festgenommen worden.

Geldstrafe statt 38 Jahre Haft

Auch einer der Hauptangeklagten, K. Y., für den die Staatsanwaltschaft ursprünglich 38 Jahre Haft gefordert hatte, schloss eine Vereinbarung und akzeptierte ein Strafmaß von zwölfeinhalb Jahren. K. Y. kann sogar das Gefängnis umgehen, wenn er eine Geldstrafe von rund 36.000 Euro zahlt.

Sein Bruder A. Y. sitzt hingegen weiterhin auf der Anklagebank. In seinem Fall beträgt die Haftforderung 33,5 Jahre. Auch zwei Beamte der Ortspolizei Palma sowie ein Guardia Civil sind weiterhin angeklagt.

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Letzte Aktualisierung 19:51

Anwältin Vega kommt zur Erkenntnis, dass es zu einer Einstellung des Verfahrens keine Alternative gibt. Der Ermittlungsrichter habe einen groben Fehler gemacht, in dem er die Angeklagten der Tatsache beschuldigt hat, dass sie der "kriminellen Vereinigung" Hells Angels angehören. Es gebe spanienweit legale Hells-Angels-Ableger. Die Richterin beendet die Verhandlung für heute und lädt für Dienstag (24.1.) zum zweiten Verhandlungstag.

Die Anwältin Mar Vega kritisiert die spanische Justiz scharf. Man habe die Unschuldsvermutung, ein Grundrecht, missachtet und stelle eine Vereinigung unter Generalverdacht. Die einzelnen Angeklagten, die aufgrund der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt seien, könnten sich gar nicht zur Wehr setzen.

Inzwischen sitzen nur noch zwei Handvoll Angeklagte im Saal, die anderen sind nach ihren Deals mit der Staatsanwaltschaft bereits verschwunden.

Die Anwältin spricht noch immer und zieht die gesamte Anklageschrift ins Lächerliche. Es werde ausführlich erzählt, was die Hells Angels sind, wann sie gegründet wurden, und ähnliches. Auch, dass ihnen Mallorca gefalle, weil man dort gut leben könne. "Mir gefällt es dort auch", fügt die Anwältin hinzu. Sie wolle kein Indiz auslassen, aber es gebe wenig bis gar nichts Handfestes.

Jetzt geht es um die Definition "kriminelle Vereinigung", die den Hells Angels von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Anwältin Vega erklärt, dass es in Spanien 20 eingetragene Hells Angels-Vereine gibt. Und um sich als solchen Verein eintragen zu lassen, bedürfe es eines positiven Berichts des Innenministeriums. "Das heißt also, von der Polizei. Von derselben Polizei, die nun versucht, diesen Verein als verbotene Vereinigung darzustellen", schließt sie.

Anwältin Mar Vega zerreißt förmlich die Anklageschrift und zweifelt die Aussage eines der Zeugen, D. H. an, der zur Zeit seiner Anzeige selbst in ein Betrugsdelikt verstrickt war. "Und man nimmt einfach an, dass die Angeklagten Straftaten verübt haben, weil sie Luxusautos fahren und einen gehobenen Lebensstandard pflegen", sagt die Anwältin.

Die Verhandlung geht weiter. Die Anwältin der Brüder Y., Mar Vega, ficht nun die gesamten Ermittlungen, das Beweismaterial, die polizeilichen Dokumente sowie die Zeugenaussagen an.

Die Verhandlung wird nach den Erklärungen von 33 Angeklagten, die alle den Deals mit der Staatsanwaltschaft zustimmen, noch einmal für 15 Minuten unterbrochen. Einer der Angeklagten erklärt, er habe gar nicht verstanden, wozu er Ja gesagt habe. Sein Anwalt habe ihm ein Zeichen gegeben, dass er zustimmen sollte. Der Unmut über die unzureichende und über weite Strecken gar nicht vorhandene Übersetzung im Saal ist groß. Die meisten Angeklagen können der Verhandlung so gut wie gar nicht folgen.

Es gibt Schwierigkeiten bei der Identifizierung des Angeklagten K.W., der per Videokonferenz zugeschaltet ist. Er hält einen Ausweis in die Kamera, doch der Staatsanwalt ist damit nicht zufrieden. Seine Anwältin bestätigt, dass es sich um die gefragte Person handelt, doch das reicht auch der Richterin nicht aus. Dann geht es auf einmal doch erst einmal so. Die Angeklagten können das Gesehene nicht fassen, tuscheln und murmeln vernehmbar. "So etwas würde es in Deutschland nicht geben", heißt es immer wieder.

K. Y. wird aufgerufen und erklärt sein Einverständnis mit der vorgeschlagenen Strafe von Seiten der Staatsanwaltschaft. Er verzichtet aber auf sein letztes Wort. Er muss eine Haftstrafe antreten. O. R. ist ebenfalls einverstanden. P. A. ist ebenfalls einverstanden. Die Angeklagte I. Y. wird aufgerufen und geht mit dem Deal ebenfalls konform. Nach und nach kommen nun die einzelnen Angeklagten zu Wort und erklären ihr Einverständnis mit den ausgehandelten Strafen.

Für einen der angeklagten Polizisten der Ortspolizei Palma soll es keinen Deal geben, stellt der Staatsanwalt klar. Der andere, C. V., wird lediglich zu einem Berufsverbot verurteilt, weil er eine Anzeige zurückgehalten hatte. Ansonsten ist er ein freier Mann.

Der Staatsanwalt ist weiterhin damit beschäftigt, die Einigungen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft zu verlesen. Die Angeklagten, die mit den Deals einverstanden sind, dürfen dem Prozess ab dem Moment ihrer Zustimmung fernbleiben. Weiterhin müssen sie für das Gericht allerdings verfügbar sein. Die bisher in Untersuchungshaft verbrachte Zeit wird auf die vorgeschlagenen Strafen angerechnet.

Der Staatsanwalt verliest zahlreiche weitere Einigungen mit der Staatsanwaltschaft. Bei den meisten geht es um den Straftatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, die durch eine Geldstrafe ersetzt werden soll. Die Einigungen müssten alle noch von den Angeklagten bestätigt werden.

Der Staatsanwalt verliest den Deal für K. Y. Die ursprünglich einmal geforderte Haftstrafe von insgesamt 38 Jahren reduziert sich auf insgesamt 12,9 Jahre. Für die Freiheitsberaubung von drei tschechischen Frauen, die K. Y. eingesperrt haben soll, weil sie sich geweigert haben sollen, als Prostituierte zu arbeiten, akzeptiert K. Y. nun insgesamt sechs Jahre Haft statt 15 Jahren. Der Staatsanwalt verliest weitere Einigungen von Angeklagten mit der Staatsanwaltschaft. O. R. etwa wird mit einer Geldstrafe belegt, er hätte ein Jahr Haft für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bekommen.

Der Staatsanwalt erklärt, dass einer der Angeklagten, F. H. (nicht Frank Hanebuth) nur noch wegen Dokumentenfälschung angeklagt werden kann. Aufgrund der Zeit, die seit der Anklage verstrichen ist, haben sich teilweise die Strafgesetze geändert. Der Staatsanwalt räumt einen Fehler bei der Straftat der Prostitution ein. Unklarheiten gibt es auch beim Angeklagten F. W. Der Angeklagte befindet sich im Krankenhaus, man kann derzeit keinen Kontakt zu ihm aufbauen. Angeblich soll er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen haben, doch Belege dafür gibt es derzeit nicht.

Die Anwältin der Brüder Y. versucht, durch Eingaben den Prozess zu vertagen. Der Staatsanwalt beklagt sich, dass er als erster an der Reihe ist. Die Richterin erteilt ihm das Wort.

Die Vorsitzende Richterin sowie eine Richterin und ein Richter betreten den Saal. Es dürfte demnächst weitergehen.

Ebenso der wohl bekanntest unter den Prozessteilnehmern: der ehemalige Chef der Hannoveraner Hells Angels, Frank Hanebuth. Er will es drauf ankommen lassen und rechnet offenbar mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen. Für ihn fordert die Staatsanwaltschaft 13 Jahre Haft. Der Hannoveraner wird in den nächsten Prozesstagen aussagen müssen. Derzeit sind zehn Verhandlungstage angesetzt.

Organisation mangelhaft

Der Prozess in einem Gewerbegebiet rund 20 Kilometer außerhalb des Zentrums von Madrid startete ähnlich chaotisch wie auch der bisherige Verlauf der Causa Hells Angels auf Mallorca war. Der Beginn war auf 10 Uhr angesetzt. Knapp vier Stunden verstrichen mit Unterredungen zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigern und Angeklagten, die schließlich die deutlichen Haftreduktionen zur Folge hatten. Es hatte teilweise etwas von einem Basar. Und kaum ging der Prozess dann los, rief die Vorsitzende Richterin Teresa Palacios zur Mittagspause.

Im Saal selbst hatte ein Großteil der 49 Angeklagten Platz genommen, auch fast alle der rund 40 Anwälte waren erschienen. Der Raum platzte aus allen Nähten, die Akustik war miserabel und viele der Angeklagten verstanden nur wenig von dem, was da gesagt wurde. Wenn für die deutschen Angeklagten etwas übersetzt wurde, dann meist nur bruchstückhaft oder gar falsch. Entsprechend groß war der Unmut auf der Anklagebank.

Anwältin Mar Vega zerreißt Anklageschrift

Pfeffer kam dann noch am Nachmittag rein, als zunächst die 34 Angeklagten, die zu einer Einigung gekommen waren, den Saal verlassen durften und danach die Anwältin der Brüder Y., Mar Vega, mit den Methoden des Ermittlungsrichters und der Staatsanwaltschaft abrechnete. Mar Vega focht die gesamten Ermittlungen, das Beweismaterial, die polizeilichen Dokumente sowie die Zeugenaussagenan. Vor allem ging es um den Terminus "kriminelle Vereinigung", den die Staatsanwaltschaft für die Hells Angels zugrunde legt.

Mar Vega erklärte, dass es in Spanien 20 eingetragene Hells-Angels-Vereine gibt. Und um sich als solchen Verein eintragen zu lassen, bedürfe es eines positiven Berichts des Innenministeriums. "Das heißt also, von der Polizei. Von derselben Polizei, die nun versucht, diesen Verein als verbotene Vereinigung darzustellen", sagte sie.

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Zu einer Einstellung des Verfahrens gebe es keine Alternative, schloss Anwältin Vega. Ob es dazu kommt und ob es vielleicht schon am zweiten Prozesstag am Dienstag (24.1.) so weit sein wird, muss abgewartet werden. Der Staatsanwalt zumindest ließ, als er die Haftreduktion für K. Y. verlas, schon mal eine Hintertür offen. Er sprach nicht mehr von einer "kriminellen Vereinigung" der Hells Angels im Allgemeinen, sondern nur noch in Bezug auf das Mallorca-Charter. Dieser Ableger der Rockergang soll laut Staatsanwaltschaft von Frank Hanebuth aufgebaut worden sein.

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