Die Lebensgeschichte von Inma Zanoguera ist filmreif - dabei ist die Mallorquinerin erst 25 Jahre alt und widmete sich zunächst nur dem Sport. Im Oktober jedoch sprach sie vor dem UN-Entkolonialisierungskomitee und plädierte für mehr Rechte der Sahrauis.

Zanogueras Verbundenheit mit dem Wüstenvolk beruht nicht auf einem Zufall und führt an den Anfang ihrer Biografie zurück. Erst drei Jahre war Zanoguera alt, als eine Familie in Llucmajor sie und ihre zwei Geschwister adoptierte ­­- Kinder aus der Sahara, mehr war nicht bekannt. Erinnerungen an ihr Leben vor Mallorca hat Zanoguera nicht. Sehr früh begann die kleine Inma das Basketballspielen, zunächst im Dorfverein von Llucmajor, dann in höheren Ligen. „Ich mochte das Training, habe es sehr ernst genommen. Schließlich beriefen sie mich in die Nationalmannschaft", berichtet Zanoguera. Im Jahr 2013 dann ihr erster großer Triumph: Sie gewinnt mit Spaniens U-20-Mannschaft die Europameisterschaft.

Nach diesem Sieg ging alles plötzlich ganz schnell. Zanoguera erlangte ein Stipendium an einer Universität in Ohio. „Das war, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Jeder Basketballspieler träumt davon, in der amerikanischen Liga zu spielen, sowohl was das sportliche Niveau angeht als auch das akademische. Denn dort lassen sich Leistungssport und Studium viel besser miteinander vereinen." Vier Jahre lang spielte sie bei den „Rockets", wechselte dann in die italienische Liga. Ein Fehler. „Ich habe mich nicht wohlgefühlt. Also bin ich in die USA zurück, um mein Studium zu beenden." Nicht ahnend, dass ihr Leben bald auf den Kopf gestellt werden sollte.

„Es war ein ganz normaler Tag, als mich plötzlich meine Schwester anrief und mir sagte, dass sie Namen und Geburtsort unserer biologischen Mutter herausgefunden habe." El-Ayoun, ein Ort in der Westsahara. „Bis zu dem Moment wusste ich praktisch nichts über die Region, aber ich tat, was wohl viele an meiner Stelle getan hätten: Ich begann, im Internet zu recherchieren." Eigentlich, gibt sie zu, habe sie nie tief in der Geschichte ihrer Herkunft wühlen wollen. „Aber ich merkte, dass in mir ein Teil war, der wissen wollte, was passiert war."

Ein Jahr lang suchte Zanoguera Informationen, fand heraus, dass ihre Ursprungsfamilie dem Volk der Sahrauis angehörte. Jenem Wüstenvolk, das seit der Entkolonialisierung von Spanisch-Sahara 1975 zu großen Teilen in Flüchtlingslagern in Algerien lebt. „Meine Mutter ging wohl ins Exil nach Mallorca. Viel mehr habe ich nicht herausbekommen, aber für mich war das ein großer Schritt." Schnell stand für sie fest: Eines Tages will sie mit eigenen Augen die Kultur ihrer Vorfahren kennenlernen. Den Entschluss, tatsächlich in die Sahara zu reisen, fasste sie jedoch erst, als sie vom Sahara Marathon hörte - einem Solidaritätslauf, der auf die Unterdrückung des Wüstenvolks aufmerksam macht. „Für mich war sofort klar, dass ich da mitmachen musste. Es war wie ein Wink des Schicksals."

Nicht, dass die junge Mallorquinerin Erfahrungen mit Langstreckenläufen gehabt hätte. „Sechs Monate trainierte ich, obwohl ich wusste, dass es sehr schwer werden würde." Just zu jener Zeit lernte Zanoguera Michelle-Andrea Guirouard kennen - eine kanadische Filmemacherin, die auf der Suche nach neuen Projekten war. „Als sie von meiner Geschichte hörte, schlug sie vor, mich für einen Dokumentarfilm mit der Kamera auf meiner Reise in die Heimat zu begleiten, und ich willigte ein."

Nach einer 30-stündigen Reise kamen die beiden jungen Frauen in dem Flüchtlingslager El-Ayoun an. Hier werden die Teilnehmer des Sahara Marathons seit seiner Entstehung vor 18 Jahren traditionell in Sahrauis-Familien untergebracht. „Ich kann nicht behaupten, dass ich die Kultur meines Volkes in dieser Zeit kennenlernte. In den Lagern, in denen die Menschen seit Jahrzehnten hausen, ist es ihnen unmöglich, ihre Kultur zu leben."

Gemeinsam mit 500 weiteren Läufern ging die Mallorquinerin an den Start. „Es war hart, die Bedingungen, das Klima, alles erschwerte den Lauf." Rückblickend glaubt sie, dass es ihr eiserner Wille war, der sie dazu bewegte, nicht vorzeitig abzubrechen. „Ich habe an das Volk meiner Mutter gedacht, während ich lief." Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen und schaffte es nach quälenden Stunden als Erste ins Ziel. „Ich konnte es nicht fassen, die Emotionen übermannten mich, ich fühlte mich euphorisch und gleichzeitig leer", erinnert sich Zanoguera. Guirouard hielt den bewegenden Moment mit ihrer Kamera fest, dokumentierte die Tränen, den Kampfgeist.

„Wir wollen mit dem Film erreichen, dass die Menschen sich der Ungerechtigkeit und des Leids bewusst werden, den der Sahara-Konflikt seit so vielen Jahren für die Sahrauis bedeutet", so Zanoguera. „Running Home" soll die Dokumentation heißen, die Premiere ist für Mitte des Jahres geplant - sowohl in den USA als auch auf Mallorca.

Es wird ein weiterer Baustein sein in Zanogueras Kampf für mehr Gerechtigkeit. Im Oktober durfte sie als Marathon-Siegerin vor den Vereinten Nationen sprechen. Drei Minuten internationale Aufmerksamkeit für die Missstände der Sahrauis. „Mir ist bewusst, dass ich keine nennenswerten Infos beitragen konnte, die Fakten über den Konflikt sind klar. Aber ich hoffe, dass mein Auftritt dennoch Spuren hinterlassen hat."