Mallorca Zeitung

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"Es ist unvermeidlich, dass wir drei neue Entsalzungsanlagen auf den Balearen bauen"

Der neue Leiter des Wasserwirtschaftsamts Joan Calafat über geplante Investitionen auf Mallorca, die derzeitige Versorgungslage sowie den Verbrauch durch Poolbesitzer und Urlauber

Joan Calafat will Urlauber und Einheimische gleichermaßen über den verantwortlichen Umgang mit Wasser aufklären. | FOTO: NELE BENDGENS

Nach einem regenarmen Winter und dem im Februar in Katalonien ausgerufenen Notstand wegen Trockenheit stehen auch auf Mallorca die Wasserressourcen im Zentrum der Aufmerksamkeit – zumal eine Urlaubssaison mit womöglich neuen Besucherrekorden ins Haus steht. Verantwortlich für das knappe Gut auf den Inseln ist der neue Leiter des balearischen Wasserwirtschaftsamts Abaqua, Joan Calafat. Der studierte Ingenieur (Palma, 1968) hat gleichermaßen in Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung gearbeitet, bei kommunalen Wasserversorgern wie Calvià 2000, als Berater von Infrastrukturprojekten verschiedener Behörden oder auch in der Wartung hydraulischer Anlagen der Flughafenverwaltung.

Ihre Stelle war lange unbesetzt – fand die neue Regierung der konservativen Volkspartei (PP) zunächst niemanden, oder haben Sie sich den Schritt so lange überlegt?

Diese Regierung wollte Fachleute auf strategischen Posten. Man überlegt sich schon genau, ob man seine berufliche Laufbahn unterbricht. Ich habe immer in der Wasserwirtschaft gearbeitet, aber dieser Posten ist eine Herausforderung. Das Wasserwirtschaftsamt hat den Ruf, schwerfällig zu sein und nicht gut zu funktionieren. Das Personal ist sehr qualifiziert, aber es braucht ein anderes Management.

In Katalonien wurde vor Kurzem der Wassernotstand ausgerufen. Wie stehen die Balearen derzeit hinsichtlich der Ressourcen da?

Die Situation ist komplex, aber unter Kontrolle. Die Pegelstände liegen derzeit auf den Balearen bei 56 Prozent, fünf Punkte unter den Vorjahreswerten. Die Situation unterscheidet sich dabei deutlich von Insel zu Insel. Auf Mallorca sind wir bei 57 Prozent, aber die Wasserqualität ist infolge der übermäßigen Nutzung und der Versalzung nicht so gut, wie sie sein könnte. Auf Ibiza sind es nur 39 Prozent. Während auf Mallorca und Menorca Entsalzungsanlagen zwölf Prozent beisteuern, sind es auf Ibiza 63 Prozent, auf Formentera sogar 85 Prozent. Zum Glück haben die Balearen aufgrund ihrer Erfahrungen frühzeitig auf die Entsalzung gesetzt.

Haben die Regenfälle der vergangenen Wochen die Situation entscheidend verbessert?

Im März hat es zwar mehr geregnet, aber wir liegen in diesem Jahr immer noch bei 78 Prozent der durchschnittlichen Niederschläge. In den drei vorausgegangenen Monaten betrugen die Regenfälle auf Ibiza und Formentera nur zehn Prozent der normalen Werte.

Werden die Entsalzungsanlagen auf den Balearen im Sommer am Anschlag arbeiten?

Das wird auf die Nachfrage ankommen, die die Gemeinden anmelden. Dieser müssen wir mit der maximalen Effizienz nachkommen. Der balearische Wasserwirtschaftsplan sieht vor, dass wir die Effizienz bis 2027 um zehn Prozentpunkte steigern. Anders gesagt: Wir müssen die Leitungsverluste um zehn Millionen Kubikmeter reduzieren, das ist in etwa so viel, wie in unsere zwei Stauseen in der Tramuntana passen.

Die Entsalzungsanlage in Camp de Mar. Nele Bendgens

Seit vielen Jahren werden derlei Investitionen angekündigt, aber der Prozentsatz der Wasserverluste scheint gleichbleibend hoch.

In einigen Gemeinden ist die Effizienz sehr gut, auf Formentera liegt sie bei rund 90 Prozent. In Calvià oder Pollença betragen die Verluste nur rund 15 Prozent. Der Balearen-Durchschnitt liegt derzeit bei etwa 26 Prozent. Dieser Wert ist hoch, aber besser als beispielsweise in Frankreich. Wir werden den Gemeinden in dieser Amtszeit mehr als 100 Millionen Euro für Investitionen ins Leitungsnetz bereitstellen.

Wie viel Geld davon stammt aus den Einnahmen der Touristensteuer?

Derzeit fließen 35 bis 40 Prozent dieser Einnahmen in die Wasserwirtschaft. Darüber hinaus verfügen wir neben weiteren Mitteln über die Gelder aus den Wassergebühren.

Wie genau werden diese Gelder investiert?

Wir unterscheiden verschiedene Strategien für diese sehr langfristigen Investitionen. Neben der Steigerung der Effizienz ist das neue Infrastruktur. Dafür stehen in vier Jahren 326 Millionen Euro zur Verfügung. Die Tourismusbranche darf nicht davon abhängen, ob es regnet oder nicht. Es ist unvermeidlich, dass wir drei neue Entsalzungsanlagen bauen. Eine an der Ostküste, um das Gebiet Campos, Ses Salines, Santanyí, Felanitx, Manacor und Sant Llorenç zu versorgen. Dazu gehört zudem ein neues Leitungssystem in dem Gebiet. Auch auf Ibiza kommen wir an einer neuen Anlage nicht herum, ebenso auf Menorca, im Gebiet von Maó.

Gibt es für die neue Anlage an der Ostküste schon einen Zeitplan?

Wir haben Gelder dafür reserviert, jetzt prüfen wir die konkrete Umsetzung, um Größe und Standort zu bestimmen. Zudem müssen alle betroffenen Gemeinden zusichern, dass sie auch Wasser abnehmen. Ich möchte betonen, dass es bei dieser Investition nicht um weiteres Wachstum geht, sondern um die Versorgungssicherheit und die Schonung der Wasserreservoirs. Das ist eine Priorität im Wasserwirtschaftsplan und auch für die EU.

Was sind die weiteren Strategien?

Eine dritte Strategie besteht in der Modernisierung der Kläranlagen, dafür stehen 290 Millionen Euro zur Verfügung. Europa bereitet gerade eine neue Richtlinie vor, die höhere Standards vorschreiben wird. Das ist eine Chance für den Einsatz von mehr erneuerbaren Energien, mehr Digitalisierung. Die vierte Strategie sieht mit rund 50 Millionen Euro die Wiederverwendung des geklärten Wassers vor, vor allem für die Landwirtschaft, aber auch die Bewässerung von Feuchtgebieten wie s’Albufera, das derzeit austrocknet, oder das Auffüllen von Grundwasservorkommen. Wenn wir die rund 70 Kubikhektometer, die bislang ungenutzt ins Meer fließen, besser klären und wieder in den Wasserkreislauf einspeisen könnten, brächten wir das System ins Gleichgewicht. Weitere 40 Millionen Euro schließlich fließen in Wartungsarbeiten in öffentlichen Wassergebieten wie die Sturzbäche, etwa den Hochwasserschutz in der Gemeinde Sant Llorenç.

Projekte zur Verwendung geklärter Abwässer beim Schutz der Vorkommen kündigte bereits Ihre Amtsvorgängerin an. Können wir von Kontinuität sprechen?

Wir haben einige Konzepte geändert. Bislang gab es ein horizontales Modell, bei dem Wasser über weite Strecken transportiert werden sollte, etwa von der Entsalzungsanlage in Palma nach Santanyí. Das ergibt keinen Sinn, das ist zu energieaufwendig. Wir wollen das Wasser vor Ort produzieren, in einem vertikalen Modell. Gleichwohl ist der Ausbau des Leitungsnetzes für die Versorgungssicherheit wichtig.

Bedeutet eine neue Entsalzungsanlage den Verzicht auf Bemühungen, Wasser zu sparen?

Die Effizienzsteigerung bleibt oberstes Ziel. Das betrifft nicht nur Leitungsverluste, sondern umfasst auch ein Projekt zur Aufklärung der Bevölkerung und pädagogische Arbeit, die Rückbesinnung auf die Kultur des Wassers, die in den Jahren des Booms verloren gegangen ist.

Wo es früher einen „safareig“ gab, der Regenwasser speicherte, steht heute ein Schwimmbecken. Sollten neue Pools verboten werden?

Das ist ein delikates Thema. Die vielleicht 80.000 Pools auf den Balearen verbrauchen etwa sechs Kubikhektometer. Das ist im Vergleich zum Gesamtverbrauch keine bedeutende Größe, auch wenn die Pools natürlich sehr sichtbar sind. Werden sie effizient genutzt, kann das absolut nachhaltig sein, auch hier ist Aufklärung gefragt. Ich bin für eine Regulierung, aber nicht für Verbote. Wir bereiten derzeit standardisierte Verordnungen zum nachhaltigen Umgang mit Wasser vor, die die Gemeinden dann umsetzen können.

Pools auf Mallorca. Redaktion DM

Die Wiederverwendung des geklärten Wassers wird auch durch die bislang oft miese Qualität erschwert. Golfplatzbetreiber müssen es vor dem Einsatz meist nachklären.

Unser großes Problem ist die Versalzung. Das betrifft mehr als die Hälfte des Wassers, das in den Kläranlagen ankommt. Das liegt an Filtrationen von Meerwasser ins Abflusssystem, den Salzwasserpools, Entkalkungssystemen. Die biologische Reinigung in den Kläranlagen ist dafür nicht ausgelegt, bei hohem Salzgehalt funktionieren sie mangelhaft. Für dieses Problem fehlt noch das Bewusstsein.

Neben dem Salzgehalt machen hohe Nitratwerte den Grundwasservorkommen zu schaffen. Inwieweit hat sich die Lage verbessert?

Die Landwirtschaft macht beim Düngereinsatz inzwischen vieles besser, auch wegen strengerer Auflagen und der Kosten. Im Pla, im Inselinneren, ging die Nitratkonzentration in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurück.

Jetzige (li.) und künftige Ausweisung: Die nitratgefährdeten Gebiete auf Mallorca sollen auf der Basis neuer Daten ausgeweitet werden. Govern

Werden die geltenden Grenzwerte inzwischen auf Mallorca eingehalten?

Es gibt noch immer Gebiete, wo das nicht der Fall ist. Die Rückgewinnung der Wasserqualität ist langwierig. Wir haben eine eigene Abteilung, die nur für die Kontrolle von Sickergruben auf dem Land zuständig ist – angesichts der großen Zahl ein schwieriges Unterfangen.

Welcher Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der Brunnen auf dem Land?

Es gibt weiterhin viele Brunnen in ungeregelter Situation. Wir erleichtern die behördliche Anmeldung und setzen auf die bislang fehlende Digitalisierung, um das Ausmaß des Wasserverbrauchs der geschätzten 60.000 Brunnen auf den Balearen zu erfassen.

Urlauber gelten mit als die größten Wasserkonsumenten. Wie hoch ist ihr Verbrauch laut Ihren Kalkulationen?

Unsere Berechnungen vom vergangenen Jahr ergeben, dass die Gäste in Fünf-Sterne-Hotels 450 Liter pro Person und Tag verbrauchen. Bei Drei-Sterne-Hotels sind es etwa 320 Liter pro Person und Tag. Das ist natürlich deutlich mehr als die 260 bis 270 Liter, die ein Einheimischer im Schnitt pro Tag verbraucht.

Wird es also auch unter der neuen Regierung Sensibilisierungskampagnen geben?

Diese Arbeit ist wichtig hinsichtlich der Urlauber und der Einheimischen. Wir müssen etwa von der Bewässerung nicht einheimischer Pflanzen abraten, die sich nicht ans Klima anpassen. Der Klimawandel wird die Wasserwirtschaft noch vor immense Herausforderungen stellen. Wenn die Regenfälle heftiger werden, fließt das Wasser schneller ins Meer ab statt ins Erdreich hinein. Und bei steigenden Temperaturen nimmt auch der Wasserkonsum zu.

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