Immer die Küste entlang: Deutsche will in elf Marathons Mallorca umrunden

Joyce Hübner hat gerade die deutsche Grenze abgelaufen. Jetzt ist die Insel an der Reihe. Sie sucht Mitstreiter

Joyce Hübner will Mallorca umrunden.

Joyce Hübner will Mallorca umrunden. / Privat

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Einen wirklichen Anlass hatte Forrest Gump im gleichnamigen Spielfilm nicht, um in den USA von Küste zu Küste zu laufen. 170 Tage lang war er unterwegs. Mit seiner Aktion fand er reichlich Nachahmer – auf der Leinwand wie auch im richtigen Leben. Joyce Hübner gehört dazu. Die Berlinerin umrundete im vergangenen Jahr in 143 Tagen Deutschland. Zu Fuß, versteht sich. Da die 35-Jährige kaum still halten kann, steht nun das „17. Bundesland“ auf dem Plan. In elf Marathons an elf aufeinanderfolgenden Tagen will Hübner im Februar fast die komplette Küste Mallorcas ablaufen. Sie sucht dazu noch Mitstreiter.

„Meine Eltern haben immer dafür gesorgt, dass ich mich sportlich betätige“, erzählt Hübner. Doch so richtig passte sie in keinen Verein. „Ich habe es mit Handball probiert, Volleyball, Reiten, war im Leichtathletikclub. Laufen fand ich damals total nervig.“ Nach der Schulzeit ging sie ins Fitnessstudio, um sich neben dem Arbeitsleben zumindest halbwegs fit zu halten. Sie zog nach Düsseldorf, wo sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau machte. Im Anschluss folgte ein Studium in Betriebswirtschaft. Nach acht Jahren im Westen der Republik zog es sie zurück ins beschauliche Ludwigsfelde im Süden Berlins.

Das war ein positiver Trancezustand, nach dem ich süchtig wurde.

Einfach mal für den Halbmarathon angemeldet

„Ich war mittlerweile total unsportlich geworden“, sagt Hübner. Sie schnappte sich die Laufschuhe. „Das war die einfachste Methode, um wieder anzufangen. Allerdings brauchte ich ein Ziel. Einfach loslaufen ist nicht mein Ding.“ Prompt meldete sie sich 2016 für einen Halbmarathon an, den sie auch beendete. „Ich war total geflasht, wie für uns Läufer die Straßen gesperrt wurden und die Zuschauer uns anfeuerten. Das war ein positiver Trancezustand, nach dem ich süchtig wurde.

Wie kommt man auf die Idee, Deutschland zu umrunden?

Die Berlinerin trainierte und trainierte, wurde schneller. Doch das reichte ihr nicht. „Mir war an einem Punkt klar, dass ich nie ein Rennen gewinnen werde. Dafür habe ich schlicht zu spät mit dem Laufen angefangen.“ Statt in eine Sinnkrise zu stürzen, wagte sie sich an längere Distanzen. „Ich schaute Dokus und Filme über Extremsportler. Das begeisterte mich.“ Dabei fiel ihr auf, dass die Athleten immer lange Reisen für ihre Herausforderungen auf sich nehmen. „Ich fragte mich, warum denn niemand in Deutschland etwas Ähnliches unternimmt.“ An dem Punkt kam Freund Sven ins Spiel. „Lauf doch einfach die komplette Landesgrenze ab“, sagte er ihr im Spaß.

„Ja, warum denn eigentlich nicht? Hat das überhaupt schon mal jemand gemacht?“, dachte sich Hübner. Die Antwort lautete Nein. So plante die junge Frau das Mammutprojekt. Neben der sportlichen Herausforderung waren da eine ganze Menge organisatorischer Fragen. Wo übernachten? Wo die Klamotten waschen? Wie die 5.127 Kilometer Strecke einteilen? Wie das Projekt finanzieren?

Sponsoren trauten ihr die Strecke nicht zu

„Ich klapperte auf der Suche nach Sponsoren zahlreiche Unternehmen ab. Aber niemand traute mir die Distanz zu“, sagt Hübner. Gemeinsam mit ihrem Freund ließ sie sich ein halbes Jahr auf der Arbeit unbezahlt freistellen und lebte von den Ersparnissen. Auch eine Spendenkampagne brachte Geld ein. „Die Hälfte der Einnahmen habe ich aber an das Kinderhospiz weitergeleitet.“

Sechs Tage die Woche laufen, einen Tag Pause. So sah das Programm von Mai bis September 2023 aus. Die tägliche Distanz war mindestens ein Marathon. Hinzu kamen insgesamt 70.000 Höhenmeter. „Als ich mich langsam dem Ziel näherte, meldeten sich dann doch die Unternehmen, die zuvor abgesagt hatten, und wollten noch auf den Zug aufspringen.“ Immer wieder begleiteten sie andere Läuferinnen und Läufer auf den Tagesetappen. Hübner hatte sich 2019 auf Instagram angemeldet und dort nach Gleichgesinnten gesucht. „In meinem Freundeskreis fehlt da das Interesse“, sagt die 35-Jährige. Über ihre Erfahrung schrieb sie ein Buch. „The Joy(ce) of Running – Der Lauf meines Lebens“ kommt im Mai raus.

Und warum nun Mallorca?

Um sich von den Strapazen zu erholen, machte die Betriebswirtin Urlaub auf Mallorca – auf ihre Weise. Anfang Oktober lief sie den Palma Marathon. Dabei kam ihr die Idee, dass sie doch auch die Insel umrunden könnte. Mit Holger Schulze fand sie einen Partner, der sie über die gesamte Distanz begleitet. „Er lief auch bei der Deutschlandumrundung einige Abschnitte mit, bot sich als Guide für Trailläufe auf Mallorca an und war bei der Erstellung der Strecke eine große Hilfe“, sagt Hübner.

Wir versuchen, immer so nah wie möglich am Wasser entlangzulaufen.

Das Duo teilte die Runde an der Küste entlang in elf Abschnitte auf. Insgesamt sind es 485 Kilometer, wieder wird täglich mindestens die Marathondistanz runtergespult. „Wir versuchen, immer so nah wie möglich am Wasser entlangzulaufen“, sagt Hübner. Besonders im Norden der Insel ist das nicht immer möglich. An Teilen der Tramuntana-Küste wäre es mehr Klettern als Laufen. „Und die Straße auf der Formentor-Halbinsel ist zu stark befahren.“ Das sei ihr zu gefährlich gewesen.

Wer will mitlaufen?

Start ist am 12. Februar in Palma vor der Kathedrale. Im Uhrzeigersinn geht es von dort einmal um die Insel. Der erste Zwischenstopp ist in Santa Ponça. Freund Sven steuert das Begleitauto mit dem gesamten Gepäck und reicht Wasser und Obst während des Laufs. „Auch aus Kostengründen habe ich den Februar gewählt, damit die Hotelpreise noch akzeptabel sind. Vom Vier-Sterne-Hotel bis zum Bungalow ist alles dabei. Wir haben aber immer direkt an der Strecke eine Unterkunft gebucht“, sagt die 35-Jährige.

Erneut lädt sie alle Hobbyläufer dazu ein, sie zu begleiten. Die exakten Strecken und Treffpunkte sind auf ihrer Website joyce- huebner.com vermerkt. „Ich schaue dann, dass wir als Gruppe zusammen laufen.“ Das geplante Tempo ist mit 6:30 bis 7 Minuten pro Kilometer gemächlich. „Wir wollen keine Rekorde aufstellen. Ich will einfach die Menschen dazu ermuntern, ihre Komfortzonen zu verlassen“, sagt die Berlinerin. Drei Paar Schuhe nimmt sie für die Umrundung mit. Denn im Gegensatz zu ihr brauchen die Treter auch mal einen Tag Pause, um durchatmen zu können.

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