Am Berg im Stich gelassen: Mallorca-Radfahrer Enric Mas schießt gegen sein Team

Der Mallorquiner bleibt bei der Vuelta hinter den Erwartungen zurück. Das liegt vor allem am mangelhaften Teamwork

Enric Mas (vorne) fehlt am Berg die Unterstützung.  | FOTO: MANUEL BRUQUE

Enric Mas (vorne) fehlt am Berg die Unterstützung. | FOTO: MANUEL BRUQUE / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Es bietet sich derzeit eine wahrlich kuriose Situation an der Spitze der Gesamtwertung bei der Spanien-Rundfahrt. Der US-Amerikaner Sepp Kuss hält nun schon seit zwei Wochen den ersten Platz bei der Vuelta inne, der das rote Trikot mit sich bringt. Dabei ist der 29-Jährige vom niederländischen Team Jumbo-Visma eigentlich als Helfer von Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard und Giro-d’Italia-Sieger Primož Roglič an den Start gegangen. Die beiden Superstars der Radsportszene sind die ersten zwei Verfolger ihres Teamkollegen. Der Rennstall kann sich praktisch aussuchen, wer den Sieg holen soll. Etwas neidisch schaut der Mallorquiner Enric Mas auf die Konkurrenz. Der Radler aus Artà ist derzeit nur Sechster und lässt seinen Unmut am Team aus.

„Ich bin regelrecht besessen davon, auf dem Podium zu landen“, sagte Enric Mas bei einer Pressekonferenz. Eigentlich soll es nicht nur der zweite oder dritte Platz sein, sondern die Spitzenposition. Denn die Silbermedaille der Vuelta hat sich der Mallorquiner in den vergangenen fünf Jahren bereits drei Mal um den Hals gehängt. Um endlich zur Elitegruppe der Radsportwelt zählen zu können und nicht mehr das ewige Talent zu bleiben, müsste der Movistar-Kapitän eine große Rundfahrt gewinnen.

Kletterprofi, der Hilfe am Berg benötigt

Bis Sonntag (17.9.) hat der 28-Jährige noch Zeit, die viereinhalb Minuten Rückstand auf Kuss aufzuholen. Anders als bei der Tour de France, wo die letzte Etappe ein Schaufahren des Führenden der Gesamtwertung ist, wird bei der Vuelta bis zur letzten Sekunde um jeden Meter gekämpft. Dem Mallorquiner persönlich kämen dabei Strecken durch die Berge entgegen. Mas ist ein Kletterer, der bei den Höhenmetern seine Stärken ausspielen kann. Das Problem: Er besitzt zwar ein extremes Durchhaltevermögen, ist aber kein aggressiver Fahrer. Attacken fährt er so gut wie nie. Für den Erfolg bräuchte er also Helfer, die das Tempo vorlegen können. „Im Flachland haben wir die vielleicht beste Mannschaft. In den Bergen mangelt es aber deutlich“, sagte Mas.

Auch insgesamt ist das Movistar-Team nicht so stark besetzt wie die Konkurrenz. Der erste Helfer des Mallorquiners steht mit dem Kolumbianer Einer Rubio auf dem 16. Platz und hat knapp 40 Minuten Rückstand. Danach folgt Nelson Oliveira auf Platz 48. Der Portugiese hat bereits eine Stunde und 40 Minuten an Zeit verloren. Dass sie mit Mas eine Ausreißergruppe bilden können, scheint unwahrscheinlich.

Wie geht Jumbo mit der Situation um?

Vielleicht wird Mas aber auch der lachende Fünfte. Schließlich streiten die drei Jumbo-Fahrer nun um den Gesamtsieg. „Ich will den nicht geschenkt bekommen“, sagt Kuss. „Eine Hackordnung gibt es nicht.“ Ähnlich sieht es Sportdirektor Marc Reef. „Wir sind mit zwei Kapitänen gestartet. Nun haben wir uns entschieden, mit drei Spitzenreitern zu fahren. Wer am Ende gewinnt, ist uns egal. Hauptsache, es ist einer unserer Jungs.“

Die Vuelta ist das letzte große Rennen in dieser Saison. Im Anschluss geht es in die Winterpause. Im kommenden Jahr stehen neben den drei großen Rundfahrten zusätzlich die Olympischen Spiele auf dem Programm. Da wollen die Beine ausgeruht sein.