Zehn Jahre nach der Festnahme auf Mallorca: Prozess gegen Hells-Angels-Rockerboss Frank Hanebuth steht an

In Madrid beginnt im Januar die Verhandlung gegen den Rockerboss Frank Hanebuth und weitere mutmaßliche Mitglieder der Hells Angels, die 2013 auf Mallorca festgenommen wurden

Frank Hanebuth, der frühere Boss der Hannoveraner Hells Angels, wird im Juli 2013 nach seiner Aussage in Palma in die Untersuchungshaft gebracht.  | FOTO: MONTSERRAT DÍEZ/EFE

Frank Hanebuth, der frühere Boss der Hannoveraner Hells Angels, wird im Juli 2013 nach seiner Aussage in Palma in die Untersuchungshaft gebracht. | FOTO: MONTSERRAT DÍEZ/EFE / johannes krayer

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Fast zehn Jahre ist es her, dass bei einer Großrazzia auf Mallorca der Rockerboss Frank Hanebuth gemeinsam mit 23 weiteren mutmaßlichen Hells-Angels-Mitgliedern sowie etlichen weiteren Personen festgenommen wurde. Nun endlich kommt es im Januar vor dem Obersten Nationalen Gerichtshof zum Prozess. Am 23. Januar soll die öffentliche Verhandlung in Madrid beginnen. Für den Prozess sind 15 Verhandlungstage veranschlagt.

Entführung, Erpressung und Menschenhandel sind nur drei der schweren Verbrechen, die die Anklage dem Hannoveraner und seinen mutmaßlichen Komplizen vorwirft. Insgesamt ist in der Anklageschrift von 16 mutmaßlichen Straftaten die Rede. Die Staatsanwaltschaft fordert für Hanebuth eine 13-jährige Gefängnisstrafe. Die Summe der geforderten Strafen für die 46 Angeklagten beläuft sich auf insgesamt 298,5 Jahre. Neben Hanebuth, dem mutmaßlichen Anführer der Bande, sind unter anderem seine engen Vertrauten K. Y. und A. Y. angeklagt. Für K. Y. fordert die Staatsanwaltschaft sogar 28 Jahre und sechs Monate, für dessen Bruder A. Y. 23 Jahre und zehn Monate.

Ähnliche Ende wie beim Cursach-Prozess auf Mallorca?

Auch zwei Ortspolizisten aus Palma müssen auf die Anklagebank. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, die anderen Beschuldigten mit polizeiinternen Informationen versorgt und Ermittlungen gegen einzelne Mitglieder gestoppt zu haben. Die Verwicklung dieser Polizisten war einer der Ausgangspunkte der Ermittlungen gegen ein vermeintliches Korruptionsnetzwerk rund um den Nachtclubbetreiber und Megapark-Besitzer Bartolomé Cursach. Dessen Prozess ist Anfang Dezember zu Ende gegangen – mit Freisprüchen für alle Beschuldigten und sogar einer Entschuldigung der Staatsanwaltschaft für das ihnen auch durch die öffentliche Vorverurteilung geschehene Unrecht. Ein ähnlicher Ausgang des Hells-Angels-Prozesses gilt als nicht ausgeschlossen.

In der 58-seitigen Anklageschrift von 2019, die der Mallorca Zeitung vorliegt, wird ausführlich dargelegt, was jedem und jeder einzelnen der 46 Angeklagten – es sind auch fünf Frauen darunter – zur Last gelegt wird. Die Hauptdrahtzieher auf der Insel sollen vor allem die beiden Brüder K. Y. und A. Y. gewesen sein.

Ersterer wird gleich für zehn Straftaten angeklagt, darunter Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Erpressung, Prostitution und unerlaubter Waffenbesitz. Für Bruder A. Y. sind neun mutmaßliche Straftaten genannt. Unter dem Namen von Hanebuth werden in der Anklageschrift als Vorwurf die Delikte Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Bedrohung, Geldwäsche und unerlaubter Waffenbesitz aufgeführt.

Szene der Razzia gegen die Hells Angels auf Mallorca.  | FOTO: ALEJANDRO FERNÁNDEZ

Szene der Razzia gegen die Hells Angels auf Mallorca. | FOTO: ALEJANDRO FERNÁNDEZ / johannes krayer

Frank Hanebuth war gemeinsam mit einem weiteren Beschuldigten, P. E., im Juli 2013 auf einer Finca bei Lloret de Vistalegre im Inselinneren festgenommen worden. An der Großrazzia waren auch mehrere Beamte aus Deutschland und zwei Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen beteiligt. Die über 200 Beamten schlugen zeitgleich an verschiedenen Orten auf der Insel zu. Insgesamt wurden 31 Häuser, Lokale und Büros durchsucht, auch Wohnungen in Arenal, Son Veri Nou, Cala Estancia, Calvià, Andratx und Establiments.

Dabei beschlagnahmten die Beamten mehrere Motorräder und Autos, vor allem PS-starke Sportwagen, aber auch Boote, zahlreiche Waffen, wertvolle Bilder und Schmuck, rund 50.000 Euro Bargeld sowie größere Mengen Kokain, Marihuana und Anabolika. Zwar ging es bei der konzertierten Aktion ausschließlich um Straftaten, die in Spanien begangen worden sein sollen. Da es sich bei den Verdächtigen aber unter anderem um ehemalige Mitglieder des Hannoveraner Hells-Angels-Charters handle, waren bei dem Zugriff auf der Insel auch die Ermittler aus Niedersachsen mit dabei.

Bordelle und Formel-1-Rennstrecke

Was die Verdächtigen aus dem Rockermilieu zwischen 2009 und 2013 taten und noch planten, wollen die Ermittler aus vielen Stunden abgehörten und auf Deutsch geführten Telefongesprächen erfahren haben. So sollen die Beschuldigten zum Beispiel vorgehabt haben, große Mengen Schwarzgeld, das aus kriminellen Machenschaften in Deutschland und der Türkei stammte, in eine damals geplante, aber niemals realisierte Formel-1-Rennstrecke bei Llucmajor zu investieren.

Zum Zweck der Geldwäsche sollen die Rocker vor Ort bereits ein Geflecht aus Unternehmen unterhalten haben. Auf diese Firmen waren Autos oder Anwesen eingetragen – etwa die Finca in Lloret, die laut den Ermittlungen 2,5 Millionen Euro wert sein soll und in Wirklichkeit Hanebuth und P. E. gehört haben soll. Eine wichtige Einnahmequelle waren der Anklageschrift zufolge eine Reihe von Bordellen in Deutschland, wo Frauen nicht nur zur Prostitution gezwungen, sondern zugleich als Strohleute für die dubiosen Geschäfte gedient und sogar Kurierdienste erledigt haben sollen, um die Gelder nach Spanien zu bringen.

Sichergestellte Motorräder der Bande nach der Razzia.  | FOTO: DM

Sichergestellte Motorräder der Bande nach der Razzia. | FOTO: DM / johannes krayer

Auch auf Mallorca hatten die Hells Angels angeblich im großen Stil vor, ins Rotlichtmilieu einzusteigen. So wollten sie Palmas bekanntestes Nobelbordell Globo Rojo übernehmen, das der damalige Besitzer für eine üppige Summe loszuwerden versuchte. Den Kauf sollte K. Y. abwickeln, das Geschäft scheiterte allerdings. Hanebuth sagte dazu nach seiner Untersuchungshaft im MZ-Interview: „Die Preisvorstellungen waren absurd. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, und das, was die wollten, war der Laden einfach nicht wert.

Nach der Razzia auf der Finca in Lloret wurde Hanebuth in Untersuchungshaft genommen. Fast auf den Tag genau zwei Jahre blieb er im Gefängnis, zuletzt in einem Hochsicherheitstrakt in der Provinz Cádiz. Seinem Anwalt Gonzalo Boye gelang es schließlich, Hanebuth am 24. Juni 2015 freizubekommen – gegen eine Zahlung von 60.000 Euro Kaution und die Bedingung, sich mindestens einmal am Tag bei der Polizei zu melden. 2017 konnte Hanebuth dann nach Hannover zurückkehren, immer mit der Auflage, den polizeilichen und richterlichen Anordnungen Folge zu leisten.

Rocker-Boss Frank Hanebuth im MZ-Interview

Im Dezember 2015, gut drei Monate nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft, hatte Hanebuth in einem MZ-Interview alle Vorwürfe bestritten. Zwar habe er gemeinsam mit einigen weiteren Beschuldigten über die Gründung eines Hells-Angels-Charters auf Mallorca nachgedacht. Formal aber hätte dieser örtliche Club der Rockerbande zum Zeitpunkt der Festnahme noch gar nicht bestanden. Mit kriminellen Machenschaften habe er dabei nichts am Hut gehabt.

Es gebe auch gar keinen Grund dafür, so Hanebuth: „Allen Leuten in diesem Charter geht es sehr gut, da muss keiner krumme Dinger machen.“ Und weiter: „Aber das Bild von den Hells Angels, das die Behörden die Menschen glauben machen wollen, ist nun eben mal, dass wir alle Menschen-, Drogen- und Waffenhändler sind, damit wir in der Öffentlichkeit möglichst negativ dastehen.“ Auch die angeblichen Köpfe der Bande auf Mallorca seien ehrenwerte Geschäftsleute. „Die Brüder Y. werden völlig falsch dargestellt, wie Obergangster, die nur dummes Zeug im Kopf haben. Aber das ist nicht der Fall. Ich mache mir immer mein eigenes Bild, und ich habe vor allem K. in all der Zeit als ständig agierenden Geschäftsmann erlebt, der immer aktiv war, und zwar mit legalen Geschichten, keinem Blödsinn.“

Dass die Anschuldigungen gegen die Hells Angels zum größten Teil an den Haaren herbeigezogen seien, argumentiert auch die Verteidigung. So sagt Anwältin Lucinia Llanos, die unter anderem Hanebuth vertritt, der MZ: „Die Staatsanwaltschaft hat nichts in der Hand. Ich sehe kein einziges Delikt.“ Mit einer Einschränkung: Illegalen Waffenbesitz könnte man möglicherweise einigen der Mitglieder nachweisen. Das allerdings auch erst nach den Ermittlungen. Im Moment der Festnahmen hätten die Beamten nichts gegen die Hells Angels vorliegen gehabt. „Alle weiteren Anschuldigungen wie etwa Drogenhandel, Prostitution oder auch Bildung einer kriminellen Vereinigung halten den Ermittlungsergebnissen nicht stand“, sagt Llanos.

Strittig ist zudem, ob die Hells Angels in Spanien überhaupt als kriminelle Vereinigung gelten. „Wir rechnen mit einem ähnlichen Ausgang wie beim Cursach-Prozess“, sagt Anwältin Lucinia Llanos. Hanebuths vorheriger Verteidiger Gonzalo Boye hatte bereits auf zahlreiche Unstimmigkeiten bei den Übersetzungen und Namensnennungen bei den von den Ermittlern abgehörten Telefongesprächen hingewiesen. Und selbst wenn es zu Verurteilungen kommen sollte, könnten Llanos und die anderen Verteidiger auf eine deutliche Strafminderung pochen, weil die Eröffnung des Prozesses sich so viele Jahre hingezogen hat.

Wo sind die Hells Angels heute?

Die Hells Angels sind auch heute noch an der Playa de Palma präsent. Zumindest die beiden Brüder K. Y. und A. Y. sind teilweise täglich an der Urlaubermeile unterwegs. Hinzu kommt laut MZ-Informationen ein weiterer Hells Angel aus Leipzig. Die Rockerbande soll darüber hinaus eine Döner- und Pommesbude in der Nähe des Lokals Münchner Kindl führen. Weitere Geschäftsbeteiligungen gelten als wahrscheinlich.

Die meisten jetzt unter Anklage stehenden Rocker allerdings sollen die Insel verlassen haben. So soll P. E. in Darmstadt auf den Prozessbeginn warten. Vor dem sich die Rocker offenbar genauso wenig Sorgen machen wie die Anwältin. „Sie gehen davon aus, dass sie den Prozess auf der ganzen Linie gewinnen werden“, sagt ein Kenner der Szene. „Sie sprechen ohnehin von einer Verschwörung gegen sie.“